Sportpolitik:"Sag ihm, Ricardo will kommen"

Neymar and Barcelona's president Sandro Rosell walk out to meet the media, after Neymar signed a five-year contract with FC Barcelona, at their offices close to Camp Nou stadium in Barcelona

Unter Verdacht: Sandro Rosell, bis 2014 Präsident des FC Barcelona (hier im Juni 2013 vor der Präsentation des inzwischen abgewanderten Neymar).

(Foto: Albert Gea/Reuters)
  • In einem abgehörten Telefonat mit Barças Ex-Präsident Sandro Rosell erörtert Skandalfunktionär Ricardo Teixeira eine Flucht nach Katar.
  • Der Plan scheiterte. Aber wieso sollte das Emirat einen Kriminellen schützen? Weil Teixeira bei der Vergabe der WM eine Schlüsselrolle spielte?

Von Thomas Kistner

Seit Juni 2017 sitzt Sandro Rosell in Untersuchungshaft, am Freitag verwarf ein Madrider Gericht die sechste Haftbeschwerde. Bis zum Hals steckt der Ex-Präsident des FC Barcelona in einem Fußballsumpf, der von Barças Schwarzgeld-Deal mit Starkicker Neymar über korrupte Geschäfte mit der brasilianischen Seleçao bis zu den Fifa-Affären rund um Katar reicht. Dutzende Millionen soll Rosell abgeschöpft und auf Offshore-Konten dirigiert haben. Spaniens Justiz blockiert mehr als 30 Millionen Euro seines Vermögens, ihm drohen bis zu 18 Jahre Gefängnis. Rosells engster Geschäftskumpan war Ricardo Teixeira. Und nun bringt ein Telefonat des Skandalduos den WM-Ausrichter 2022 schwer in Bedrängnis: Katar.

Teixeira ist eine Fifa-Skandalfigur erster Güte, der Brasilianer gilt als Synonym für Korruption. Am Finanzmarkt gescheitert, heiratete er Lucia Havelange, einziges Kind des langjährigen Fifa-Bosses João Havelange (1974 bis 1998). Dieser hievte den Schwiegersohn in höchste Sportämter. Eine Schmiergeldfirma der Familie trug gar die Initialen des Trios: RLJ. Marketender bezeugen, dass der düstere Fifa-Patron nur für ein Gespräch bis zu einer Million Dollar verlangte. Als in Brasília Ermittlungen begannen, weil Teixeira auch den Nationalverband geplündert hatte, floh er 2012 nach Florida - und 2015 über Nacht zurück in die Heimat: Das FBI hatte in Zürich korrupte Fifa-Kollegen verhaftet. In Florida traf es zu spät ein, Teixeira war schon weg.

Brasilien liefert Staatsbürger nicht aus; alle Justizgesuche aus den USA und Spanien werden abgeschmettert. Jedoch droht dem "Cartola", wie Funktionäre in dem von Fußball-WM 2014 und Olympia 2016 ausgezehrten Land genannt werden, nun in der Heimat der Prozess. Und in einem brasilianischen Drogenknast sitzt es sich kaum komfortabler als im US-Hochsicherheitstrakt Sing-Sing. Was also tun?

Teixeira bestreitet, bezahlt worden zu sein. Dagegen spricht vieles.

Das Problem stellte sich noch heftiger, als Zahlungen aus Katar an Teixeira aufflogen. Pariser Staatsanwälte fanden sein Konto in Monaco, auf dem er 22 Millionen Dollar bunkerte. Die Geldtransfers offenbarten Zahlungen von Firmen aus der Golf-Region, darunter angeblich solche, die am Bau der WM-Stätten für 2022 beteiligt seien. Teixeira gibt zu, Katar gewählt zu haben. Er bestreitet, bezahlt worden zu sein.

Dagegen spricht vieles. So soll er von einem Testspiel Brasiliens gegen Argentinien profitiert haben, das 2010 in Katar stattfand, nur 15 Tage vor der WM-Vergabe. Als Organisator trat ein Baukonzern auf, der heute im Verdacht steht, für den sinnfreien Test-Kick vor wenigen Zuschauern Millionen ausgeschüttet zu haben.

Unter anderem an Ricardo Teixeira. Seit jener WM-Vergabe an einen Zwergstaat mit Backofenhitze häufen sich die Verdachtsmomente. Dazu zählen katarischen Investments in staats- oder fußballnahe Institutionen in Frankreich und Spanien, die die Behörden zuzuordnen versuchen. Auch im Fifagate-Prozess in New York Ende 2017 war Teixeira als Empfänger von Geldern aus Katar belastet worden. Lässt sich diese Verdachtslage weiter erhärten, wäre es ein Durchbruch in der Korruptionsfrage um Katar. Das Emirat unter Tamim Al Thani bestreitet jedes Fehlverhalten bei der WM-Vergabe. Zugleich beklagen aber Justizbehörden in mehreren Ländern die fehlende Kooperationsbereitschaft des Emirats.

