Steuerprozess:Lionel Messi hat "keine Ahnung"

Lionel Messi

Falscher Spielplatz: Lionel Messi auf dem Weg in den Gerichtssaal in Barcelona.

(Foto: AP)

Mit seiner Aussage im Steuerprozess bestätigt der steinreiche Fußballer, dass er Papiere unterschrieben hat. Was drin stand, habe er aber nicht gewusst.

Von Javier Cáceres, Barcelona

Dann kam er doch, der Mann, den sie in Barcelona für einen Messias halten. Um 10.14 Uhr entstieg Lionel Andrés Messi, Fußballer des FC Barcelona, vor dem Justizpalast einem Kleinbus. Wie es der Respekt vor dem Gericht gebietet, das über den Vorwurf der millionenschweren Steuerhinterziehung zu befinden hat, adrett gekleidet: schwarzer Anzug, dunkle Krawatte, weißes Hemd.

Ernst ging er die Steintreppen hoch, umsäumt von Vertrauten. Ein Bodyguard und ein Vertreter des FC Barcelona waren zu sehen, der Physiotherapeut der argentinischen Nationalelf, der über den maladen Rücken wacht, der ältere Bruder Rodrigo und natürlich Vater Jorge Horacio Messi, der ebenfalls angeklagt ist. Lionel Messi warf jenen konzentrierten, nicht zu dechiffrierenden Blick, den er hat, wenn ein entscheidendes Spiel bevorsteht. Und ein wenig herrschte auch ein Tohuwabohu wie im Stadion.

Anschließend passierte der dreitagebärtige Messi den Metalldetektor und betrat den Gerichtssaal. Er nahm Platz auf einem Holzstuhl, der als Anklagebank diente. Vater Jorge saß zur Linken. Es wirkte, als suche Messi seinen Platz an einem Ort, an dem er sich sichtlich fehl fühlte.

Zu 99,9 Prozent kein Haftantritt

Der Argentinier soll von 2007 bis 2009 in Spanien Steuern in Höhe von 4,1 Millionen Euro nicht abgeführt haben; zusammen mit seinem Vater, der seine Geschäfte führt. Nach Aufnahme des Ermittlungsverfahrens im Jahr 2013 entrichteten die Messis diesen Betrag inklusive Zinsen freiwillig - und reichten für folgende Jahre ergänzende Steuererklärungen nach. Gleichwohl drohen ihnen jetzt eine Geldbuße von ebenfalls 4,1 Millionen Euro sowie eine Gefängnisstrafe, die sie zu 99,9 Prozent nicht antreten müssten, weil sie in jedem Fall unter der Schwelle von zwei Jahren liegen würde, die einen Haftantritt obligat macht.

An den ersten beiden Prozesstagen war Messi nicht erschienen. Er schwebte im Privatjet aus Argentinien ein, als am Dienstag der erste Prozesstag vorüber war. Was er verpasste, war ein interessanter Blick hinter die Kulissen seines Geschäftslebens, wenn man so will: eine gute Gelegenheit, etwas zu lernen. Über den Fluss des Geldes.

Angel Juárez, ein auf die Betreuung von Fußballprofis spezialisierter Steueranwalt, sagte unter Eid aus, dass er Lionel Messi "nie etwas" erklärt habe: "Nichts". Ebenso sein Vermögensverwalter. Messi habe auch selten das Büro aufgesucht. Mal brachte der Vater signierte Dokumente zurück, mal wanderten sie per Kurier hin und her, mal wurde eine elektronische Unterschrift genutzt, die bei den Steueranwälten deponiert war. Die Geschäftspartnerin von Juárez, die Messis Steuererklärungen komponierte, versicherte, auch sie habe ihn nur vier, fünf Mal gesehen, darunter ein Mal wegen eines Vertrags mit dem Elektronikkonzern Samsung. Da sei er in einem Hotel vorbeigekommen, "weil alle von Samsung ein Foto mit ihm machen wollten".

Dass Messi überhaupt vor Gericht musste, hat viel mit einem Mann namens Rodolfo Schinocca zu tun. Der frühere Fußballprofi und Buchhalter hatte zunächst zusammen mit Messis Vater die ersten Firmen in Steuerparadiesen gegründet, auf die Werbegelder für Messi flossen, darunter Sports Consultants Ltd. mit Sitz in Belize. An diese Firma wurden die so genannten "Bildrechte" Messis verkauft, für heute lächerlich anmutende 50 000 US-Dollar - die Firma sollte Werbeverträge eintreiben.

