Sportpolitik:574 000 Euro Nachzahlung

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Im Streit um die Beitragsverteilung muss der BLSV dem BFV eine große Summe überweisen. Nun drohen auch Forderungen anderer Fachverbände.

Von Christoph Leischwitz

Die Zentralen des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) und des Bayerischen Landes-Sportverbandes (BLSV) in München liegen gerade einmal fünf Kilometer auseinander, doch die Kommunikation zwischen den beiden Verbänden hatte sich in den vergangenen Jahren oft schwierig gestaltet - zumindest immer, wenn es ums Geld ging. Der Streit über die Verteilung der Eigenmittel ist schon alt, jetzt ist allerdings eine richtungsweisende Entscheidung gefallen. Der BLSV-eigene Rechtsausschuss hat auf Drängen des BFV hin festgestellt: Der Dachverband muss dem BFV 574 000 Euro nachzahlen, nachdem in den Jahren zuvor offenbar regelmäßig zu wenig Geld ausgeschüttet wurde. "Der BLSV hat uns über Jahre hinweg Finanzmittel vorenthalten und den bislang gültigen Abrechnungsschlüssel auf Kosten des BFV und einiger anderer Sportfachverbände falsch angewendet", sagt BFV-Geschäftsführer Jürgen Igelspacher. Sollten andere Fachverbände dem Beispiel des BFV folgen und die Verteilung der Gelder beanstanden, könnten weitere Forderungen auf den BLSV zukommen.

Die so genannten Eigenmittel des BLSV speisen sich aus den Mitgliedsbeiträgen aller bayerischen Sportvereine. Diese werden nicht auf direktem Weg dem zuständigen Sportverband zugeführt, sondern landen zunächst beim BLSV, der die Gelder dann ausschüttet. Die Zahl der Mitglieder pro Fachverband ist bei der Verteilung ein wichtiger Faktor, aber nicht der einzige. Zuletzt belief sich die Ausschüttung, die an 53 verschiedene Verbände ging, auf 5,4 Millionen Euro. Mit 520 000 Euro erhielten die Fußballer rund ein Zehntel der Gesamtsumme.

In den vergangenen Jahren hatte der BFV immer wieder beanstandet, dass der Verteilerschlüssel nicht transparent sei. Als der schließlich 2014 vom BLSV öffentlich gemacht wurde, hielt ihn der BFV nicht für gerecht und forderte sogleich Nachzahlungen. Der BFV rechnete vor: Von jedem gezahlten Euro, den ein Fußballspieler als Mitgliedsbeitrag leistet, fließen lediglich 22 Cent an den Amateurfußball - 28 Prozent davon sind nichts anderes als eine Art Solidaritätszuschlag für andere Verbände. 50 Cent behält der BLSV selbst. Selbst nach dem alten Abrechnungsschlüssel, den der BFV als ungerecht empfindet, würden dem Fußball 230 000 Euro mehr zustehen als die bisher ausgeschütteten 520 000 - pro Jahr. Man wolle die Solidargemeinschaft nicht aufkündigen, teilt der BFV dazu in einer Erklärung mit. Aber man wolle doch zumindest einen Großteil dessen, was dem BFV mit seinen weit über 1,5 Millionen Mitgliedern zustehe.

Eingefordert hatte der BFV Nachzahlungen für die Jahre 2009 bis 2015 - demnach hätten ihm über 1,6 Millionen Euro zugestanden. Diese Summe zu leisten, hatte der Rechtsausschuss allerdings als unrealistisch erachtet, weil eine Nachzahlung in dieser Größenordnung die Existenz des BLSV bedrohen könne. Der BFV sagt, er gebe sich nun mit den 574 000 Euro zufrieden, und BLSV-Präsident Günther Lommer signalisiert ebenfalls seine Zustimmung, auch wenn der Urteilsspruch noch nicht schriftlich vorliege. Es werde nicht leicht, man könne das Geld aber zeitnah überweisen. "Wir wussten ja, dass das auf uns zukommt, wir haben uns dazu schon Gedanken gemacht", sagt Lommer mit Blick auf den aktuellen Haushalt.

Dem Dachverband des bayerischen Sports droht nun aber ein weiteres Problem: Andere Fachverbände, die sich auf Grundlage des alten Schlüssels ebenfalls benachteiligt fühlen, könnten nun eigene Forderungen stellen. "Ausschließen kann ich es nicht", sagt BLSV-Präsident Lommer. Diesen nachzukommen sei aber nur möglich, indem man "andere Verbände schlechter stellt". Die Solidargemeinschaft der Verbände wäre in Gefahr.

Und auch wenn der Streit zwischen Dachverband und Fußball bezüglich der Vergangenheit nun abgeschlossen ist - jener um die Zukunft ist es noch lange nicht. Eigentlich hatte der Verbandsausschuss des BLSV im vergangenen Mai einem neuen Verteilungsschlüssel zugestimmt, dieser hätte unter anderem für den Fußball auch mehr Zuschüsse vorgesehen. Allerdings wurde gleichzeitig eine Deckelung in Höhe von 842 000 Euro pro Jahr beschlossen. Diese findet der BFV "willkürlich" und "nicht akzeptabel", sie sei nachträglich und ohne Rücksprache beschlossen worden.

Doch damit nicht genug: Der BLSV-Rechtsausschuss hat am 27. Februar auch festgestellt, dass der Verbandsausschuss - ein Gremium aus Verbandspräsidenten und verschiedenen Beiräten - nicht befugt sei, den Verteilungsschlüssel festzulegen. Dieser muss nun in einem außerordentlichen Verbandstag zur Abstimmung vorgelegt werden, geplant ist die Zusammenkunft in München am 26. November. Das bedeutet im Vorfeld, dass erst einmal Delegierte bestimmt werden müssen, und das wiederum kostet Zeit und Geld.

Im Kern, sagt Lommer, werde man wieder über den gleichen Schlüssel abstimmen wie schon im vergangenen Mai. Davor warnt allerdings der BFV: "76 Kreistage, ein Verbandstag und ein identischer Beschluss - dann könnte es sein, dass wir wieder dagegen vorgehen", sagt BFV-Geschäftsführer Igelspacher, der mit dem jüngsten Richterspruch im Rücken zuversichtlich ist, auch ein weiteres Mal Recht zu bekommen. Die Deckelung der Eigenmittel sei der "Knackpunkt", sie habe einen möglichen Kompromiss zunichte gemacht.

Beide Seiten sagen, sie wollen den Streit beenden und suchten nach einer Einigung. Fraglich ist allerdings, wie weit das gegenseitige Vertrauen gelitten hat. Ein Beispiel belegt das: In seinem Statement auf der verbandseigenen Homepage erklärt der BFV, dem BLSV schon im vergangenen Oktober ein Vergleichsangebot vorgelegt zu haben: Man werde sich mit einer Nachzahlung von 460 000 Euro begnügen - das wären immerhin 114 000 Euro weniger gewesen, als der BFV nun tatsächlich bekommen wird. BLSV-Präsident Lommer gibt sich von dieser Darstellung überrascht: "Davon höre beziehungsweise lese ich zum ersten Mal". Umgekehrt habe sein Verband selbst Angebote gemacht, die die Fußballer abgelehnt hätten.

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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