Steuerprozess in München:Hoeneß' letztes Wort

Bayern Munich President Hoeness arrives for verdict in his trial for tax evasion at regional court in Munich

Das Urteil im Fall Hoeneß wird gegen 14 Uhr erwartet

(Foto: REUTERS)

War es "kriminelle Energie", ein formaler Fehler - oder war doch alles korrekt? Während die Staatsanwaltschaft Uli Hoeneß für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis schicken will, plädiert die Verteidigung auf höchstens eine Bewährungsstrafe. Hoeneß' Team beklagt eine Vorverurteilung und verweist auf das Lebenswerk des Angeklagten.

Aus dem Gericht von Bastian Brinkmann und Lisa Sonnabend

Uli Hoeneß ist nun ganz bei der Sache. Der Bayern-Präsident blickt Staatsanwalt Achim von Engel in die Augen. Es ist der vierte Prozesstag im Münchner Justizpalast, es ist der Tag der Entscheidung. Am Donnerstagvormittag stehen die Plädoyers an, am Nachmittag soll dann das Urteil verkündet werden.

Der Staatsanwalt fordert eine Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Die Verteidigung hält die Selbstanzeige dagegen für wirksam. Falls das Gericht dies anders sehe, komme nur eine Bewährungsstrafe in Betracht, so Verteidiger Hanns Feigen, da es sich nur um formale Fehler handeln könne.

Doch zunächst hat Achim von Engel das Wort und er kommt ziemlich schnell auf das seiner Sicht Entscheidende zu sprechen. "Eine wirksame Selbstanzeige liegt nicht vor." Deswegen fordert er zum Ende seines Vortrags eine lange Haftstrafe für den Bayern-Präsidenten.

Engels Argumentation: Der Angeklagte habe in der Selbstanzeige verschwiegen, dass er in manchen Jahren Kapitaleinkünfte hatte. Hoeneß hatte für die Jahre 2004 und 2006 bis 2009 nur Verluste erklärt. "Positive Kapitalerträge wurden mit Verlusten aus Spekulationsgeschäften verrechnet - das ist nicht erlaubt", sagt Engel.

Der Staatsanwalt führt weitere Gründe an, warum er die Selbstanzeige für ungültig hält. Die Fahnder konnten die hinterzogenen Steuern aus dem Dokument nicht errechnen. Erst als nach mehr als einem Jahr die Unterlagen von Hoeneß' Team eingetroffen waren, sei dies möglich gewesen. Ob die Tat zum Zeitpunkt der Selbstanzeige schon entdeckt war - ein Stern-Journalist war Hoeneß auf den Fersen - spielt in den Ausführungen des Staatsanwalts nur eine untergeordnete Rolle. Auch er hat Zweifel daran und sagt deswegen: "Das würde ich ausdrücklich offenlassen."

Der Staatsanwalt spricht deutlicher und langsamer als bei Verlesung der Anklage zum Prozessauftakt. Doch seine Stimme dringt nicht bis in die hintersten Reihen. "Ein bisschen lauter", brüllt ein Anhänger des FC Bayern plötzlich in den Raum. Richter Rupert Heindl erlaubt dem Staatsanwalt, im Sitzen fortzufahren. Nun ist er näher am Mikrofon und ist klar zu verstehen, als er die Gründe anführt, die zu Gunsten des Angeklagten sprechen.

Keine erheblichen Milderungsgründe

So habe Hoeneß die Steuerhinterziehung gestanden, er sei zuvor nie straffällig geworden und wegen der drohenden Haftstrafe psychischer Belastung ausgesetzt. Engel berücksichtigt, dass Hoeneß an einem "öffentlichen Pranger" stand, und damit höheren Belastungen ausgesetzt sei als ein durchschnittlicher Angeklagter. Er betont zudem, dass Hoeneß "beträchtliche Verdienste erworben" habe. Und eine Selbstanzeige habe er schließlich abgegeben, auch wenn sie fehlerhaft gewesen sei. Erhebliche Milderungsgründe sieht der Staatsanwalt allerdings in keinem der Punkte.

Stattdessen betont Engel mehrmals, Hoeneß habe "grob eigennützig" gehandelt. Er spricht von "krimineller Energie". Die Tatbestandsmerkmale des besonders schweren Falles der Steuerhinterziehung seien erfüllt. Das Strafmaß reicht hier von sechs Monaten bis zehn Jahre. Engel fordert fünf Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe.

Dann tritt Hanns Feigen auf. Der bekannte Anwalt muss jetzt alles rausholen. Eine Haftstrafe steht im Raum.

