Start der Ski-Saison:"Die weltbeste Technikmannschaft"

Ski alpin WM

Vorfahrer: Felix Neureuther, r., und Fritz Dopfer.

(Foto: dpa)

Ambitionierte Ziele der Deutschen. "A Brezn" für Österreich. Und wer sind bei all den Rücktritten eigentlich die Favoriten? Eine Gebrauchsanweisung zum Start der Ski-Weltcup-Saison.

Von Johannes Knuth, Sölden

Wenn der Skizirkus in Sölden eintrifft, zu seiner ersten Saison-Vorstellung, dann fühlt sich manches an wie am ersten Schultag nach den Sommerferien: Die Athleten trudeln aus den Trainingszentren ein, alle sind ein wenig aufgeregt, ja aufgekratzt. Wobei die Stimmung auch etwas heruntergedimmt ist. Anna Fenninger, eben noch Klassenbeste im Gesamtweltcup, hatte sich am Mittwoch Innenband, vorderes Kreuzband, Innenmeniskus und Patellasehne gerissen. Der Sturz verdrängte in Österreichs Zeitungen sogar die Flüchtlingsdebatte von den Titeln; "Österreichs Ski-Welt gerät aus den Fugen", befand stellvertretend die Tiroler Tageszeitung. Wer bewirbt sich nun um den Gesamtsieg? Wer ist nicht mehr dabei? Und was machen die Deutschen? Eine Gebrauchsanleitung für die kommende Saison.

Sprachführer Sölden

Einige Fachbegriffe, die wichtig sind, um den Saisonstart im Ötztal und die Ski-Saison zu verstehen:

A Brezn reißn: Stürzen, in diesen Tagen öfters gebraucht, -> Fenninger.

Bewerb: Rennen, -> Torlauf.

Fenninger, Anna: Gesamtweltcupsiegerin der vergangenen zwei Jahre. Am Mittwoch schwer gestürzt ( -> A Brezn reißn), wird vermutlich erst wieder beim Saisonstart 2016/17 anwesend sein.

Fliegenfischen: Methode des Angelns. Liebstes Hobby von Prof. Peter -> Schröcksnadel.

RTL: Deutscher TV-Sender, überträgt (noch) keine Skirennen. Außerdem österreichisch für Riesentorlauf bzw. Riesenslalom. Die Riesentorläufe in Sölden sind traditionell die ersten -> Bewerbe der Saison.

Schröcksnadel: Präsident des Österreichischen Skiverbands. Stritt sich zuletzt heftig und öffentlich mit -> Fenninger und deren deutschem Manager Klaus Kärcher, ehe sich Fenninger von Kärcher trennte. Schröcksnadel mag: -> Fliegenfischen, Fenninger. Mag eher nicht: -> Brezn, deutsche Manager.

Torlauf: -> Bewerb, österreichisch für: Slalom. Besteht für gewöhnlich aus zwei Durchgängen. Ein Torlauf (gesprochen: Doalaaf) wird einer österreichischen Reporterweisheit zufolge meistens im zweiten Durchgang entschieden (vgl. dazu: "Ein Spiel dauert 90 Minuten").

Die ersten Weltcup-Termine

Männer

25. Oktober: Sölden/Riesenslalom;

15. November: Levi/Slalom;

28. November: Lake Louise/ Abfahrt;

29. November: Lake Louise/Super-G;

4. Dezember: Beaver Creek/Abfahrt;

5. Dezember: Beaver Creek/Super-G;

6. Dezember: Beaver Creek/Riesenslalom. Frauen

24. Oktober: Sölden/Riesenslalom;

14. November: Levi/Slalom;

28. November: Aspen/Riesenslalom;

29. November: Aspen/Slalom;

4. Dezember: Lake Louise/Abfahrt;

5. Dezember: Lake Louise/Abfahrt;

6. Dezember: Lake Louise/Super-G.

Wickel: Streit, Konflikt, Auseinandersetzung. -> Fenninger, -> Schröcksnadel, -> Kärcher.

