Sportmomente des Jahres:"Man of se Match is Swainstaigr"

Das Jahr geht zu Ende, und was bleibt hängen? Ein ewig kämpfender Bastian Schweinsteiger im WM-Finale, ein mutiges Coming-Out von Thomas Hitzlsperger und epische Tennismomente mit Boris Becker und Roger Federer.

Die Sporthöhepunkte 2014 von SZ.de

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"Man of se Match is Swainstaigr"

Bastian Schweinsteiger WM Finale

Quelle: Nelson Almeida/AFP

In den Rückblicken auf die Fußball-WM sieht man Lionel Messi, wie er sich den Ball zum Freistoß hinlegt. Es läuft die 122. Minute des Finales von Rio und Argentinien liegt 0:1 zurück. Im Hintergrund versucht Bastian Schweinsteiger aufzustehen. Er schafft es nicht. Von Krämpfen geplagt windet er sich, Arzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt (Bild rechts) und ein Physiotherapeut heben ihn hoch. Er humpelt hinaus.

Messi schießt drüber, Schweinsteiger humpelt zurück auf den Platz. Noch ein hoher Ball, Schweinsteiger geht in das letzte Kopfballduell. Fällt, windet sich. Abpfiff. Die Mitspieler werfen sich auf den liegenden Schweinsteiger. Als er wieder auftaucht, weint er.

Kämpfend, blutend, rennend und spielend führte Bastian Schweinsteiger die DFB-Elf zum Erfolg. Er hat sich verewigt im Finale der WM 2014. Das sahen alle, nur die Fifa nicht. Zum Mann des Spiels wählte sie Mario Götze, den Torschützen. Als das nach dem Spiel in den Katakomben des Estádio do Maracanã publik wurde, drehte sich ein älterer argentinischer Journalist kopfschüttelnd ab und sagte: "Man of se Match is Swainstaigr."

hum

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Malandas Jahrtausendchancen

FC Bayern Muenchen v VfL Wolfsburg - Bundesliga

Quelle: Bongarts/Getty Images

Jetzt, da der Fußballbetrieb still steht, bleibt endlich Zeit für Ursachenforschung, um die Misere von Junior Malanda aufzuklären. Wie kann einer gleich zweimal so eklatant am Toreschießen scheitern? Am ersten Spieltag in München zielte der Wolfsburger aus einem Meter neben das leere Tor - nur eine Woche später gegen Frankfurt dann aus einem halben.

jbe

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Der Größte

Switzerland's Roger Federer reacts after he defeated France's Richard Gasquet during their Davis Cup final singles tennis match at the Pierre-Mauroy stadium in Villeneuve d'Ascq

Quelle: REUTERS

Mit einem dieser erstaunlichen Federer-Momente, die der schon verstorbene US-Autor David Foster Wallace einst auf so wunderbare Weise beschrieb, beendete Roger Federer Anfang Dezember das Match im Davis-Cup-Finale gegen den Franzosen Richard Gasquet. Er setzte einen Rückhand-Stoppball mit leichtem Unterschnitt gefühlvoll direkt hinters Netz - unerreichbar für seinen Kontrahenten.

Es war der entscheidende dritte Punkt im Endspiel gegen Frankreich vor mehr als 27 000 Zuschauern im Fußballstadion von Lille. Der Triumph mit der Schweizer Mannschaft war der letzte große Sieg, der dem 33-Jährigen in seiner formidablen Karriere noch fehlte. Er hat nun alles gewonnen, was der Tennissport an Titeln so hergibt. Er hätte sich und sein Werk hinterher feiern lassen, sich in den Vordergrund heben können. Was aber machte Federer? Er widmete den Davis-Cup-Sieg "seinen Jungs", wie er anmerkte. Auch im Moment des Triumphs bleibt Roger Federer ein echter Champion, einer der größten Sportler, die dieser Planet je hervorgebracht hat. Häng' noch viele Jahre dran, Roger!

schma

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Trauer verboten

FIS Nordic World Ski Championships 2013

Quelle: dpa

Gewinner weinen vor Freude, Verlierer vor Enttäuschung. Tennisspieler werfen aus Wut Schläger auf den Boden, Fußballer treten aus Frust in Werbetonnen. Im Sport geht es um Gefühle - weit mehr als in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens. Umso mehr überraschte jene Entscheidung, die das Internationale Olympische Komitee (IOC) in Sotschi traf. Am 8. Februar traten die norwegischen Langläuferinnen beim Skiathlon an - alle mit schwarzer Armbinde. Denn am Tag zuvor war unerwartet der Bruder von Teamkollegin Astrid Jacobsen verstorben. Es war eine Geste des Mitgefühls, des Gedenkens - doch das IOC hatte etwas dagegen.

