Start der Bundesliga:Pep war alkoholfrei, Carlo ist Champagner

Bayern München - Werder Bremen

Robert Lewandowski hatte Chancen für drei Spiele - und er traf dreifach.

(Foto: dpa)

Das kann ja was werden: Der FC Bayern verfeinert unter Trainer Ancelotti sein System und spielt plötzlich Instinktfußball. Der 6:0-Auftakt gegen schauerlich schlechte Bremer ist ein Fest der Freiheiten.

Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp, München

Mit Schampus ist das Leben schöner und vor allem lustiger - und ganz sicher schadet es auch im Fußball nicht, sich gegenseitig mal ein Fläschchen zu schenken. Kleine Aufmerksamkeiten versüßen das Miteinander, besonders in der Phase des Kennenlernens. Der Genussmensch Carlo Ancelotti weiß das nur zu gut, er wird dem Vernunftmenschen Philipp Lahm den versprochenen Schaumwein also gerne zur Verfügung stellen. "Ich schenke Philipp eine Flasche Champagner, weil er ein Tor gemacht hat", sagte der neue Bayern-Coach nach dem 6:0 (2:0) gegen Werder Bremen.

Und Lahm, sonst kein ausgewiesener Torjäger, nahm die Offerte an: "Ich erwarte mein Geschenk dann nächste Woche in meinem Spind." Ein Spiel ist diese Saison alt und beim FC Bayern reden sie über Champagner. Das kann was werden.

Es herrschte Spendier-Stimmung nach einem Spiel, das so vieles erzählte, weil ja so vieles neu ist in München. Der Trainer zum Beispiel, ein Italiener, der von seinem Naturell her ganz anders ist als sein Vorgänger Pep Guardiola. Pep war ein isotonischer Fitnessdrink, Carlo ist Champagner. Pep war alkoholfrei, die pure Kontrolle. Carlo ist ein beschwipster Standardtanz.

Aber was für Erkenntnisse brachte dieses Schauspiel gegen eine Bremer Mannschaft nahe der Selbstaufgabe konkret? Vor allem subtile Hinweise. Spitzfindigkeiten, die große Wirkung entfalteten. Vor allem lieferte der Auftaktabend der Bundesliga Einblicke in das veränderte taktische Konzept der Münchner: Unter Ancelotti dürfen die Spieler wieder mehr ihren Instinkten folgen. Oder wie Mats Hummels meinte: "Heute war es leicht für uns. Aber wir alle wissen: Es ist schwer, Fußball einfach aussehen zu lassen."

Nur wenige Minuten hatte es gedauert, ehe der ohnehin kaum vorhandene Bremer Widerstand gebrochen war. Ein Gemälde von Volleyschuss von Xabi Alonso besorgte das 1:0 (9.), kurz danach fiel das 2:0 durch Robert Lewandowski (13.) - auf eine Art, wie es unter Guardiola nie passiert wäre: Der Pole spurtete diagonal durch die Linien, bog dann aber im richtigen Moment steil Richtung Tor ab. Ein Laufweg fernab jeder Schablone. Franck Ribérys Zuspiel erreichte ihn mit solcher Präzision, dass ganz Bremen nur staunend die Vollstreckung bewundern konnte. Dieser Hauch von Anarchie, gepaart mit Schärfe und Gier, bildete auch das Fundament der weiteren Treffer durch Lewandowski (46., 77. per Elfmeter), Lahm (66.) und Ribéry (73.).

Lob an die drei Stürmer

Was ist jetzt konkret anders als unter Guardiola?

"Eigentlich habe ich nur wenig geändert", untertrieb Ancelotti hinterher, "wir wollten die Räume öffnen, das ist uns gelungen. Vor allem dank unserer fantastischen Angreifer." Gemeint waren Lewandowski und Thomas Müller, die im Verbund mit dem aufgedrehten Ribéry wirbelten, als hätten sie lange keinen Auslauf gehabt. "Müller hat zwar kein Tor erzielt, aber er war immer in der richtigen Position", lobte der Mister das Spiel des zweifachen Vorlagengebers. Am Positionsspiel war die Emanzipation von Guardiola deutlich zu erkennen: Die Bayern bauten ihre Offensive behutsam aus der eigenen Hälfte auf - und stürzten sich dann in die Tiefe.

"Unsere Positionen sind anders aufgeteilt", sagte Lahm, der plötzlich wieder doppelpasste, als sei er eine 2006er-Variante seiner selbst, "wir haben heute von weiter hinten heraus gespielt." Es gehöre eben auch dazu, "das System zu verfeinern." Damit sprach der Kapitän offen an, was gerade mit dieser von Guardiola so geprägten Elf passiert: Sie zieht sich gerade ein paar neue Tools auf die Festplatte: Der Ballbesitz-Fetisch weicht einer aufgelockerten, auf tausend Möglichkeiten basierten Idee des Spiels.

Es geht schneller nach vorne, Konter sind ausdrücklich erlaubt, Fehler machen auch - wie Ancelottis demonstratives Schulterzucken bei Passpannen von Alonso und Thiago unterstrich. Auch den Steilpass haben die Münchner geübt, er kam mehrfach sogar als Lupfer aus verschiedenen Fußgelenken zum Einsatz. "Wenn der Gegner ganz tief steht, gehen auch solche Chip-Bälle", beobachtete Torwart Manuel Neuer von ganz hinten. Wie viele der Kollegen wollte auch er die kleinen Anpassungen bloß nicht als Kritik an der Guardiola-Taktik verstanden wissen. "Wir waren auch damals schon variabel. Was wir unter ihm gelernt haben, steckt noch in uns."

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