Freiburger Kommission:Doping-Aufklärung wird heikler

Gesprächsrunden zu Doping-Affäre in Freiburg

Weiter Rückendeckung im eigenen Lager: Letizia Paoli und ihre verbliebenen Mitarbeiter wollen die Aufklärungsarbeit unbedingt fortsetzen.

(Foto: Patrick Seeger/dpa)
  • Innerhalb kurzer Zeit verlassen zwei Mitglieder die Freiburger Dopingkommission und attackieren die Vorsitzende.
  • Doch die Mehrheit unterstützt die Kriminologin.
  • Die Erkenntnisse werden brisanter.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Seit sechs Jahren sitzt Letizia Paoli jener Kommission vor, die sich um die Aufarbeitung der langjährigen Dopingstrukturen an der Universität Freiburg bemüht. In dieser Zeit hat die Kriminologin jede Menge denkwürdiger Konflikte austragen müssen. Vor allem mit der Uni-Leitung, von der sie sich massiv blockiert fühlte - was in zwei Dossiers voller Mails und Briefen eindrucksvoll festgehalten ist. Zäh war auch die Arbeit mit der Staatsanwaltschaft, die zweieinhalb Jahre lang angefragte Akten nicht herausrückte; angeblich waren sie verlegt worden.

Am Montag wurde der nächste bizarre Strauß ausgefochten. Auf den ersten Blick geht es um den Ausstieg zweier Mitglieder aus dem Gremium. Tatsächlich aber vor allem darum, ob es der Uni Freiburg aufgrund dieser internen Zwistigkeiten gelingt, die brisante Tätigkeit der Kommission zu beenden.

Am Montagmorgen gab der Münchner Rechtsexperte Heinz Schöch den Austritt aus der Kommission bekannt - verbunden mit heftigen Attacken gegen Paoli. Er warf ihr Vertrauensbruch, Verschleppungstaktik und ehrverletzende Diffamierungen vor. Das ist bereits die zweite aufsehenerregende Personalie binnen weniger Tage: Am Freitag war klar geworden, dass die Tage des Sportwissenschaftlers Andreas Singler in dem Gremium gezählt sind. Die übrigen Mitglieder, ausgenommen Schöch, forderten Singlers Rauswurf, er selbst kündigte seinen baldigen Rückzug an. Auch Singler attackierte die Vorsitzende scharf.

Manche, die Paoli und die Arbeit ihrer Kommission wegen deren Hartnäckigkeit oder wegen der heiklen, über Dopingfragen weit hinausgehenden Thematik kritisch sehen, streuen schon, der Stab befände sich kurz vor der Auflösung. Von "Chaos" und "Posse" ist die Rede - was die Situation nicht falsch beschreibt. Erhellender sind allerdings die Abläufe, die dazu führten. So schwelt der Konflikt zwischen Singler/Schöch sowie dem Rest der Kommission schon seit geraumer Zeit. Das Gros der Kollegen lastet Singler an, er sei zu stark von den Interessen der Universität beeinflusst. Auch sei er im Gespräch für die Besetzung einer neuen, an die Uni angebundene Doping-Forschungsstelle, in der Rektorat und Ministerium die Aufklärungsarbeit ganz offenkundig schon seit längerer Zeit deponiert hätten. Als freier Mitarbeiter wird Singler überdies vom Klinikum monatlich voll bezahlt.

Vorwürfe gegen die Uni

Am Montag erhielt Paoli massive Unterstützung von den verbliebenen Kommissionsmitgliedern. "Wir sind tief betroffen darüber, dass die Universität Freiburg die Vorsitzende ihrer eigenen Evaluierungskommission nicht gegen diffamierende Angriffe innerhalb der Kommission und von außen verteidigt, sondern vielmehr diese Angriffe selbst noch befördert zu haben scheint", hieß es in einem offenen Brief an Wissenschaftsministerin Theresia Bauer.

Die Kommission trifft auch starke Einschränkungen zu Singlers Teilgutachten über "Systematische Manipulation in Radsport und Fußball". Deren Kernerkenntnis - Anabolika-Lieferungen an den VfB Stuttgart, den SC Freiburg sowie den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) durch den früheren Freiburger Ärzte-Guru Armin Klümper - war zuletzt wochenlang heftig debattiert worden. Die Frage sei, inwieweit sich daraus systematisches Doping ableiten ließe, argumentiert die Kommission insbesondere eingedenk der Tatsache, dass im Fall SC Freiburg nur eine Lieferung vorliegt.

"Dies wäre ein Verrat"

Zugleich bohrt die Kommission tiefer in der Frage nach, inwieweit die Dopingstrukturen in Freiburg gedeckt worden sind. "Insbesondere die Rolle früherer CDU-Ministerpräsidenten und CDU-Landesminister sowie Leiter der Kliniken und Universität muss von der gesamten Kommission noch abschließend mit größter Sorgfalt geprüft und bewertet werden", heißt es in dem Schreiben an Bauer.

Die Arbeit wird mehr - und zunehmend heikel. So beschäftigt die Kommission nun auch ein bisher der Öffentlichkeit nicht bekanntes Verfahren gegen Klümper wegen fahrlässiger Tötung. Dabei kam es 2003 zu einer Anklage. Ein Urteil erfolgte nicht, Details sind nicht bekannt, weil die Akten vernichtet wurden, interessanterweise zu einem Zeitpunkt, als sich die Kommission mit Klümper näher zu befassen begann und Akten zu ihm anforderte (SZ, 22.04.). Arbeiten wie diese müssen unter dem Ausstieg zweier Unzufriedener nicht leiden.

Jurist Schöch kündigte an, er wolle seinen 60-seitigen Bericht, der sich mit rechtlichen Fragen befasst, direkt dem Rektor zur Verfügung stellen, damit dieser ihn veröffentlichen kann. Auch Singler übersandte sein Gutachten über Doping in Fußball und Radsport offenbar schon der Uni-Leitung. Die anderen Mitglieder warnen in klaren Worten vor einer separaten Veröffentlichung dieser von ihnen nicht abgenommenen Gutachten. "Dies wäre ein Verrat an der Evaluierungskommission und zudem ein schwerer Bruch mit allen Regeln und Zusagen an gutachterliche Kommissionen", hieß es im Brief an Ministerin Bauer.

Die Uni Freiburg als formale Auftraggeberin der Kommission scheint sich aber eher Schöch und Singler anzuschließen. Sie erklärt, sie suche einen Weg, der auch das öffentliche Interesse berücksichtige, und weist auf die jüngst vereinbarten Arbeitsfristen hin. Das öffentliche Interesse in dieser immer wieder blockierten Aufklärungsarbeit gilt aber längst schon der Frage, ob die Wahrheit ans Licht kommt, weniger der Frage, wann sie präsentiert wird.

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