Das Komitee hielt das Verhalten der Trauernden für nicht angemessen, sprach eine Rüge aus und bezog sich dabei auf die Olympische Charta. Propaganda ist demnach verboten. Aber fällt Totengedenken wirklich in diese Kategorie, liebes IOC? In diesem Moment in Sotschi wurde klar: Sport hat nicht immer mit Gefühlen zu tun, er kann auch brutal herzlos sein.

sonn

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Ein wichtiger Sieg nach Karriereende

Jahresrückblick 2014 - Thomas Hitzlsperger

Quelle: dpa

Seinen wichtigsten Sieg feierte Thomas Hitzlsperger nach seiner aktiven Karriere. In einem Zeitungsinterview offenbarte der frühere Nationalspieler, dass er als Berufskicker jahrelang seine Homosexualität verheimlichte. Erst als er schon zurückgetreten war, erfuhr der Fußballbetrieb davon. "Es ist für meine Familie und mein Umfeld unwichtig, dass ich über meine Homosexualität spreche, wichtig ist es nur für die Leute, die homophob sind, andere ausgrenzen aufgrund ihrer Sexualität. Und die sollen wissen: Sie haben jetzt einen Gegner mehr," sagte der gebürtige Münchner.

Er hatte mit sich gerungen, gehadert und den richtigen Zeitpunkt abgewartet. Schlimm genug, dass die sexuellen Präferenzen eines Profisportlers überhaupt ein Thema sind. Ebenso schlimm, dass Hitzlsperger aus Angst vor den Reaktionen der Mitspieler und Fans lange zur Zurückhaltung gezwungen war. Für Hitzlsperger bedeutete sein Coming-Out einen mutigen Schritt - und er war erfolgreich: Die Reaktionen fielen durchweg positiv aus, auch in den Fankurven. Der 32-Jährige leistete mit seiner Offenheit einen wichtigen Beitrag zu mehr Normalität im Umgang mit Homosexualität. Hitzlsperger als Türöffner, auch diese Erkenntnis bleibt hängen aus dem Jahr 2014.

schma

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"Sedschi!"

Brazil v Germany: Semi Final - 2014 FIFA World Cup Brazil

Quelle: Getty Images

Am Tag nach 1:7 im Estádio Mineirão ist über Brasilien tatsächlich die Sonne aufgegangen. Am übernächsten auch. Doch das Land hatte sich dennoch verändert. Die zahllosen Geschäfte mit den gelb-grünen Hemden, den Perücken und Lärminstrumenten aus Plastik eröffneten mit komplett neuen Preisen. Sieben Tore machten aus wertvollen Produkten fast Wegwerfartikel.

In der Stadt des Halbfinal-Debakels der eigenen WM traf sich die Nation zum Beispiel in der Avenida Álvares Cabral, oberhalb des Parks von Belo Horizonte, in einer Kneipe mit frisch gepressten Säften. Einen halben Liter morango, laranja, melão (Erdbeere, Orange, Melone) für zwei Euro. "Sind Sie aus Deutschland?" Leider nicht zu verbergen. Alle gratulierten, lachten, klopften auf Schultern.