Dass die Luft immer dünner wird für Katar-Wähler Teixeira, warf nach Aktenlage die Frage auf: Weg aus Brasilien - aber wohin? Wer bietet Schutz vor Justitias langem Arm? Er brauchte mächtige Helfer. Solche, die Strafermittlungen abblocken können.

Jetzt legt die Madrider Justiz in ihrer zehnseitigen Ablehnung von Rosells Haftprüfungsbegehr explizit dar, warum sie bei ihm größte Flucht- und Verdunkelungsgefahr sieht. Dazu verweist die Kammer auf Konten und Firmen Rosells im Ausland. Speziell auf die am 10. Januar 2017 in Hongkong gegründete Gesellschaft "One of Ours" (Einer von uns), die sechs Tage später mit Katars "Aspire Zone"-Stiftung einen Vertrag bis ins WM-Jahr 2022 besiegelte - "mit der Aussicht auf alljährliche Gebühren von 3,5 Millionen Euro für die Firma". Aufgeführt werden insbesondere Rosells Aktivitäten in China, Senegal und Katar. Auch gegen die Gattin werde ermittelt.

"Um nach... um nach Katar zu gehen?"

Und zur Illustration der "konkreten, hohen Fluchtgefahr" gibt die Justiz den Polizeimitschnitt eines Telefongesprächs heraus, das Rosell mit Teixeira am 16. April 2017 geführt hatte. Das spanische Gerichtspapier, demzufolge die Komplizen konkrete Fluchtpläne erörtern, liegt der SZ vor.

Teixeira: Noch etwas Wichtiges, was ich Dir sagen wollte: Er wird es für mich bekommen, weil er Leute in Thailand und Dubai kennt, verstehst Du?

Rosell: Ja, ja.

Teixeira: Okay, du kannst mir eine Genehmigung besorgen, damit ich dorthin gehen kann, ohne dass mir was passiert. Wie schlecht ist nur diese Telefonverbindung?

Rosell: Meine ist es nicht. Aber wohin willst Du gehen?

Teixeira: Auf der Stelle.

Rosell: Ja, aber wohin? Nach Thailand?

Teixeira: Ja.

Rosell: Du kannst also nach Thailand?

Teixeira: Ja.

Rosell: Wunderbar.

Teixeira : Aber das ist nicht, was ich will. Mir ist lieber, Du prüfst die Möglichkeit, ob ich dasselbe mit Tamine haben könnte.

Rosell: Wo?

Teixeira: Mit Tamine.

Rosell: Oh, kein Problem. Um nach... um nach Katar zu gehen?

Teixeira: Ja, ja. Aber ich möchte, dass du sicherstellst, dass sie mich nicht festsetzen. Und dass sie mich nicht ausliefern.

Rosell: Nein, nein, nein. Nichts. Der einzige Ort, den ich für gefährlich halte, ist natürlich der Einzugsbereich der Gringos. Und natürlich Europa.

Teixeira: Nein. Nein. Über Europa müssen wir nicht einmal reden.

Rosell: Und nicht über die Gringos. Aber ich denke, im Rest der Welt gibt es keine Probleme. Gehen wir trotzdem auf Nummer sicher, denn in zwei Wochen werde ich dort sein. Ich werde bei Tamine sein und ihn fragen. Ich werde ihn bitten.

Teixeira: Sag ihm, Ricardo will kommen. Aber ich brauche eine Garantie von ihm. Du lädst ihn einfach mal ein und er geht da raus.

Helfen konnte Rosell dem alten Freund Teixeira dann wohl nicht mehr, zwei Monate später wurde er selbst inhaftiert. Und "um die Fluchtgefahr einer Person mit solchen Kontakten ins Ausland" einzudämmen, heißt es im Justizpapier, gebe es keine Alternative zur andauernden Haft. Bleibt eine Kernfrage: Wer ist der mysteriöse, doch offenbar enge Freund Tamine im Emirat, bei dem sich das Duo so fürstliche Privilegien wie eine Nichtauslieferung erhoffen durfte? Klingt er nur zufällig so wie der Emir? Und warum sollte dieser Freund das tun - für Männer, die von Strafermittlern vieler Länder gejagt werden, einer von ihnen Katar-Wähler? Es ist noch lange hin bis zum Anpfiff der WM 2022. Ob der wirklich in Katar geschieht, erscheint nach Aktenlage noch längst nicht geklärt.

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