Sportpolitik:Blitzreaktion im Ringezirkel

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Prozesse mit zwei Geschwindigkeiten: Mal sanktioniert das IOC langsam, mal sofort. Wie bei seinem Kritiker Adam Pengilly.

Von Johannes Aumüller

Kurz vor Beginn der Winterspiele gab es auf der Session des Internationalen Olympischen Komitees eine Abstimmung zum Umgang mit der russischen Dopingaffäre. Fast alle fanden, die IOC-Führung um den Präsidenten Thomas Bach habe richtig gehandelt, nur zwei Mitglieder enthielten sich der Stimme. Der eine war der Dienstälteste des Ringezirkels, der Kanadier Richard Pound, der andere einer aus der jüngeren Riege, der Brite Adam Pengilly.

Wenn nun in einer Woche die Schlussfeier ansteht, zu der Russland nach kurzer Sperre wohl wieder in die olympische Familie aufgenommen wird, werden fast alle Mitglieder des IOC anwesend sein. Sicher fehlen werden zwei: Pound, der dies schon länger angekündigt hat - und Pengilly. Der ist am Donnerstag vom IOC nach Hause geschickt worden, weil es einen Zwischenfall am sogenannten "olympischen Familienhotel" gab. Ein solcher Platzverweis für ein IOC-Mitglied ist ein ziemlich einmaliger Vorgang. Und einer, der Irritationen hervorruft.

Die Darstellungen des konkreten Ablaufs gehen auseinander. So ist die Rede davon, dass Pengilly, 40, handgreiflich gegenüber einem Mitarbeiter des Sicherheitspersonals geworden sein soll. Dies sei auf einem Video zu sehen, das der IOC-Ethikkommission vorliege. Südkoreanische Medien berichteten zudem, es seien beleidigende Worte übers Gastgeberland gefallen. Pengilly sagte zum Branchendienst Inside the Games, er habe niemanden angefasst, aber bewusst ignoriert, dass er zum Halt aufgefordert worden sei. Auch gab er zu, geflucht zu haben, ohne die Wortwahl mitzuteilen. Es sei falsch gewesen, sich dafür nicht sofort entschuldigt zu haben - er holte das später nach.

Den genauen Grund für die Heimreise nannte das IOC auch am Freitag nicht. "Ich gehe davon aus, dass es verbale Auseinandersetzungen gab, die für das IOC nicht akzeptabel sind. Was physischen Kontakt betrifft, war mein Verständnis, dass es einen gab", sagte ein Sprecher.

Unabhängig vom konkreten Ablauf ist auffällig, dass das IOC und seine Ethikkommission so schnell handelten. Denn schnelles Handeln bei fragwürdigen Vorgängen ist normalerweise nicht deren Spezialdisziplin. Selbst wenn es gegen IOC-Mitglieder gravierende und strafrechtlich relevante Vorwürfe gab, wurde stets auf die Unschuldsvermutung verwiesen. Eine interne Reaktion erfolgte verzögert - oder gar nicht. So war es zum Beispiel bei Pat Hickey, den die brasilianische Polizei während der Sommerspiele 2016 wegen des Verdachts auf krumme Geschäfte mit Eintrittskarten verhaftete; erst ein Jahr später trat der Ire aus der IOC-Exekutive zurück. Auch bei Frankie Fredericks (Namibia) dauerte es nach Aufkommen der Vorwürfe über Schmiergeldzahlungen im Kontext der Rio-Vergabe ein halbes Jahr bis zur Suspendierung. Und der einflussreiche Kuwaiter Scheich Ahmad al-Sabah, der einst Bach das Stimmenpaket für die Wahl auf den IOC-Thron zuführte, sitzt immer noch gemütlich in der Runde, obwohl ihn die amerikanische Justiz als Mitverschwörer im Sumpf um den Fußball-Weltverband führt. Selbst aus dem Vorstand der Fifa zog er sich auf Druck zurück.

Dazu steht die rasche Reaktion beim früheren Skeleton-Piloten Adam Pengilly in einem Widerspruch. Der Brite war eine der wenigen kritischen Stimmen, im Sommer 2016 votierte er als einziges IOC-Mitglied dagegen, dass Russland trotz des Doping-Skandals an den Spielen in Rio teilnehmen durfte. Vor Pyeongchang war er mit Pound der Einzige, der sich bei der Abstimmung über die Angemessenheit der aktuellen Sanktion (kurzzeitige Sperre, rasch mögliche Rückkehr zur Schlussfeier) enthielt. Pengilly merkte an, das IOC möge vor einer Rückkehr Russlands in die olympische Familie in Rechnung stellen, dass es für Dopingvergehen bei Athleten gemeinhin eine vierjährige Sperre gebe - und nicht nur zweieinhalb Monate.

Ein IOC-Sprecher erklärte die schnelle Reaktion damit, dass der Vorfall unmittelbar im Kontext dieser Spiele passiert sei und Pengilly das Fehlverhalten einräumte. Es gebe keine doppelten Standards. Pengillys Zeit als Athletenvertreter im IOC wäre mit Ende der Spiele ohnehin vorbei gewesen.

© SZ vom 17.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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