Fußball-WM:Sepp Blatter ist zu Gast bei Freunden

Sepp Blatter in Moskau

Schaut mal bei der WM in Russland vorbei: Sepp Blatter in Moskau.

(Foto: dpa)
  • Sepp Blatter, der frühere Fifa-Boss, kommt zur WM nach Russland, weil sein alter Freund Wladimir Putin ihn trotz Sperre eingeladen hat.
  • Blatter nutzt den Besuch, um in eigener Sache Politik zu betreiben - auch gegen seinen Fifa-Nachfolger Infantino.
  • Der seines Amtes enthobene Blatter findet, dass er weiterhin der rechtmäßige Fifa-Chef ist.

Von Thomas Kistner

Er ist wieder da. Als Ehrengast von Wladimir Putin, als Dorn im Fleisch von Gianni Infantino. Am Dienstag landete Sepp Blatter mit einer russischen Privatmaschine in Moskau. Am Abend hofierten ihn die russischen Medien, zwei Flaschen Wodka wurden als Willkommensgruß überreicht. Am Mittwochabend war ein Treffen mit dem Kreml-Chef avisiert.

Zuvor aber waren knifflige Protokollfragen zu lösen im WM-Land, schließlich will Putins Stab nicht allzu offen Sportpolitik betreiben; das tun die Russen lieber hinter den Kulissen. Also mussten diskret die Planungen von Fifa-Boss Gianni Infantino eruiert werden, um für Blatter eine Besuchs-Tour zu organisieren, die nicht die Wege des Amtsnachfolgers kreuzt. Jetzt beinhaltet Blatters viertägiger WM-Kurztrip die Partien Portugal - Marokko in Moskau sowie am Freitag Brasilien - Costa Rica in St. Petersburg; dann dürfte Infantino dem Schweizer Nationalteam zugucken, das gegen Serbien spielt. Blatter hatte Marokko bei der WM-Bewerbung 2026 unterstützt, während Infantino die konkurrierende Amerika-Allianz zum Sieg trieb.

Blatter findet, er sei der rechtmäßige Chef

Mit der Einladung Blatters brüskiert Putin den Fifa-Chef Infantino. Denn den alten und den neuen Weltverbandsboss, aus den nur zehn Kilometer auseinanderliegenden Walliser Alpendörfern Visp und Brig, verbindet eine tiefe Abneigung. Infantino hätte in der Ägide Blatter keinen Fuß in die Fifa-Tür gebracht, versichern alte Fahrensleute in der Fifa und der Europa-Union Uefa - einst war sogar eine Bewerbung gescheitert. Längst ist auch der frühere Uefa-Präsident Michel Platini auf Distanz zum ehemaligen Generalsekretär, der sich im Februar 2016 nur als Ersatzmann für den von der Fifa gesperrten Platini um den Thron beworben hatte. Platini war wie Blatter bestraft worden, als die Schweizer Bundesanwaltschaft (BA) im Herbst 2015 wegen einer Millionenzahlung ermittelte, die der Schweizer dem Franzosen freihändig aus Fifa-Mitteln zugeteilt hatte.

Die Causa Platini wurde jüngst eingestellt, nun hofft auch Blatter auf eine ähnliche Entwicklung in seinem Fall. Wie er seine Rolle dann sieht, legte der 82-Jährige jüngst dar - es war wie ein Fanfarenstoß vor seiner WM-Visite. Der Schweizer Handelszeitung verriet Blatter, wer der rechtmäßige Throninhaber sei: "Ich weise darauf hin, dass ich immer noch der gewählte Präsident der Fifa bin, zumindest bis 2019." Er sei 2015 für vier Jahre ernannt und weder abgewählt worden noch zurückgetreten.

Er habe wegen der Ermittlungen "mein Mandat nur zur Verfügung gestellt, später bin ich wegen der Untersuchung der BA suspendiert worden. Gemäß Statuten muss man einen Präsidenten abwählen". Falls die BA auch seinen Fall einstellt, will er wie Platini die Aufhebung der Fifa-Sperre betreiben. Zwar wolle er nicht zurück ins Amt, aber das stünde ohnehin einem anderen zu: "Infantino hat Platini versprochen, nur als sein Statthalter zu kandidieren." Die Fifa müsse nun Platinis Sperre aufheben, weil der Anlass dafür weggefallen sei - dann, so Blatter, "wird Platini 2019 fürs Präsidium kandidieren. Er hätte Chancen".

Das Komitee ist eine Farce

Tatsächlich rechnen manche in der Branche damit, dass Platinis Sperre vom Fifa-Ethikkomitee aufgehoben werden und er wieder antreten könnte. Jedoch sprechen zwei Dinge dagegen. Zum einen ist dieses Komitee eher eine Farce, ferngesteuert von den Leuten Infantinos, der das einst hochkarätige Aufpassergremium 2017 im Handstreich umbesetzt und völlig entschärft hatte. Zum anderen laufen auch in Frankreich Untersuchungen rund um Platini: Es geht um die WM-Vergabe an Katar und seine Rolle bei einem Agreement, das der damalige Staatschef Nicolas Sarkozy mit dem Emirat getroffen haben soll.

So oder so, wenn sich die Fifa nach der WM dem alles überwölbenden Thema zuwendet, der Präsidentenkür im Juni 2019, dürfte Blatter diskret als Königsmacher mitmischen. Bis heute suchen frühere Vertraute seinen Rat, er besitzt vor allem nach Afrika und Osteuropa beste Drähte; das beweist jetzt die Einladung Putins. Zudem sind als "privat" deklarierte Treffen mit alten Getreuen geplant, etwa mit dem skandalumtosten Wjatscheslaw Koloskow. Zahlungen der Fifa an den früheren russischen Verbandschef, als der gar kein Fifa-Amt mehr innehatte, hatten Blatter anno 2002 selbst in die Bredouille gebracht.

An Infantinos Regiment lässt er kein gutes Haar, wobei ihm die bescheidene Bilanz des Nachfolgers zupasskommt. "Sponsorengelder fehlen, Reserven schrumpfen", trug Blatter via Handelszeitung vor. Er selbst habe der Fifa "Reserven von 1,4 Milliarden plus eine Milliarde in cash" hinterlassen. Trotzdem brauche Infantino nun "dringend Geld, weil er allen Nationalverbänden viel mehr Geld versprochen hat - fünf Millionen statt einer Million. Es wird für ihn sehr schwierig werden, diese Gelder zusammenzubringen".

Auch die Art, wie Infantino das versucht, gefällt Blatter nicht. Er kennt selbst alle Tricks und Drehs und weiß, dass die Goldminen des Fußballs allein in Europa liegen. Also sieht er Infantinos 25-Milliarden-Vorstoß mit offenbar saudischen Investoren im Hintergrund als Angriff auf die Uefa. Eine Klub-WM, die noch nie jemanden interessierte, plus Nations League - und dafür so einen Haufen Geld? Kernprojekt in dem "Deal", so Blatter, sei die Klub-WM. Und da überschreite Infantino seine Kompetenz, indem er an die Großklubs herantritt und deren ewige Geldgier zu nutzen versuchte: "Die Fifa ist gar nicht mit den Klubs verbunden, sondern mit den nationalen Fußballverbänden."

Ob Blatter zur WM gekommen ist, um den Widerstand gegen Infantinos Amtsverlängerung 2019 zu organisieren, bleibt vorerst ein starker Verdacht, die Gespräche werden hinter verschlossenen Türen geführt. Dass Blatter aber diesen Widerstand verkörpert, kann nun jeder sehen.

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