SpVgg Greuther Fürth:Endspiel ums Lebenswerk

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Der SpVgg Greuther Fürth und ihrem Präsidenten Helmut Hack droht nach 21 Jahren der Abstieg in die dritte Liga. "Es gibt kein schlimmeres Szenario", sagt der mittlerweile nicht mehr unumstrittene Hack.

Von Thomas Gröbner

Am Ende muss noch einmal die Geschichte mit dem Plakat rausgekramt werden. Weil darauf viel abzulesen ist, was die SpVgg Greuther Fürth in dieser Spielzeit sein wollte. Und weil es viel über das erzählt, was nun ist. "Gemeinsam Großes schaffen!" stand auf dem Plakat, das vor der Saison am Trainingsplatz flatterte. Trainer Janos Radoki hatte es aufhängen lassen, er meinte, man habe sich in der Vergangenheit "selbst klein gemacht", es sei nun an der Zeit, "das Gesicht in den Wind zu halten". Doch der Gegenwind war stark. Viel zu stark. Das Plakat ist wieder eingerollt. Auch Janos Radoki ist längst nicht mehr da.

"Es gibt kein schlimmeres Szenario", sagt Helmut Hack

Die Träume und Pläne sind kleiner geworden in den vergangenen Monaten, "Großes" zu schaffen heißt jetzt, in der Liga zu überleben. Am letzten Spiel am Sonntag in Heidenheim (15.30 Uhr) geht es eigentlich nur noch darum, zu retten, was zu retten ist. "Es ist ein Endspiel", sagt Präsident Helmut Hack. Auch ein Endspiel um das Lebenswerk des Präsidenten.

"Es gibt kein schlimmeres Szenario", sagt Hack am Donnerstag über den drohenden Abstieg in die dritte Liga. Auch am Vatertag ist der 68-Jährige für seinen Verein erreichbar. Der Klub ist ja irgendwie auch sein Baby, er hat die Spielvereinigung mit aus der Taufe gehoben. Manchmal bringt Hack zu den Heimspielen Kuchen mit.

"Brutal" sei der Abstieg, "für jeden Verein". Allein zehn Millionen Euro Fernsehgeld würden fehlen, und das bei 25 Millionen Euro Umsatz, rechnet Hack. Für Fürth, das vor wenigen Monaten begonnen hat, Investoren zu umgarnen, wäre der Abstieg Gift. Und der Weg zurück in die zweite Liga ist kaum planbar und gefährlich: "Viele Vereine in der dritten Liga investieren mehr, als sie verantworten können", warnt Hack. Die Klubs gehen Risiko, um schnell wieder aufzusteigen. Alleine in den vergangenen 15 Monaten haben vier Vereine in der dritten Liga Insolvenz angemeldet: Rot-Weiß Erfurt, der Chemnitzer FC, VfR Aalen und der FSV Frankfurt.

Wie also kann das Unheil abgewendet werden für den Dino der zweiten Liga? Die Rechnung ist einfach. Sollte Fürth verlieren, steht der Abstieg fest. Gelingt ein Sieg, dann ist der Klassenverbleib sicher. Bei einem Unentschieden wird die Sache kompliziert, dann hängt das Schicksal Fürths am Ausgang der Partien zwischen Aue und Darmstadt und zwischen Braunschweig und Kiel. Auch Dresden ist noch nicht gerettet, sechs Vereine zittern noch. "Wir müssen noch einmal aufstehen, wie beim Boxen", spricht Trainer Damir Buric sich und der Mannschaft Mut zu. Doch der Blick in die Statistik macht den Fürthern kaum Hoffnung: Nur ein einziges Auswärtsspiel konnte Fürth gewinnen - ausgerechnet in Nürnberg. Die Not des Kleeblatts fällt mit dem Hochgefühl des Nachbarn zusammen, der in die Bundesliga aufsteigt. "Nie mehr zweite Liga", rufen sie in Nürnberg spöttisch über die Stadtgrenze. Doch diese Spitze dürften die leidgeplagten Fürther kaum noch schmerzen. Es geht längst um mehr als um Neckereien.

