Sprinter Julian Reus:"Die Leichtathletik hat mehr zu bieten als Usain Bolt"

Leichtathletik-DM in Ulm

Julian Reus wäre in Peking schon mit dem 100-Meter-Halbfinale glücklich.

(Foto: dpa)

Der deutsche 100-Meter-Läufer Julian Reus spricht im SZ-Interview über die Doping-Vorwürfe vor der Leichtathletik-WM - und übt Kritik am Hype um die Überfigur Usain Bolt.

Von Johannes Knuth

Der eine Reus, der war 2014 zur EM als frisch gekürter nationaler Rekordhalter über 100 Meter angereist (10,05 Sekunden), er hatte sich einiges vorgenommen, doch dann schmerzte sein Knie. "Für mich ist wichtig, dass sobald ich im Startblock bin, ich mich nicht darauf konzentrieren muss, ob irgendetwas gleich wehtut oder hält. Du musst im Vorfeld von den Gedanken her frei sein", sagt Reus. Er schied dann im Halbfinale aus, früher als geplant.

Am Samstag nehmen die 100-Meter-Sprinter bei der WM in Peking die Geschäfte auf. Der Julian Reus der aktuellen Saison vertraut diesmal seinem Körper, er ist gesund, er würde gerne ins Halbfinale vorstoßen, das wäre schon was bei einer WM. Für das Finale, glaubt er, wird es "höchstwahrscheinlich" nicht reichen. "Der Sprint hat sich in den vergangenen Jahren schon extrem entwickelt", sagt Reus im Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Freitagsausgabe).

Dass alle Kollegen dabei allein natürlichen Formen der Leistungssteigerung vertrauen, da hat Reus so seine Zweifel. "Ich denke nicht, dass jeder, der in Peking an den Start geht, clean ist. Wenn manche Sportler (wie Justin Gatlin, der Weltjahresbeste, Anm.) nach vier Jahren Sperre angeblich sauber schneller laufen als vorher ohne Stoff - da muss jeder selbst entscheiden, was er glauben kann und was nicht."

Reus sagt, er befürworte eine unabhängige Dopingfahndung, losgelöst vom Sport, vor allem nachdem die ARD zuletzt erneut über massive Dopingverdachtsfälle berichtet hatte. Zudem wünsche er sich weltweit einheitliche Standards bei den Testmethoden. Dass die Erfolgsquote der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) offenkundig nicht gerade berauschend ist? Da könne er nur sich und seinen deutschen Sprintkollegen vertrauen. "Aber ich weiß nicht", sagt Reus, "was andere Athleten oder andere Sportarten machen."

"Unter dem Hype leiden andere Duelle, andere Stars"

Die meiste Aufmerksamkeit wird in Peking zunächst Usain Bolt anziehen, im Duell mit dem Amerikaner Justin Gatlin. Bolt, der Weltrekordhalter und Titelverteidiger aus Jamaika, fehlte 2015 lange verletzt. Er würde über 100 Meter nun gerne zeigen, dass der "neue Usain" (Quelle: Bolt), eine angeblich reifere, fokussierte Person, noch immer in der Lage ist, die Form des alten Bolts aus den Jahren 2008 bis 2013 abzurufen.

Reus hat im Grunde kein Problem mit der Überfigur Bolt, "er tut der Leichtathletik schon immer mal wieder gut", sagt er. Wobei Reus glaubt, dass sich dieser Effekt ins Gegenteil kehren könnte. "Unter dem Hype leiden auch andere Disziplingruppen, andere Duelle, andere Stars, die unglaubliche Leistungen bringen, die aber gar nicht richtig als Stars wahrgenommen werden", sagt der 27-Jährige. "Ich glaube, die Leichtathletik hat mehr zu bieten als Usain Bolt."

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