Sportpolitik:Im deutschen Sport gärt und grummelt es immens

Pressekonferenz zur Reform des Leistungssports

DOSB-Boss Alfons Hörmann und der Ethikchef Thomas de Maizière, damals noch als Bundesinnenminister, bei einer Pressekonferenz zur Leistungssportreform.

(Foto: Soeren Stache/dpa)
  • Bei der Mitgliederversammlung des DOSB steht Präsident Alfons Hörmann stark in der Kritik.
  • Vor Kurzem hatte er suggeriert, 95 Prozent aller Athleten würden die umstrittene Leistungssportreform unterstützen.
  • "Ich glaube, er hat seinem Ansehen schweren Schaden zugefügt", sagt Leichtathletik-Chef Clemens Prokop.

Von Johannes Aumüller, Magdeburg

Erst geht es in den Saal Otto-von-Guericke, dann in den Salon Dresden, und welchen Eindruck Alfons Hörmann dabei und danach macht, das ist die spannende Frage. Mitgliederversammlungen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) strecken sich traditionell über zwei Tage. Am Samstag steht der öffentliche Teil an, dann fallen die Beschlüsse. Aber als heikler muss die Verbandsspitze meist den Freitag einstufen, an dem sich die Delegierten in verschiedenen internen Runden zusammenfinden. Und das gilt insbesondere dieses Mal in Magdeburg, wenn die Spitzenverbände (Guericke-Saal) und die Landessportbünde (Saal Dresden) tagen.

Noch selten ist ein DOSB-Präsident so angeschlagen in eine Mitgliederversammlung gegangen wie nun Hörmann. Im deutschen Sport gärt und grummelt es immens, und inzwischen hat die Unzufriedenheit über Hörmann bei vielen einen Grad erreicht, an dem sie sich zunehmend Gedanken über personelle Alternativen machen. Der Präsident selbst ist sichtbar gereizt. In einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung sagte er auf die Frage, ob eine Kampagne gegen seine Person laufe: "Diesen Eindruck kann man gewinnen."

"Er hat seinem Ansehen schweren Schaden zugefügt", glaubt Leichtathletik-Chef Prokop

Hörmann fiel seit der Amtsübernahme 2013 mit persönlichen Fehlern (etwa der Umgang mit seiner Geldbuße, die er als Ex-Chef eines Dachziegelherstellers vom Kartellamt erhielt) und merkwürdigen Auftritten (etwa rund um Hamburgs gescheiterte Olympia-Bewerbung 2015) auf. Aber zuletzt bündelten sich die Irritationen so stark wie nie. Zuvorderst geht es um die Reform des Leistungssports, die in Magdeburg beschlossen werden soll. Der DOSB und das Bundesinnenministerium (BMI) als größter Geldgeber entwickelten ein Konzept, das einem Grundsatz folgt: Künftig sollen vor allem Disziplinen mit großem Medaillenpotenzial unterstützt werden, schwache Sportarten nur noch minimal. Die Vorbehalte richten sich gegen den Inhalt, aber auch gegen das Vorgehen.

Erst am Donnerstag entwickelte das Präsidium den Antragstext für die Beschlussvorlage, am Freitag sollen ihn alle Verbände erhalten. Auf die Frage, ob es darin konkrete Änderungswünsche gegenüber dem vorliegenden Konzept gebe, sagte Hörmann: "Da können Sie weder Ja noch Nein sagen." Nicht nur im Kontext der Reform gerät Hörmanns Stil in die Kritik. Dies manifestiert sich etwa im Konflikt mit Thomas Weikert, Vorsitzender der Trainerakademie. Der DOSB wünscht sich dort einen Wechsel, wie er Mitte November per Brief mitteilte. Nicht nur Weikert war ob dieses Stils so erbost, dass er nun eine Entschuldigung einfordert; auch die Sprechergruppe der Spitzenverbände um Ruder-Chef Siegfried Kaidel gab sich irritiert und distanziert.

Nicht weniger groß ist das Kopfschütteln über Hörmanns Auftritt bei der Bundespressekonferenz vergangene Woche. Da legten seine Ausführungen zum Reformkonzept den Schluss nahe, dass sich in einer Umfrage 95 Prozent von 500 deutschen Athleten für die Reform ausgesprochen hätten und von den Sportlern ein Manifest dazu entwickelt worden sei. Beides stimmt so nicht. Eine Umfrage zur Reform gab es nie, sondern nur zu einem Markenbildungsprozess; das Manifest war ein Text, den die Marketingabteilung Athleten zur Kommentierung vorlegte.

Wenn es da "unpräzise Formulierungen oder Missverständnisse" gegeben habe, sei das keine Absicht gewesen, so Hörmann nun.

Ungewöhnlich offen wird ob all dieser Vorgänge Kritik formuliert. "Ich glaube, er hat seinem Ansehen schweren Schaden zugefügt", sagte Leichtathletik-Chef Clemens Prokop dem sid. Und Judo-Präsident Peter Frese meint: "Alfons Hörmann hat gerade einen schweren Stand, auch weil er unnötige Stockfehler begangen hat."

Angesichts Hörmanns schwieriger Lage ist bemerkenswert, dass Vorstandschef Michael Vesper öffentlich derzeit kaum eine Rolle spielt. Das Verhältnis der beiden war seit Hörmanns Amtsantritt recht wechselhaft. Just rund um Vespers umstrittene Vertragsverlängerung im März war es enger; da war Hörmann aufgrund einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung mit seinem Ex-Arbeitgeber selbst in der Bredouille. Aktuell gilt die Beziehung wieder als zerrüttet. Es gibt dafür dem Vernehmen nach verschiedene Gründe, unter anderem eine mögliche Bewerbung für Olympische Spiele 2028. Vor wenigen Wochen kam aus Nordrhein-Westfalen, wo Vesper früher Minister war, diesbezüglich ein Vorstoß.

Vesper könnte das offenkundig passen, weil er so nach dem Ende seines DOSB-Vertrages 2017 auf einen neuen Job hoffen könnte. Aber Hörmann bremste die Idee. Es ist die Frage, wie umfänglich sich der Unmut über Hörmann in Magdeburg dokumentiert. Der DOSB-Boss weiß aber, ebenso wie seine Kritiker: Wirkliche personelle Alternativen sind kaum in Sicht. Und zudem kann er darauf hoffen, dass das Reformkonzept trotz aller Kritik eine hohe Zustimmung erfährt. Denn die Delegierten müssen bei einem Nein befürchten, dass das BMI die Mittel nicht erhöht. Nur bei einem Ja soll das Gesamtbudget steigen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: