Sportprozess:Theo Zwanziger: Gegen Katar, Netzer und die ARD

Sportprozess: Theo Zwanziger vorm Landgericht Düsseldorf

Theo Zwanziger vorm Landgericht Düsseldorf

(Foto: Patrik Stollarz/AFP)
  • Vor dem Landgericht Düsseldorf wird verhandelt, ob Theo Zwanziger den Staat Katar ein "Krebsgeschwür des Weltfußballs" nennen darf.
  • Das Gericht gibt ihm teilweise Recht, vertagt aber eine endgültige Entscheidung. Die Gegenseite um Anwalt Peter Gauweiler kündigt Berufung an.
  • Kurz nach Ende der Verhandlung kündigt der ehemalige DFB-Präsident an, die ARD zu verklagen.

Von Philipp Selldorf, Düsseldorf

"Selbstverständlich" werde er persönlich erscheinen, hatte Theo Zwanziger angekündigt, drei Ausrufezeichen inbegriffen, und entsprechend erwartungsvoll nahm er Dienstagvormittag im Saal 1.120 des Düsseldorfer Landgerichts an der Seite seines Verteidigers Platz. Jackett, Krawatte und V-Ausschnitt-Pullover kleideten ihn akkurat, die modische Aktentasche, Block und Kugelschreiber lagen griffbereit. Zwanziger war als Beklagter vor der 6. Zivilkammer erschienen, aber er machte nicht den Eindruck, als wäre die Situation ihm unangenehm. Eher schien ihm der Auftritt willkommen zu sein. Die Zuschauerreihen waren dicht besetzt, viele Kamerateams warteten vor der Tür.

Sie fingen nach der Verhandlung Bilder eines siegesgewiss lächelnden Mannes ein, der sich in seinem Meinen und Handeln abermals bestätigt sah. Ob er aber tatsächlich als Sieger den Kampfplatz verließ, ist zumindest fraglich: Formell hatte er in seiner Sache vorläufig recht bekommen, die Gegenseite vermochte aber ein paar Treffer zu landen, die einerseits den leicht entflammbaren Zwanziger in Rage versetzten, andererseits den Vorsitzenden Richter zu dem Bekenntnis anregten, man werde sich "noch mal Gedanken machen".

Zwanzigers Gegner werden von Peter Gauweiler vertreten

Den Gerichtstermin hätte Zwanziger mit Leichtigkeit vermeiden können. Der 70-Jährige hätte lediglich zusagen müssen, eine Äußerung, die er im Sommer 2015 in einem Telefoninterview mit dem Hessischen Rundfunk getätigt hatte, nicht zu wiederholen. Damals hatte der ehemalige DFB-Präsident erklärt, er habe "immer klar gesagt, dass Katar ein Krebsgeschwür des Weltfußballs" sei. Im Emirat am arabischen Golf wurde diese Formulierung als Beleidigung aufgefasst. Weil Zwanziger nicht davon abrücken wollte, reichte der katarische Fußballverband Unterlassungsklage ein, die Anwaltskanzlei von Peter Gauweiler übernahm die Vertretung vor Gericht. Für Prominenz und öffentliches Interesse war also gesorgt, und wie es aussieht, bildete dieses kleine Justizstück nur den Anfang einer Reihe von Gerichtsterminen, in denen Zwanziger gern den Mittelpunkt einnimmt. Ein weiterer Rechtsstreit kommt im April in Köln zur Verhandlung, dann ist Günter Netzer der Prozessgegner, und kaum, dass er in Düsseldorf den Saal verlassen hatte, kündigte Zwanziger an, die ARD wegen angeblich verleumderischer Umtriebe verklagen zu wollen.

Die Verhandlung am Dienstag nahm für Zwanziger zunächst einen befriedigenden Verlauf, das Gericht stellte bei der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts fest, dass der frühere DFB-Chef "eine noch gerechtfertigte Meinungsäußerung" abgegeben habe. Es sei ihm darum gegangen, die öffentliche Debatte um die Vergabe der WM 2022 "erneut anzustoßen" und hierbei "eine kritische Äußerung zu tätigen".

Die nötige Befugnis dürfe ihm als anerkannter Vertreter des Fußballs nicht abzusprechen sein, und "gewisse Überzeichnungen" seien hinzunehmen, befand die Kammer. Diese Ansicht begründete sie mit der "Reizüberflutung", der das Publikum in der vielstimmigen Auseinandersetzung um das Politikum der WM-Vergabe ausgesetzt sei. Die interessante Schlussfolgerung lautet: Je höher die Wogen im öffentlichen Diskurs, umso schärfer darf der Tonfall sein. Zwanziger saß mit verschränkten Armen da und hörte es mit Genuss.

Gauweiler spannt Bogen vom "Krebsgeschwür" zur WM-Affäre

Aber er hatte sich zu früh gefreut. Für den Kläger wendete Gauweiler ein, das Gericht habe einen erheblichen Aspekt des Falls nicht berücksichtigt. Außer der polemischen Metapher ("Krebsgeschwür") hatte Zwanziger in dem Interview vorgebracht, dass mit der Vergabe der WM an Katar "alles angefangen" habe. Diese Bemerkung wertete der Anwalt als Versuch der Irreführung und als Ablenkungsmanöver, Zwanziger habe durch seine Funktionärstätigkeit beim DFB über die mehr als fragwürdigen Zustände im Weltverband Fifa längst Bescheid gewusst.

Die "ehrabschneidenden, hetzerischen" Formulierungen gegen Katar seien daher auf Zwanzigers "persönliches Angegriffen-Sein" zurückzuführen und nach der Devise "Haltet den Dieb" erfolgt. Unter anderem habe er ja in seiner Eigenschaft als Führungskraft des Verbandes "maßgeblich" dazu beigetragen, einen falsch deklarierten Kredit über 6,7 Millionen Euro in DFB-Büchern zu platzieren.

ARD-Sportchef Balkausky rät, Zwanziger solle "nicht alles um sich herum verklagen"

Während der Vorsitzende Richter Gauweilers Rede interessiert zur Kenntnis nahm ("die Argumente sind angekommen"), empörte sich Zwanziger: "Die Einbeziehung der WM 2006 ist absolut falsch. Da werden Verunglimpfungen vorgenommen, ohne den Sachverhalt zu kennen." Dass Zwanziger zu seiner Verteidigung vortrug, er habe erst 2012 von den besagten 6,7 Millionen erfahren, nutzte Gauweiler zu einem weiteren empfindlichen Konter: "Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Sie ab 2012 Bescheid gewusst haben." Die Beleidigungen gegen Katar sollten wohl dazu dienen, "die eigene Spur zu verwischen". So war der eigentliche Verhandlungsgegenstand längst zur Nebensache geraten.

Am 19. April wird die Kammer in Düsseldorf das Urteil sprechen. Gauweiler gab zu verstehen, im Falle der Niederlage die nächste Instanz anzurufen. Zwanziger beteuerte zwar im Laufe seiner langen Reden vor Gericht, er wolle "nur noch seine Ruhe haben", aber diesem Friedenswunsch steht er als passionierter Rechthaber einstweilen selbst im Wege. Dass er nun wegen der jüngsten Veröffentlichungen zur DFB-Affäre eine Klage gegen die ARD ankündigte ("Sie glauben doch nicht, dass ich mir gefallen lasse, wenn vor sechs Millionen Zuschauern behauptet wird, ich hätte den Aufsichtsrat des WM-OK 2006 getäuscht"), parierte der Sender gelassen. Sportchef Axel Balkausky gab Zwanziger den Ratschlag, "nicht alles um sich herum zu verklagen".

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