Am Ende des Sparkurses könnte der Abstieg stehen

Sollte Fürth tatsächlich absteigen, ist es auch eine schlechte Nachricht für die Liga. Denn mit Fürth scheitert dann auch ein Verein, der wie kaum ein anderer für das Konzept des sparsamen Ausbildungsvereins steht. Doch bereits im vergangenen Geschäftsjahr hatte der Verein rote Zahlen geschrieben, worauf Präsident Hack einen Sparkurs ankündigte. Und an dessen Ende könnte nun der Abstieg stehen.

Helmut Hack ist für manche in Fürth so etwas wie ein Heiliger, unantastbar wegen seiner Verdienste um den Verein. Seit 22 Jahren ist er Präsident in Fürth. Er hat den Verein mit dem kleinen Nachbarklub TSV Vestenbergsgreuth verschmolzen und ihn 1997 in die zweite Liga gehievt. Für andere in Fürth ist er Teil des Problems, ein guter Patriarch, der aber nicht loslassen kann. Ein Schirmherr, in dessen mächtigem Schatten nicht viel gedeihen kann. Als im November immer häufiger Hack die Niederlagen vor den Mikrofonen erklärte und immer weniger von Sportdirektor Ramazan Yildirim zu hören war, da war klar, dass Yildirim bald Vergangenheit sein würde am Ronhof.

Doch auch die Verpflichtungen unter dem neuen Sportdirektor Rachid Azzouzi schlugen nicht ein. Namen wie der von Kaylen Hinds, englischer U20-Nationalspieler vom VfL Wolfsburg, ist nur den eifrigsten Trainingskiebitzen geläufig und dürften bald wieder vergessen sein. Der Däne Uffe Bech machte immerhin von sich reden: Er hatte in seiner Zeit bei Hannover einen Schalker Fan in den Arm gebissen, ein Gericht sprach ihn nun aber wegen Notwehr frei. Der fleißige Mittelstürmer Fabian Reese (Leihe vom FC Schalke 04) bekam zwar 14 Mal das Vertrauen von Buric, mit nur einem Tor konnte er es aber noch nicht zurückzahlen.

Dabei wird es Zeit für einen Treffer, höchste Zeit. Als letztes Mittel ist die Mannschaft von Donnerstag bis Samstag in ein Trainingslager gereist. "Kraft, Zuversicht und Glaube" sollen dort entstehen, sagt Hack. Schon die letzten Trainingseinheiten fanden hinter verschlossenen Toren statt, auch um heimlich an Standardsituationen zu feilen. Die beiden Treffer beim 2:2 gegen Duisburg vergangene Woche gelangen nach einer Ecke und einem Freistoß. Aber Helmut Hack ist auch kühler Geschäftsmann, und deshalb kann er sich nicht auf ein gnädiges Schicksal oder eine gelungene Freistoßfinte verlassen. Schon im Oktober begannen die Planungen für den Fall eines Abstiegs. "Nicht ohne Weiteres" habe man die Lizenz für die dritte Liga bekommen.

Ob Hack auch in der dritten Liga Präsident bleiben würde? "Für mich ist wichtig, ob ich den Verein gut aufgestellt übergeben kann, egal in welcher Liga", antwortet Hack auf solche Fragen. Und später sagt er dann: "Dieser Verein ist gut aufgestellt." Tatsächlich gibt es auch gute Nachrichten in komplizierten Zeiten. Viele wichtige Geldgeber sagten in den vergangenen Tagen dem Verein ihre Unterstützung zu. Oberbürgermeister Thomas Jung nahm ein rührendes Video auf, in der er die Stadt zur Unterstützung aufruft. Auch Henry Kissinger, in Fürth geborener ehemaliger US-Außenminister und Friedensnobelpreisträger, ließ seine Anteilnahme am Fürther Schicksal ausrichten. "Es wird gut werden am Sonntag", sagt Hack. "Es muss gut werden."

© SZ vom 13.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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