Der Plan B der Verteidigung

Feigen steht auf, er spricht so laut, dass der ganze Saal zuhören kann. Sein Vortrag ist pointiert und verständlich. Wenn er erklären will, dass das Finanzamt ohne Hoeneß' Selbstanzeige völlig im Dunkeln tappen würde, sagt er: "Nicht Herr Engel, sondern Herr Honeß hat geklingelt." Die Initiative ging von seinem Mandanten aus, sagt er. Hoeneß wolle zur Steuerehrlichkeit zurückkehren.

Die Kritik an der Selbstanzeige lässt er nicht gelten. Sie sei nicht dilettantisch, sondern besser als ihr Ruf. Aus den Zahlen lasse sich eine Steuerschuld für Hoeneß schätzen. Die Selbstanzeige nenne einen Gewinn von 130 Millionen Euro. Folgerechtlich habe das Finanzamt Miesbach zunächst eine Steuerschuld von 70 Millionen Euro geschätzt, "in nur zwei Wochen - Hut ab", sagt Feigen.

Die Steuerfahnderin habe vor Gericht aber ausgeführt, dass Hoeneß nicht 130, sondern 60 Millionen Euro hätte versteuern müssen. Legt man Hoeneß' Steuersatz an, komme man damit auf rund 30 Millionen Euro Steuerschuld. Da eine solche Schätzung aus der Selbstanzeige heraus möglich war, müsse sie als wirksam angesehen werden. Folgt das Gericht dieser Argumentation, käme Hoeneß straffrei davon. Nur die tatsächliche Steuerschuld, die noch genau auszurechnen ist, muss er dann nachzahlen, inklusive Zinsen.

Doch das Gericht könnte wie der Staatsanwalt an der Wirksamkeit der Selbstanzeige zweifeln. Für diesen Fall hat Feigen einen Plan B. "Es wäre besser gewesen, wenn die Berater einen Satz dazugeschrieben hätten", gibt er zu. Gemeint sind die Kapitaleinkünfte aus den Jahren, in denen Hoeneß insgesamt einen Verlust eingefahren hat. Diese hätten die damaligen Berater beim Verfassen der Selbstanzeige mit fünf Prozent der Kontosumme schätzen und aufführen können - doch sie haben es nicht getan.

Wäre das geschehen, "dann würden wir nicht hier sitzen", so Feigen. Eine fehlgeschlagene Selbstanzeige kann vor Gericht die Strafe mildern. Staatsanwalt Engel sieht dafür keinen Grund: Hoeneß "wagte in einer Nacht aus Angst vor Entdeckung einen Schnellschuss". Dieser Versuch sei fehlgeschlagen. Die Anfertigung der Selbstanzeige sei hektisch erfolgt, bestätigt Feigen. "Aber mit einem Satz wäre die Selbstanzeige unangreifbar geworden", sagt er und zitiert: "Im Übrigen hat Herr Hoeneß in jedem Jahr Kapitalerträge erzielt, die wir in jedem Jahr auf fünf Prozent der Endstände schätzen."

Soll nur dieser fehlende Satz Hoeneß' ins Gefängnis bringen? Darauf hinzuweisen, ist die Strategie der Verteidigung. Sie sieht hier Spielraum für den Richter - und plädiert für eine Bewährungsstrafe. Hoeneß wäre dann vorbestraft, müsste aber nicht einrücken. Feigen erwähnt zudem die Leistung des Menschen Hoeneß, auch wenn er voranstellt, dass er jetzt nicht darauf abheben wolle.

Aber Hoeneß habe sich mustergültig verhalten. Er habe viel gespendet, und zwar "keine großkotzigen Beträge". Es gehe vielmehr um "ganz viele kleine Spenden", Hoeneß habe seit vielen Jahren "stets dort geholfen, wo Not am Mann war". Er beklagt auch eine Vorverurteilung von Hoeneß in der Öffentlichkeit. In den Stadien werde "Hoeneß in den Knast" gesungen. Vor Hoeneß Grundstück hätten "Idioten" gestanden, es habe Morddrohungen gegeben. "Das ist kein großer Knaller, aber es ist bedauerlich. Das muss Herr Hoeneß nicht hinnehmen."

Uli Hoeneß hat das letzte Wort. "Herr Feigen hat alles gesagt, was ich nicht besser hätte formulieren können", sagt er.

Richter Rupert Heindl hört den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung mit gesenktem Haupt zu. Ab und zu macht er Notizen mit seinem Füller. Dann unterbricht er die Sitzung - es gehe "ab 14 Uhr" weiter.

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