Stepanowa wehrt sich:Falsche Angaben

Stepanowa wehrt sich: "Unfair": Julia Stepanowa, 30, erhält trotz ihrer Aussagen über den systemischen Betrug in Russland kein Sonderstartrecht für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro.

"Unfair": Julia Stepanowa, 30, erhält trotz ihrer Aussagen über den systemischen Betrug in Russland kein Sonderstartrecht für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro.

(Foto: AFP)

Zwei Tage, nachdem das IOC die Whistleblowerin Stepanowa ausgeschlossen hatte, reißt die Kritik an IOC-Chef Thomas Bach nicht ab.

Von Johannes Knuth

Vor einer Woche haben Julia Stepanowa und ihr Mann Witalij im Internet um Hilfe gebeten, es gehe, schreiben sie, um ihre Zukunft. Auf einer Plattform kann man für sie spenden, 30 000 Schweizer Franken sind in der ersten Woche zusammengekommen, 80 000 brauchen sie, um ihr erstes Jahr in den USA zu finanzieren. Sie warten nach wie vor darauf, dort arbeiten zu dürfen, üppige Ausgaben sind nicht drin. Schon gar nicht für den Internationalen Sportgerichtshof Cas. Dort könnte Stepanowa ja die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), dem sie einen Beschwerde-Brief schrieb, anfechten, sie nicht für Olympia zuzulassen. Nein, eine Klage könne man sich nicht leisten, sagte ihr Mann Witalij der Agentur AP. Aber man habe das Gefühl, zuletzt für die richtige Sache gekämpft zu haben: "Es ist okay, einen guten Kampf zu verlieren."

Zwei Tage, nachdem das IOC über den Start russischer Athleten bei Olympia gerichtet hat, reißt der Strom der Kritik nicht ab. Zum einen zeichnet sich ab, dass Russlands Auswahl trotz Systemdopings wohl in großer Mannschaftsstärke starten darf; Leichtathleten ausgenommen. Zum anderen wird Stepanowa, die nach ihrer Dopingsperre den Betrug freigelegt hatte, von den Wettkämpfen ferngehalten. Weil auch sie Teil des Systems gewesen war, so die offizielle IOC-Begründung. Das war wohl ein olympischer Rekord, den der deutsche Präsident Thomas Bach aufgestellt hatte: Bestleistung in der Disziplin Hohn und Zynismus, garniert mit einer Botschaft an künftige Kronzeugen: Wer das System enttarnt, wird geächtet und bestraft.

Wie sehr das IOC dabei trickste und täuschte, konnte man aus einer Erklärung herauslesen, die die Stepanows nun in die Welt schickten. Das Verdikt des IOC sei "unfair", es basiere auf "falschen Aussagen". Das IOC hatte mitgeteilt, Stepanowa hätte in Rio für ein Nationales Olympisches Komitee antreten müssen. Sie habe aber "abgelehnt, als Mitglied des russischen Komitees zu starten". Daraufhin veröffentlichte Stepanowa einen Mitschnitt, in dem sie von der IOC-Ethikkammer interviewt wurde.

Ob Stepanowa für Russland starten würde, angenommen, das russische Komitee würde dem zustimmen? Das russische NOK habe öffentlich erklärt, dies auf keinen Fall zu tun, antwortet Stepanowa. Aber wenn man sie willkommen hieße - "ja, ja, dann wäre ich sehr glücklich, Teil der russischen Mannschaft zu sein". Zuspruch erfuhr Stepanowa auch aus Deutschland: Ein Darmstädter hat eine Online-Petition für Stepanowas Rio-Startrecht initiiert, bis Dienstagabend hatten mehr als 20 000 Nutzer unterschrieben. Diskus-Olympiasieger Robert Harting sagte, Stepanowa habe dem Sport zwar Schaden zugefügt, "aber der Schaden, den sie von der Leichtathletik abgewendet hat, ist viel größer." Der Sportfunktionär Hans Wilhelm Gäb teilte der SZ mit, dass er seinen Olympischen Orden zurückgeben werde, den ihm Bach 2006 verliehen hatte. "Ich möchte nicht die Auszeichnung einer Organisation tragen, welche die Ideale des Sports verrät", sagte der frühere Chef des Deutschen Tischtennis-Bundes und der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Dass man Stepanowa nicht in Rio starten lasse, empfinde er als "schamlosen Akt und eine einzigartige Verbeugung vor der Machtpolitik eines bloßgestellten Staates".

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