Sportpolitik:Dutzende Opfer und Betrüger

Der Freiburger Forschungsskandal ist wohl umfassender als von der Universität angenommen.

Von Thomas Kistner

Die Evaluierungskommission für die Sportmedizin der Universität Freiburg ist bei ihrer Dopingaufklärung am schillernden Institut auf einen Forschungsskandal von internationaler Tragweite gestoßen; es geht um massives wissenschaftliches Fehlverhalten in Publikationen. (SZ vom 7.1.). Am Donnerstag bestätigte auch die Uni den Verdacht, "dass vier Wissenschaftler in Arbeiten aus der Zeit von 1988 bis 2000 wissenschaftlich unredlich publiziert hätten, indem sie Forschungsdaten manipuliert und für mehrfache Publikationen mit unterschiedlichen Autorenteams genutzt hätten". Der Rektor habe Untersuchungen schon beauftragt, man wolle "wissenschaftliches Fehlverhalten schonungslos aufdecken und öffentlich machen".

Zugleich zielt die Uni aber auch wieder auf die Arbeit des im Breisgau ungeliebten Prüferstabs unter der Vorsitzenden Letizia Paoli. Sie fordert, Arbeitsergebnisse erst dann zu publizieren, "wenn der Anspruch der Öffentlichkeit auf belastbare und solide Informationen" erfüllt werden könne: Um die Beschädigung von Wissenschaftlern zu vermeiden, "bevor deren Fehlverhalten geprüft und dokumentiert" sei.

Allerdings steckt die Paoli-Kommission in einer Zwickmühle, die vor allem der Auftraggeber zu verantworten hat. Jahrelang war die Arbeit der Medizinermittler um die italienische Kriminalprofessorin behindert worden, in einigen Wochen soll sie endgültig beendet sein. Da bleibt keine Zeit, einen offenbar weitreichenden Forschungsbetrug aufzuarbeiten. Auch sieht Kommissionsmitglied Perikles Simon die von der Uni genannte Zahl von vier betroffenen Forschern kritisch. "Wir haben keine Zahl genannt", sagte der Mainzer Dopingexperte und Sportmediziner der SZ.

Vielmehr gehe es der Kommission um einen Kreis von bis zu fünf Dutzend Personen; er umfasse alle Co-Autoren, die in vielen der wissenschaftlich unredlichen Arbeiten der Freiburger Sportmedizin unter dem damaligen Chef Joseph Keul involviert waren. Mit diesen Autoren sei offenbar der Ausstoß der wissenschaftlichen Arbeit aufgebläht und Etikettenschwindel betrieben worden - etwa, indem sie "unter Druck gesetzt oder aber ganz ohne ihr Wissen als Autoren gelistet" wurden. Den Verdacht nährten Anhaltspunkte wie der, dass manche Namen falsch geschrieben seien.

Auch habe die Kommission mit ihrem Vorstoß nicht aus dem eigenen Vertrauensbereich geplaudert, sondern nur allgemein verfügbares Wissen verbreitet. "Alles, was wir fanden, ist in Publikationen in öffentlichen Datenbänken zugänglich. Dafür braucht es keine spezielle Kommissionsarbeit." Weil aber das Wissen um gefälschte Doktorarbeiten und Habilitationen in Freiburg seit Jahren bekannt ist, ist für Simon schwer nachvollziehbar, dass man sich im Breisgau trotz leicht verfügbarer Daten "noch gar nicht damit befasst" habe.

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