Anwalt: Neue Firma sei "nicht steuerpflichtig"

2006 verkrachten sich die Messis und Schinocca. Grund: Schinocca hatte Messis Mutter eine Unterschrift unter einen Vertrag abgeschwatzt, der Schinocca einen mehrheitlichen Anteil an den Werbeeinnahmen Messis sicherte. Und so Gelder, die Messi zustanden, eingesackt. Später kam es deswegen zu einem Prozess - die Messis gewannen.

Die Steuerbehörden meinen, das Off-Shore-Konstrukt sei illegal gewesen

Nach dem Bruch mit Schinocca wurde eine neue Firma in einem anderen Steuerparadies gegründet, an die Messis "Bildrechte" übertragen wurden: die in Uruguay ansässige Gesellschaft "Jenbril". Dafür habe es Gründe gegeben, erklärte Ángel Juárez.

Erstens: Man wollte Messis Vermögen vor Schinocca schützen. Es habe keiner ausschließen können, dass Schinocca den Prozess gegen die Messis gewinnt - und Entschädigungsansprüche stellt. Zweitens stand eine Zahlung in sechsstelliger Höhe des Sportartikelkonzerns Adidas an, zahlbar an Sports Consultants Ltd. Adidas wollte nicht vertragsbrüchig werden, die Messis fürchteten, dass Schinocca dieses Geld einsackt. Ein Ausweg war, das Geld auf einem Treuhandkonto in den Niederlanden zu bunkern, bis Schinocca und die Messis ihren Rechtsstreit beilegen.

Die Alternative war, eine neue Firma zu gründen, die exakt dem Profil von Sports Consultants entsprach und der die Bildrechte übertragen wurden - so entstand "Jenbril". Die Gesellschaft sei eine "Nachahmung" von Sport Consultants gewesen, sagte Messis Steueranwalt. Jede andere Lösung, fügte er hinzu, hätte Adidas vor Probleme gestellt. Die Geschäftsführung hätte Zahlungen an eine anders strukturierte Gesellschaft absegnen müssen - und das hätte gedauert.

Es gab freilich einen dritten Grund, er musste von der Staatsanwältin mühsam erfragt werden - und wurde von Messis Steueranwalt zähneknirschend eingestanden: Die in Uruguay angesiedelte "Jenbril" war "nicht steuerpflichtig". Steueranwalt Juárez betonte, die Gründung von Off-Shore-Gesellschaften sei "völlig legal". Dass die Messis die Firmen bei Steuererklärungen nicht angegeben hätten, habe ihn überrascht, sagte Juárez. Er habe das erst bei Inspektionen der Steuerfahndung erfahren. Messis Vater sagte, es sei ein Fehler gewesen, auf den Steueranwalt zu vertrauen. Er sei nach dessen Beratung davon ausgegangen, dass alles legal sei.

"Wohin das Geld ging, keine Ahnung."

Spaniens Steuerbehörden sehen das anders. Sie halten das Konstrukt für illegal - und erinnern daran, dass Messi, auch wenn er von der Hinterziehung nichts gewusst habe, einziger Aktionär von "Jenbril" und damit verantwortlich war. Messi hörte den Vertretern des Finanzamts am Donnerstag zu. Vier Stunden lang. Augenscheinlich überfordert und gelangweilt. Mal nippte er am Wasser, mal streckte er sein rechtes Bein, mal schaute er aufs Handy. Dann musste er aussagen.

Ein Dutzend Mal leugnete er, Kenntnis von irgendwas zu haben. Es war eine Kaskade von Antworten, in denen er "Nein" oder "Ich weiß nicht" sagte. Zum Beispiel als er gefragt wurde, ob er von der Existenz der Firma "Jenbril" wusste, und dass er deren Inhaber und Managing Director war. Ob er blind unterschrieben habe, fragte die Staatsanwältin, und Messi antwortete, dass er nur wusste, dass er diverse Werbeverträge unterschreiben musste, Fotos machen, Spots aufzeichnen, solche Dinge. "Wohin das Geld ging, keine Ahnung."

Um 14.43 Uhr trat er aus dem Justizpalast hinaus. Am Abend sollte es im Privatjet in die USA gehen, wo er ab dem Wochenende mit Argentiniens Nationalelf um die Copa América spielt. Das Urteil in Barcelona wird für die zweite Juli-Hälfte erwartet.

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