Steuer-Affäre um deutsche Schiedsrichter:Überweisungen nach Liechtenstein

Die Schiedsrichter-Affäre nimmt immer größere Dimensionen an und erreicht jetzt auch den Fußball-Weltverband: Der "Spiegel" berichtet, die Fifa habe deutschen Unparteiischen Honorare auf ausländische Konten gezahlt. Es geht offenbar um "Beträge im sechsstelligen Bereich".

Thomas Kistner

Die Steuer-Affäre um deutsche Schiedsrichter stößt in eine neue Dimension vor: Sie erreicht den Fußball-Weltverband Fifa. Anfang vergangener Woche hatten Steuerfahnder vornehmlich im süddeutschen Raum Domizile und Büros zahlreicher Referees des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) durchsucht, der Verdächtigenkreis umfasste anfangs 21 Personen. Auch in der Frankfurter DFB-Zentrale sammelten die Fahnder Unterlagen zur Beweissicherung ein; gegen den DFB selbst wird aber nicht ermittelt.

Schiedsrichter

Schiedsrichter unter Verdacht: Die Fifa hat deutschen Referees offenbar Honorare auf Auslandskonten überwiesen.

(Foto: dpa)

Nun berichtet der Spiegel, die Fifa habe deutschen Referees Honorare auf Auslandskonten überwiesen; in Liechtenstein und in der Schweiz. Bei diesen nicht versteuerten Einkünften und Umsätzen, so zitiert das Magazin eine Ermittler-Notiz, gehe es um "Beträge im sechsstelligen Bereich".

Die Fifa ließ eine SZ-Anfrage hierzu am Wochenende unbeantwortet. Auch dem Spiegel wollte sie mit Hinweis auf das "laufende Verfahren" keine Stellungnahme abgeben. Die Fahnder sollen in einer Notiz ihre Verwunderung über das Prozedere ausgedrückt haben: "Scheinbar ist die Fifa nicht an ordentlichen Abwicklungen interessiert", heißt es dort.

Am Sonntag sagte Fifa-Medienchef Walter de Gregorio der dpa: "Wir warten ab, ob die Steuerfahndung auf uns zukommt." Ähnlich reagierte der DFB. "Erst wenn die Ergebnisse der Verfahren vorliegen, kann und wird der DFB eine Bewertung vornehmen", sagte Medienchef Ralf Köttker. Anzunehmen ist aber, dass die neue Sachlage auch den DFB überrascht hat. Am Donnerstag war Präsident Theo Zwanziger in der Rhein- Zeitung noch zuversichtlich gewesen: "Ich gehe davon aus, dass bei den allermeisten Fällen eher wenig oder überhaupt nichts herauskommen wird. Im Moment belastet mich dieser Sachverhalt weniger", sagte er.

Zwanziger, seit Juni selbst im Fifa-Vorstand, hatte das DFB-Schiedsrichterwesen 2010 als Chefsache an sich gezogen. Nach der Affäre um den Ex-Schiedsrichterfunktionär Manfred Amerell und den Fifa-Referee Michael Kempter war der Bereich im April 2010 mit Hochdruck per Sonder-Bundestag reformiert worden.

Zivilverfahren zwischen Amerell und Kempter

Sylvia Schenk von Transparency International, Compliance-Beraterin der Fifa, sagt nun: "Falls die Versteuerung beim Referee liegt, darf keine Zahlung der Fifa nach Liechtenstein erfolgen. Da greifen besondere Transparenz-Anforderungen." International verdienen Referees gut, bei Länderspielen fallen rund 4500 Euro plus Spesen an. Nun stellt sich auch die Frage, ob deutsche Referee-Tätigkeiten auf europäischer Bühne untersucht werden. In der Schweiz sitzt auch die Europa-Union Uefa, sie veranstaltet die Champions- und die Europa-League.

Jahresrückblick 2010 - Amerell und Kempter

Der ehemalige DFB-Schiedsrichterfunktionär Manfred Amerell (links) und der Schiedsrichter Michael Kempter.

(Foto: dpa)

Ausgelöst hatte die Steuer-Ermittlungen Manfred Amerell, der am vergangenen Montag den Besuch von Steuerfahndern bei seinem Kontrahenten Kempter persönlich in Augenschein nahm. Am Freitag stellte nun der DFB in München Strafanzeige gegen Unbekannt im Kontext mit der in der DFB-Zentrale erfolgten Fahndungsmaßnahme. Es gebe Hinweise, dass Einzelheiten der Aktion bereits im Vorfeld an die Öffentlichkeit gelangt seien. Dies begründe den Verdacht, dass "Amtsträger pflichtwidrig Dienstgeheimnisse an Außenstehende weitergegeben haben", heißt es in einer Erklärung.

Zudem mahnte der DFB Amerell und dessen Anwalt ab und forderte sie zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Der Grund ist die - laut DFB unwahre - Behauptung Amerells in Medienberichten, dass der DFB Kempters Anwalt Christoph Schickhardt bezahle. Zwischen Amerell und Kempter läuft ein Zivilverfahren, die erste Runde in Hechingen hatte Amerell verloren. Am 7. Dezember geht der Streit vors Stuttgarter Oberlandesgericht; dort will Amerell an Kempters Glaubwürdigkeit rütteln. Dieser bezichtigt den ehemaligen Schiedsrichter-Obmann der sexuellen Nötigung.

Amerell stellt seinerseits Strafanzeige gegen Zwanziger und das DFB-Präsidium. Der Verband, behauptet er, habe jenseits des Sportverfahrens über eigene Rechtsbeistände in Amerells Prozesse mit Kempter eingegriffen und die Gegenpartei "wirtschaftlich unterstützt". Dies wäre nach Satzung und Finanzordnung des DFB unzulässig. Er sagt, seine Privatverfahren hätten "absolut nichts" mit dem Verband zu tun.

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