Sportpolitik:Paralympics in Finanznot

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Anstehen im Olympia-Park in Barra: Nicht weit entfernt ist das olympische Dorf, in dem rund 600 Bauarbeiter massive Nachbesserungen vornehmen mussten. (Foto: Regina Schmeken)

Die Behinderten-Spiele sind eingedenk der Löcher im Organisationsbudget gefährdet, Reisezuschüsse sind überfällig. Eine Offenlegung der Finanzen dürfte dem trickreichen Organisations-Komitee kaum gefallen.

Von Thomas Kistner

Seit Montagabend tagt in Rio de Janeiro wieder mal ein Krisenstab. Das Internationale Paralympics Komitee (IPC) nimmt sich Rios Bürgermeister Eduardo Paes und die Spiele-Organisatoren im Comitê Rio 2016 zur Brust, die Behinderten-Spiele im September sind eingedenk der wachsenden Löcher im Organisationsbudget ernsthaft gefährdet. IPC-Präsident Sir Philip Craven trat vorsorglich Gerüchten über eine bevorstehende Absage entgegen, die seien "ohne jede Grundlage".

Aus der Luft gegriffen sind sie aber nicht. Die Reisezuschüsse für die Nationalen Paralympischen Komitees sind seit zwei Wochen überfällig; sollten sie nicht bald fließen, könnten bis zu 60 Länder gar nicht erst zu den Wettkämpfen nach Rio fliegen. Brasilien steckt ja in allergrößten Finanznöten, auch die Kosten für Olympia sind davongaloppiert. Die Bundesregierung sowie Stadt und Regionalregierung von Rio mussten eingedenk der ökonomischen Krise auf einen gerichtlichen Beschluss hin den Geldhahn zudrehen, das haben sie dem IPC mitteilen müssen. Nun drängt Craven das Comitê Rio 2016, alle bisherigen Finanzflüsse offenzulegen, damit die Gelder für das IPC flott fließen können.

Das erscheint naiv: Die Offenlegung der Finanzen dürfte das Letzte sein, was für das trickreiche OK in Frage käme. Es war ja schon vor Beginn der Spiele praktisch pleite, zumal kurzfristig immer weitere Löcher gestopft werden mussten. Sehr spät wurden massive Nachbesserungen im olympischen Dorf fällig, wo viele Wohnungen bei der Ankunft der Teams nicht bezugsfertig waren. Gut 600 zusätzliche Arbeiter mussten angeheuert werden.

Wurden für die Paralympics vorgesehene Gelder in das Olympia-Budget umgeleitet?

Auch hatten die OK-Manager laut der Tageszeitung O Estado do São Paulo bei der Regierung in Brasília angefragt, ob sie Kosten für die Eröffnungsfeier von rund 60 Millionen Dollar übernehmen könne. Dazu kam es ebenso wenig wie zu einer diskreten Finanzhilfe durch den schillernden staatlichen Ölkonzern Petrobras. Der war gebeten worden, die Benzinkosten für rund 4000 offizielle Olympia-Fahrzeuge zu übernehmen, Kostenpunkt: rund 70 Millionen Dollar. Als Petrobras erklärte, dass es mittlerweile leider einer strengen Ein- und Ausgabenkontrolle durch die Regierung unterliege und das im Fall einer Partnerschaft auch für Rio 2016 gelte, waren die Verhandlungen rasch beendet.

Am Freitag hatte dann eine Richterin verfügt, dass das OK Rio 2016 keine öffentlichen Gelder mehr erhalten darf, bevor es alle Finanzbewegungen "in voller Transparenz und mit Rechtfertigung für den Mittelbedarf aus der öffentlichen Hand" deklariert habe. Dabei geht es um einen Betrag von rund 75 Millionen Euro, den Bund, Land und Stadt nun zurückhalten müssen. Die Spiele-Organisatoren kündigten am Montag Einspruch gegen das Urteil an. Die Offenlegung, so sieht es aus, wollen sie um jeden Preis verhindern.

Das nährt den Verdacht, dass ursprünglich für die Paralympics vorgesehene Gelder umgeleitet wurden, um das Olympia-Budget abzufedern - für Ausbesserungen im Athletendorf, für die Behandlung des grünen Wassers im Maria-Lenk-Wassersportzentrum und für andere Bedürfnisse. IPC-Chef Craven blickt nun Marathonsitzungen mit den Offiziellen entgegen.

Am Mittwoch soll eine Lösung gefunden sein; es läuft auf die Suche nach alternativen Finanzhilfen hinaus. Olympische Topsponsoren wie Samsung und Coca-Cola rücken als Nothelfer in den Fokus. Massive Einschnitte befürchtet Craven aber in jedem Fall. Das könnte zuvorderst die Eröffnungs- und Schlussfeier, die Freiwilligen- und Werbeprogramme sowie die Medienzentren an den Sportstätten betreffen. Vor diesem Hintergrund wirkt die Weigerung des OK Rio 2016, per Offenlegung seiner Bücher zusätzliche öffentliche Finanzspritzen zu erschließen, verstörend. Falls dort unschöne Geheimnisse schlummern, sollen sie offenbar nicht ausgebreitet werden, solange die Welt auf die Sporthauptstadt am Zuckerhut blickt.

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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