Statistiken zu Italien-Uruguay:Flaute im Strafraum

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Mamma mia: Italiens Ciro Immobile prallte meist an Uruguays Defensive ab (Foto: dpa)

WM-Analyse des Tages: Italiens Nationalspieler hätten nach ihrem WM-Aus gegen Uruguay kräftig auf den Schiri schimpfen können. Tatsächlich aber schieden Balotelli & Co. wegen gravierender Mängel im Pass- und Offensivspiel aus.

Von Johannes Knuth

An Pathos hatte es den Italienern nicht gemangelt vor diesem entscheidenden WM-Gruppenspiel am Dienstagmittag gegen Uruguay. "Die wichtigste Partie meines Lebens", hatte Nationaltrainer Cesare Prandelli ausgerufen. Nach dem Spiel musste er dann einräumen, dass bei allem Pathos die taktische Ausrichtung ein wenig zu kurz gekommen war: "Das war kein Sieger-Plan", sagte der 56-Jährige.

Prandellis Minimalismus-Plan entfaltete sich prächtig, allerdings nur eine Stunde lang. Dann hielt Schiedsrichter Marco Rodriguez Italiens Claudio Marchisio eine umstrittene rote Karte vor die Nase. Kurz vor Spielschluss übersah Rodriguez zudem die Dracula-Imitation von Luis Suárez. Prandelli leitete gegen den Schiedsrichter allerdings nur ein Nebenverfahren ein ("Wegen dieser Karte hat plötzlich ein zweites Spiel begonnen"). Die Hauptschuld musste Prandelli seiner Offensive anlasten. Dort war in etwa so viel passiert wie auf einer gewissen Berliner Flughafenbaustelle: nichts.

Prandelli hatte für seine 5-3-2-Formation zwei Spitzen nominiert: den künftigen BVB-Angestellten Ciro Immobilie, aktueller Torschützenprimus der Serie A, zudem Mario Balotelli, zuletzt verantwortlich für das 2:1-Siegtor gegen die Engländer. Das versprach theoretisch reichlich Unterhaltung. In der Praxis waren Immobile und Balotelli zwar körperlich anwesend, verliefen sich aber oft in Uruguays dicht besiedeltem Mittelfeldzentrum.

Immobile säbelte in der ersten Hälfte einen Schuss übers gegnerische Tor, schoss noch ein zweites Mal aufs Tor. Ansonsten prallte er an Uruguays Abwehr ab, vor allem in Hälfte zwei (ersichtlich mit einem Klick auf "zweite Halbzeit" in der Grafik, Daten von unserem Dienstleister Opta):

Noch unauffälliger bewegte sich Offensivpartner Balotelli fort, behindert von einem maladen Oberschenkel. In der 21. Minute sprang er Uruguays Alvaro Pereira in den Rücken. Einmal setzte der 23-Jährige während des ersten Durchgangs einen niedlichen Schuss ab, der Ball kullerte weit am Tor vorbei. Auf weitere Aktionen in der Offensive verzichtete er, den Strafraum mied Balotelli wie ein Veganer ein Fast-Food-Restaurant.

Entsprechend übersichtlich gestaltete sich die italienische Torschuss-Statistik. In der zwölften Minute flatterte ein Freistoß von Pirlo auf Uruguays Tor, Fernando Muslera boxte den Ball über die Latte. Die restlichen italienischen Schüsse wurden entweder geblockt (Schaltfläche "Schüsse vorbei" in der Grafik) oder verfehlten ihr Ziel ("Geblockte Schüsse"):

Warum die Flaute? Mittelfeldchef Andrea Pirlo hatte sich im Vergleich zu seinen Kollegen im Angriff ja durchaus engagiert (siehe Pirlos Profil in den oben angefügten Heatmaps).

Zum einen war da die Passquote der Italiener. 70,7 Prozent ihrer Zuspiele in Uruguays Hälfte waren erfolgreich. Beim 2:1-Sieg gegen England hatte die Quote im gegnerischen Territorium 85,8 Prozent betragen, beim 0:1 gegen Costa Rica waren es immerhin noch 78,9 gewesen. Den Italienern blieb nicht viel mehr übrig, als das dicht besetzte Zentrum Uruguays mit Flanken zu bespielen. Von denen kamen aber nur elf Prozent an.

Und sonst? Waren beide Mannschaften weitgehend damit beschäftigt, sich gegenseitig auf die Knochen zu steigen:

Eines musste man Trainer Prandelli lassen, als er nach dem Spiel vor die Presse trat: Er kreidete sich selbst die Vergehen an, für die er nur bedingt etwas konnte: "Wenn wir keine Torchancen hatten, übernehme ich selbstverständlich die Verantwortung." Dann sagte er: "Ich trete zurück", er schaute hinüber zum Verbandspräsidenten. "Ich trete auch zurück", sagte Giancarlo Abete, "hoffe aber, dass Cesare seine Entscheidung überdenkt." Darauf Prandelli: "Mein Entschluss steht ebenso fest wie der von Giancarlo." Prandelli schimpfte anschließend noch ein wenig auf die italienischen Journalisten. Dann verließ er den Raum durch die Seitentür.

Mit Material vom sid

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