SSV Jahn Regensburg:Eine Vision auf dem Papstfeld

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"Ich glaube, wir haben uns nicht verkalkuliert": Die neue Regensburger Arena ist für Geschäftsführer Keller nach wie vor eine sinnvolle Investition. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Der Jahn bekommt eine neue Arena für 52 Millionen Euro - und wird dort in der Regionalliga spielen.

Von Mathias von Lieben

Der SSV Jahn Regensburg meldete "ausverkauft". Gemeint war allerdings nicht eine der Drittliga-Partien im städtischen Sportpark - bei Ligaspielen waren die Ränge im Jahn-Stadion schon lange nicht mehr voll besetzt. Es ging vielmehr um das Eröffnungsspiel in der neu gebauten Arena, das der Jahn am 10. Juli gegen den Bundesligisten FC Augsburg bestreiten wird.

Es ist nicht der Fußball, der bei den Regensburgern auf einmal diese Euphorie auslöst. Vielmehr sind es der Reiz des Events und die Vision, einmal bei den Großen mitzuspielen, der die 15 000 Zuschauer zum Duell mit dem Erstligisten ins Stadion locken. Es wird allerdings noch länger bei einer Vision bleiben. Denn seit der 1:2-Niederlage beim Halleschen FC am Samstag steht fest, dass der SSV Jahn bereits drei Spieltage vor Schluss für die vierte Liga planen muss. Abgestiegen, schon wieder.

Der Bürgermeister macht vom Jahn "die Zukunftsfähigkeit einer ganzen Region" abhängig

"Ich glaube, wir haben uns nicht verkalkuliert", rechtfertigt Christian Keller, Geschäftsführer Profifußball, den 52 Millionen Euro teuren Arena-Neubau an der A3 auf dem so genannten Papstfeld, auf dem sich 2006 Benedikt XVI. die Ehre gab. Obwohl sich der Jahn unter Kellers Ägide vorerst aus dem Profifußball verabschieden muss, sieht er langfristig eine Perspektive. "Die Region hat riesengroßes Potenzial", sagt er: "Die Menschen lechzen nach gutem Fußball."

Sie lechzen derzeit vergebens. Der Jahn ist innerhalb von zwei Jahren von der zweiten bis in die vierte Liga durchgereicht worden. Die Leistungen in der aktuellen Saison waren nicht einmal in der dritten Klasse konkurrenzfähig. Trotz einer Etaterhöhung in der Winterpause (von 1,6 auf zwei Millionen Euro) spielte die Mannschaft von Trainer Christian Brand regelmäßig wie ein Absteiger: mutlos, ängstlich und ohne Konzept.

Es ist ein Absturz, der seinesgleichen sucht. Vor drei Jahren war der Jahn kurz davor, sich im Mittelfeld der zweiten Liga zu etablieren - Oberbürgermeister Joachim Wolbergs, zugleich Aufsichtsratschef des Klubs, machte vom Schicksal des Jahn damals sogar "die Zukunftsfähigkeit einer ganzen Region" abhängig. Ab Sommer stehen Spiele gegen Illertissen, Memmingen und Buchbach an.

Beobachtet man Christian Brand mit seiner Mannschaft beim Training, konterkariert das den spielerischen Zustand. Die zehn Zuschauer am Trainingsgelände sehen einen Trainer, der jeden seiner Spieler mit einem Abklatschen begrüßt und sie mit wilden Gesten über den Platz jagt. "Ich habe weiterhin richtig Lust, diese Mannschaft zu trainieren", sagt Brand. Ihm gefalle die Stadt, das Umfeld, die Arbeit mit jungen Talenten. Doch der Abstieg ist keine Werbung für eine Vertragsverlängerung. Brand weiß das. Er hat seit seinem Einstieg beim Jahn am 17. Spieltag im November 2014 bis heute nur 15 Punkte geholt - zu wenig. Ein treuer Anhänger, der jedes Spiel vom Jahn in der Saison gesehen hat und sich fast jede Trainingseinheit anschaut, sagt: "Christian Keller und Christian Brand müssen beide weg. Im Fußball wird man nun mal an Ergebnissen gemessen. Der Verein zerbricht sonst an ihnen."

