Strafe für Red Bull in der Formel 1:Freie Fahrt für Silber

F1 Grand Prix of Bahrain - Practice

Rückschlag für Red Bull: Daniel Ricciardo.

(Foto: Getty Images)

Der Ausschluss von Sebastian Vettels Teamkollege Daniel Ricciardo vom Großen Preis von Australien ist ein großer Rückschlag für Red Bull - und ein Erfolg für Mercedes. Der Vorfall zeigt, wie eisig die Atmosphäre zwischen den Rennställen ist.

Von René Hofmann

Die Formel-1-Saison 2014 ist so gut wie entschieden. Die Titelverteidiger von Red Bull werden auf ihrer Aufholjagd entscheidend zurückgeworfen, der Titel dürfte so gut wie sicher an einen Mercedes-Fahrer gehen - an den Briten Lewis Hamilton, 29, oder den Deutschen Nico Rosberg, 28, die die ersten drei Rennen des Jahres dominierten. Dies ist die Quintessenz des Urteils, das das Berufungsgericht des Automobilweltverbandes FIA an diesem Dienstag verkündete.

Die nachträgliche Disqualifikation von Sebastian Vettels Teamkollege Daniel Ricciardo, der beim Großen Preis von Australien am 16. März Zweiter geworden war, bleibt bestehen. Und: Auch künftig müssen sich alle Teams an die Vorgaben des Automobilweltverbandes halten, der Einheits-Sensoren vorschreibt, die kontrollieren, wie schnell das Benzin in den Motor gespritzt wird. Erlaubt ist eine maximale Durchfluss-Menge von 100 Kilo pro Stunde.

Dem Urteil war eine eintägige Verhandlung vorausgegangen. Von 9 bis 15.30 Uhr hatten Vertreter der FIA, von Red Bull, von dessen Motorenlieferant Renault und den Formel-1-Rivalen Mercedes, McLaren, Lotus, Williams und Force India am Montag in der FIA-Zentrale am Place de la Concorde in Paris ihre Argumente ausgetauscht. Der Streit ging alle an der Formel 1 Beteiligten an, er hatte das Zeug zum Präzedenzfall.

Red Bull gab an, der in Ricciardos Auto verbaute Sensor FF73 habe keine zuverlässigen Werte geliefert. Deshalb habe das Team auf ein zweites System vertraut, das die Menge des eingespritzten Benzins aus Daten wie der Drosselklappenstellung, des Lambda-Wertes, des Zündzeitpunktes, der Abgas- und der Benzintemperatur berechne. Dies sei in der Direktive 0.3.1.30 auch so vorgesehen.

Stimmt, erwiderte die FIA - für den Fall, dass tatsächlich einmal ein Sensor defekt sei. Weil Ricciardos aus ihrer Sicht aber nicht kaputt gewesen sei, habe Red Bull sich einen unerlaubten Vorteil verschafft, indem - bis auf fünf Runden, in denen das Safety Car das Tempo vorgab - konstant mehr Benzin in Ricciardos Antrieb gepumpt wurde als erlaubt: zwischen 100,4 und 101,1 kg/h, im Schlussspurt sogar noch mehr. Der Vorteil, den dies brachte, wurde von Red Bull und den Rivalen einheitlich auf 0,4 Sekunden pro Runde hochgerechnet - in einem Sport, in dem es um Hundertstelsekunden geht, ein beträchtlicher Wert.

In dem Verfahren ging es allerdings nicht nur um technische Details. Es ging durchaus auch ums große Ganze. Welche Regeln gelten? Wer hat letztlich das Sagen? Der FIA-Anwalt hielt Red Bull vor, obwohl es zahlreiche Direktiven und Paragrafen gebe, könne das Team "sich nicht die Kirschen herauspicken", die ihm gefielen. Dass die Equipe dies in manchen Fällen durchaus gerne so halte - diesen Eindruck unterstrich Red-Bull-Chefkonstrukteur Adrian Newey bei seinem Auftritt im Zeugenstand mit der Antwort auf die Frage, ob er auch eine FIA-Waage ignorieren würde, wenn diese seiner Meinung nach ein falsches Ergebnis anzeige: "Wenn der Messfehler groß genug ist, würden wir das tun", zitiert die Fachzeitschrift auto, motor und sport den 55-Jährigen.

Verstoß gegen die Paragrafen 12.1.1 c) bis i)

Zusätzliche Brisanz wurde durch den Anwalt in die Verhandlung getragen, den Mercedes geschickt hatte. Im vergangenen Jahr hatte die Werksmannschaft des deutschen Autokonzerns nach einem umstrittenen Reifentest vor dem Großen Preis von Monte Carlo auf der Anklagebank gesessen. Damals forderte Red Bull harte Sanktionen und legte der FIA Unterlagen vor, die den Rivalen belasten sollten. Am Montag bot sich die Gelegenheit zur Revanche - und von der machten die Gesandten der Silbernen ausgiebig Gebrauch.

Gegen die Paragrafen 12.1.1 c) bis i) habe Red Bull verstoßen, so der Mercedes-Advokat. Das Vergehen sei deshalb durchaus mit dem des Rennstalls BAR zu vergleichen, der im Jahr 2005 mit einem geheimen Zusatztank aufgeflogen und für drei Rennen ausgeschlossen sowie für einen längeren Zeitraum unter besondere Beobachtung gestellt worden war. In anderen Worten: An Red Bull solle bitte ein abschreckendes Exempel statuiert werden!

Der Vorstoß zeigt, wie eisig die Atmosphäre zwischen den zwei Rennställen ist, in denen vier Österreicher das große Wort führen: Toto Wolff (Sportchef) und Niki Lauda (Chef des Aufsichtsrates des Formel-1-Teams) bei Mercedes sowie Helmut Marko (Motorsportberater) und Dietrich Mateschitz (Firmeneigner) bei Red Bull.

Wie beim Streit um den Doppeldiffusor des Teams BrawnGP 2009 hatte die Auseinandersetzung um den Benzin-Sensor eine weitreichende technische Dimension: Hätten die Richter die Sensoren als unzuverlässig eingestuft, hätten alle Teams umrüsten dürfen. Dies hätte Red Bull und Renault Möglichkeiten eröffnet, den Rückstand auf die derzeit überlegenen Mercedes-Motoren womöglich schneller aufzuholen.

Daneben aber gab es noch eine sportpolitische Dimension. Mateschitz, dem neben dem Team Red Bull Racing auch noch der Rennstall Toro Rosso gehört und der die Rennstrecke in Spielberg betreibt, auf der die Formel 1 Ende Juni gastiert, hatte in einem Interview mit dem in Wien erscheinenden Kurier wenig verklausuliert mit Ausstieg gedroht: In Bezug auf "politische Einflussnahmen und sportliche Fairness" gebe es seinerseits "eine klare Akzeptanzgrenze", hatte der 69-Jährige gesagt.

Die Stellungnahme des Teams am Dienstag klang milder. Man sei "enttäuscht" und bleibe dabei, sich in Melbourne immer innerhalb des Erlaubten bewegt zu haben, teilte Red Bull Racing mit. Nun aber konzentriere man sich aufs nächste Rennen. Das findet am Sonntag in Shanghai statt.

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