Stadionverbote:Fans reagieren geschockt

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs zu Stadionverboten gegen Fußballfans wollen deutsche Fanvertreter nun sogar vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Carsten Eberts

Vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe war nicht weniger als ein Grundsatzurteil in Sachen Stadionverbote erwartet worden, nun hat es gesprochen: Stadionverbote gegen Fußballfans sind auch dann zulässig, wenn die Beteiligung an Gewalttätigkeiten nicht nachgewiesen ist. Das hat der Bundesgerichtshof am Freitag in Karlsruhe entschieden. Damit genügt es bereits, dass ein Fußballfan Teil einer durch Randale aufgefallenen Fangruppe ist, um gegen ihn ein Stadionverbot zu verhängen. "Auf den Nachweis, er habe sich an den aus der Gruppe begangenen Gewalttätigkeiten beteiligt, kommt es nicht an", so der BGH.

Stadionverbote: Randale vor einem Fußballspiel: Gesehen bei der Zweitligapartie FC St. Pauli gegen Hansa Rostock.

Randale vor einem Fußballspiel: Gesehen bei der Zweitligapartie FC St. Pauli gegen Hansa Rostock.

(Foto: Foto: ddp)

Damit wies das Gericht die Klage eines Fans und Dauerkarteninhabers des FC Bayern München ab, der nach einem Spiel beim MSV Duisburg im März 2006 mit einer Gruppe des Fanklubs "Schickeria München" in Randale mit Duisburger Fans geraten war. Er bestritt jede Beteiligung, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden wegen Geringfügigkeit eingestellt. Trotzdem erhielt er ein bundesweites, zweijähriges Stadionverbot. In einer Stellungnahme des BGH heißt es: "Weder das zeitliche Ausmaß noch der inhaltliche Umfang des Verbots sind rechtlich zu beanstanden." Es sei nicht ersichtlich, dass der MSV Duisburg mit seinem ausgesprochenen Stadionverbot "den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt hätte".

Die Vertreter des MSV Duisburg sowie die Polizei reagierten erleichtert auf das Urteil. Heftige Kritik gibt es hingegen von den Fanvertretern. Sie kündigen bereits den Gang vors Bundesverfassungsgericht an.

"Fußballfans eindeutig stigmatisiert"

Richard Lindner, der Anwalt des MSV Duisburg, sagt zu sueddeutsche.de: "Das ist eine sehr vernünftige Lösung und entspricht unserer Erwartung." Wichtig sei vor allem der Unterschied zwischen strafrechtlichen Verfahren und dem Hausrecht der Vereine, das nun vom BGH gestärkt wurde. "Ein zentraler Satz ist, dass ein Stadionverbot auf objektiven Tatsachen gründen muss", sagt Lindner. Nun, so hofft er, sei in Sachen Stadionverbote erst mal Ruhe.

Sein Gegenüber Achim Krämer, der Anwalt des betroffenen Bayern-Anhängers, zeigt sich hingegen "irritiert" über das Urteil des Gerichtshofs. "Das läuft auf Sippenhaft hinaus", kritisiert Kremer. Jeder Fan, der mit einem gewaltbereiten Fanklub zum Bahnhof läuft, gelte damit als potentiell verdächtig, auch wenn er selbst noch nie aufgefallen sei. "Da wird der Fußballfan eindeutig stigmatisiert", sagt Kremer. Eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht solle zumindest geprüft werden.

Wilko Zicht vom Bündnis Aktiver Fußball-Fans (BAFF) sieht das ähnlich. "Das Urteil bedeutet, dass Stadionverbote weiterhin auch gegen Unschuldige verhängt werden können", sagt Zicht zu sueddeutsche.de. Das Urteil werde das Verhältnis zwischen Fans, Vereinen, Polizei und auch DFB nachhaltig belasten. Auch Zicht befürwortet einen Gang zum Bundesverfassungsgericht, denn: "Hier werden Grundrechte außer Kraft gesetzt, die eigentlich selbstverständlich sind." Man werde in den nächsten Tagen mit dem betroffenen Bayern-Anhänger beraten, wie es weitergeht.

Polizei reagiert erleichtert

Zicht sieht im Urteil jedoch auch positive Aspekte. "Es wurde immerhin klargestellt, dass die Vereine die Grundrechte der Fans achten müssen." Im Urteil steht, dass der Veranstalter bei Fußballspielen grundsätzlich jedermann gegen Bezahlung den Zutritt zum Stadion gewähren muss. Will er bestimmte Personen davon ausschließen, benötigt er einen "sachlichen Grund", wie es im Urteil heißt. Vor allem müsse das Gebot der Gleichbehandlung geachtet werden.

Erleichtert zeigte sich vor allem Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Er hatte das Urteil in dieser Form erwartet. "Die Richter wissen, in welch schwieriger Position die Polizei ist und haben ihr deshalb den Rücken gestärkt," sagt Wendt. Stadionverbote seien weiterhin ein wirkungsvolles Instrument, auf das auch die Gerichte vertrauen würden. Wendt: "Die Arbeit der Polizei bleibt in Fußballstadien trotzdem sehr, sehr schwer. In der derzeitigen Situation müssen wir leider jedem Fußballfan sagen: Wer ins Stadion geht, begibt sich in Lebensgefahr."

Auch der DFB-Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn ist zufrieden. "Wir sehen in diesem Grundsatzurteil eine Bestätigung unserer Linie, durch den Erlass von Stadionverboten gegen Gewalttäter oder Randalierer friedliche Fans vor gewaltbereiten Zuschauern zu schützen", sagte Spahn nach Verkündung des Urteils. "Es ist aus unserer Sicht enorm wichtig, sensibel mit Stadionverboten umzugehen und differenziert jeden einzelnen Fall zu behandeln."

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