Geschäftsführer Keller vertraut dem Trainer. Mit ihm kann er sich den direkten Wiederaufstieg aus der Regionalliga Bayern in die dritte Liga vorstellen. Schwächephasen kann sich der Jahn dann nicht erlauben, die Mannschaft muss von Beginn an konstant punkten. Ob Brand der Mann für die Mission Wiederaufstieg wird und wenn ja, mit welchem Kader, das steht auch nach dem Abstieg noch nicht fest. Denn der Mann, der das planen würde, steht selbst in der Kritik: Keller.

Der gelernte Sportökonom will auf jeden Fall bleiben. Wenn er über die Zukunft des Fußballs in Regensburg spricht, funkeln seine Augen. "Wir peilen in der vierten Liga einen Etat von 1,6 Millionen Euro an, das ist sicherlich ordentlich", sagt er - obwohl das Fernsehgeld von 750 000 Euro auf 5000 Euro sinkt. Er spricht viel über die Chancen in Regensburg, über die pulsierende Wirtschaft in der Region und nennt Sponsoren, die dem Verein treu bleiben. Wenn Keller so laut über die Zukunft des Vereins nachdenkt, scheint es fast, als ob seine erlernten Wirtschaftstheorien auf einmal direkt auf den Jahn übertragbar wären. Ganz unrecht hat er damit, blickt man auf die nackten Zahlen, nicht: Die Würzburger Kickers werden in diesem Jahr mit einem Etat von knapp zwei Millionen Euro in der Regionalliga Bayern aller Voraussicht nach Erster.

Außer Palionis und Pusch hat kein Spieler einen Vertrag für die kommende Spielzeit

Seine größte Herausforderung wird es sein, die Mannschaft für die Vision zu formen. Es hängt vieles davon ab, ob es der Jahn schafft, die richtigen Personalentscheidungen für Liga vier zu treffen. Wirtschaftlich ist der Klub nach Jahren am Existenzminimum endlich solide aufgestellt; daran wird es nicht scheitern. Doch in der Regionalliga wird mittlerweile ansehnlicher Fußball geboten, viele Mannschaften arbeiten unter Profibedingungen - die Mischung aus Talenten und Routiniers, Dribblern und Kämpfern muss stimmen.

Bis auf Kapitän Markus Palionis (Vertrag verlängert bis 2018) und Mittelfeldspieler Kolia Pusch laufen sämtliche Spielerverträge zum Sommer aus. Mit einigen Akteuren hat Keller schon Gespräche geführt, er will sie als Gerüst der Regionalligamannschaft halten. Welche das sind, darüber gibt er noch keine Auskunft. Stürmer Marco Königs (fünf Tore in 13 Spielen) hat zwar einen Vertrag für die vierte Liga, falls ein höherklassiger Verein ihn jedoch haben will, erlaubt ihm eine vertragliche Klausel einen Wechsel. Der beste Torschütze (elf Treffer) Aias Aosman wird in Liga vier ebenso schwer zu halten sein.

Die Begeisterung für den Regensburger Fußball kann man Keller und Brand keineswegs absprechen. Dass sie die Kompetenz besitzen, den Jahn wieder nach oben zu führen, bislang schon. Nach zwei Abstiegen und der Ankunft in der Regionalliga spricht nichts für Besserung. Die Rückkehr in die zweite Liga ist weit entfernt. Das neue Stadion, das den Jahn dabei begleiten sollte, wird in der nächsten Saison meistens leer sein. Nur gegen den FC Augsburg nicht, wenn die Regensburger einen Nachmittag lang träumen dürfen.

© SZ vom 07.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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