Die Favoriten

Sind bei den Frauen im Vergleich zum Vorjahr derzeit nicht in voller Klassenstärke vertreten. Manche längerfristig (-> Fenninger), andere vermutlich mittelfristig, wie Lindsey Vonn; die Amerikanerin brach sich in der Vorbereitung den linken Knöchel. Vonn wird wohl trotzdem am Ende der Saison Klassenbeste im Gesamtweltcup sein. Es sei denn, ihre Verletzungsprobleme halten an, sie reißt a Brezn oder biegt wiederholt nach dem Starthaus auf die falsche Piste ab. Viktoria Rebensburg (-> Die Deutschen), Lara Gut/Schweiz und die 20 Jahre alte Slalom-Hochbegabte Mikaela Shiffrin/USA gehen zunächst als stellvertretende Klassensprecher an den Start. Bei den Männern möchte Marcel Hirscher an seine vier Siege im Gesamtweltcup gerne einen fünften in Serie reihen, das hat noch niemand vor ihm geschafft. Der Österreicher ist favorisiert, auch weil der Kalender mehr Startmöglichkeiten für Slalom- und Riesenslalomfahrer anbietet. Übrigens zum Ärger von Landsmann Hannes Reichelt ("Unfair"), einem der Favoriten für die schnellen Wettbewerbe.

Die Ehemaligen

Die ersten Saison-Tage ähneln nicht nur einem Klassentreffen, in Sölden geht es schon mal zu wie auf einem Großmarkt, auf dem Verbände und Skifirmen ihre Sportler präsentieren. Die Amerikaner hatten sich 2014 etwas Besonderes ausgedacht, sie hatten nicht nur ihre Einserschüler Bode Miller und Julia Mancuso geladen, sondern auch eine externe Lehrkraft: Marlies Schild/Österreich, eine der erfolgreichsten Slalom-Fahrerinnen. Was sie sich so für die Saison vorgenommen habe, begann der Moderator, Schild antwortete: "Ähm, ich habe meine Karriere im Sommer beendet." Man darf also gespannt sein, wen die Amis diesmal einladen. Im ÖSV sind zuletzt einige Rennfahrer in den Ski-Ruhestand getreten, Schilds Ehemann Benjamin Raich, Mario Matt, Nicole Hosp, Kathrin Zettel und Andrea Fischbacher. Die Amerikaner selbst müssen erst einmal nur auf Bode Miller verzichten, der 38-Jährige hat zuletzt den Teilzeit-Ruhestand hoffähig gemacht. Er hört auf, aber erst einmal nur für diese Saison. Wie auch Tina Maze/Slowenien, eine der letzten Allrounderinnen im alpinen Skisport. Ob sie wiederkommen? Ziemlich sicher ist erst mal nur: Marlies Schild wird weder auf einer Skipiste, noch bei einer Team-Präsentation in Sölden anwesend sein. Sie ist in dieser Woche gerade Mutter geworden.

Die Deutschen

Vor nicht allzu langer Zeit hätte Wolfgang Maier für das nachfolgende Zitat mitleidige Lacher geerntet. Jetzt kann der Sportdirektor im Deutschen Skiverband (DSV) für seine Männer-Abteilung gefahrlos das Lernziel ausgeben, "in den nächsten Jahren die weltbeste Technikmannschaft zu stellen". Es ist ein ehrgeiziges Vorhaben, das Maier seiner Lerngruppe aufträgt. Aber die Voraussetzungen sind durchaus vorhanden. Sie verfügen in Fritz Dopfer 28, und Felix Neureuther, 31, über zwei erfahrene Klassensprecher; dazu kommen Stefan Luitz, 23, und Linus Strasser, 22, die zuletzt einige Einser im Abschlusszeugnis mit nach Hause brachten. Vor allem Strasser hat in der vergangenen Saison quasi zwei Klassen auf einmal übersprungen, beim Nachtslalom in Schladming wurde er Fünfter, was ihm die Versetzung zur WM in Vail bescherte. Die Abfahrer? Arbeiten noch daran, sich in die Weltspitze hineinzudrängeln.

Und bei den Frauen kann derzeit nur Viktoria Rebensburg das aufsagen, was bei den Besten abgefragt wird. Dafür vielleicht so gut wie kaum eine andere, vor allem nach Fenningers Verletzung. Hinter Rebensburg haben sie im DSV über den Sommer ein wenig umgebaut, die Weltcupfahrerinnen trainieren nicht mehr exklusiv für sich, sondern bilden eine Lerngruppe mit dem Nachwuchs, der zuletzt nur vereinzelt in den Weltcup hineingefunden hatte. Erste, belastbare Befunde sind wohl erst im Laufe der Saison zu erwarten. Oder bei der Saisoneröffnung 2016/17.

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