Doch die Brasilianer vergaßen den Deutschen bald, redeten stattdessen nur noch von ihren, nun ja, Fußballern. In jedem Satz kam das Wort "sete" vor, sieben. "Sedschi", wie sie hier sagen. "SEDSCHI!" riefen sie und rissen dabei die Augen auf. Sedschi ist eigentlich eine biblische Zahl und genießt in Brasilien einen guten Ruf. Vorbei. Sollte es im Land eine Gesellschaft für brasilianische Sprache geben, sie musste das Unwort des Jahres 2014 nicht mehr suchen.

hum

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Guardiolas Taktikspielchen

Real Madrid v FC Bayern Muenchen - UEFA Champions League Semi Final

Quelle: Martin Rose/Bongarts/Getty Images

So ein Spiel hatte Pep Guardiola in seiner Trainerlaufbahn noch nie erlebt. Der große Taktik-Tüftler, der sich vor jeder Partie haarklein auf den Gegner vorbereitet - ausgespielt von seinem Gegenüber Carlo Ancelotti. Die Bayern fielen beim 0:4 im Halbfinal-Rückspiel der Champions League völlig auseinander. Im Mittelfeld herrschte ein Riesen-Vakuum, hinten trabten die Münchner nur hinterher, die Madrilenen konterten wie auf dem Trainingsplatz.

Von Guardiola kam hinterher eine bemerkenswerte Reaktion. "Es war heute ein Riesenfehler vom Trainer", sagte der Katalane, "du brauchst viele Spieler im Mittelfeld, um Konter zu unterbinden. Heute hatten wir nur Bastian und Toni." Doch genau diese beiden waren dem ICE-Fußball um Ronaldo, Bale und Benzema nicht gewachsen. Noch nie wurde eine Guardiola-Mannschaft so dermaßen zerlegt. Für die Münchner endete eine vielversprechende Saison auf internationaler Bühne mit einer krachenden Pleite. Für ihren Trainer wuchs die Erkenntnis: Nur mit Offensive lässt sich kaum bestehen.

jbe

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Österreicher in Sotschi

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Quelle: AFP

Die Gastfreundlichkeit der Österreicher ist grenzenlos, sogar der russische Präsident Wladimir Putin wurde reingelassen. Das Österreicher-Haus war die Stätte der besten Partys der Winterspiele von Sotschi. Nirgends wurden die Medaillengewinner lauter besungen, nirgends wurde maßloser gesoffen und deftiger gespeist als im "Austria-Tirol-Haus". Ein Ort österreichischer Glückseeligkeit.

Als dann auch noch in Matthias Mayer ein junger Abfahrer mit der Goldmedaille hereinspaziert kam, drohte die kleine Holzhütte am Ortsausgang von Krasnaja Poljana zu bersten. Und Putin? Zeigte sich zumindest bei seinem Besuch als netter Mann. Setzte sich zu den "Zillertaler Sängern", stieß mit einem Stamperl an, sang sogar ein paar Takte von "Die Almhüttn" mit. Auch der Kreml-Chef wäre in diesem Moment gerne ein Österreicher gewesen.

ebc

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Regen in Vigo

Spain v Germany - International Friendly

Quelle: Matthias Hangst/Getty Images

Als Joachim Löw endlich ein Sieg gegen DEN Rivalen seiner Bundestrainer-Ära gelang, schluchzte der Himmel. Vielleicht waren es Freudentränen, denn der DFB hatte lange auf so einen Erfolg gewartet. Der spanische Verband hatte sich als Spielort für das letzte Länderspiel des Jahres die Stadt Vigo ausgesucht - eine wettertechnisch interessante Wahl.

Es stürzten solche Wassermassen vom Himmel, dass schon der Weg zum Stadion Balaídos Schwimmunterricht war. Die Arena selbst glich einer Ruine, es pfiff durch offene Löcher, die Katakomben bröckelten marode vor sich hin. So muss Fußball vor 40 Jahren gewesen sein. Doch die Nebengeräusche beeindruckten die Spieler kaum. Trotz zahlreicher Ausfälle (auf beiden Seiten) gelang Löws Männern ein 1:0, das Toni Kroos mit einem Wuchtschuss kurz vor Schluss sicherstellte. Spätestens da war klar: 2014 wird trotz einiger Hänger im zweiten Halbjahr als einmalig in Erinnerung bleiben.

Als die Spanier besiegt waren, drängte sich das DFB-Personal durch das herrlich chaotische Tunnelwerk unter dem Stadion. Männerleiber drückten sich aneinander, Spanier, Deutsche, Reporter, Balljungen - alle suchten Schutz vor dem Sauwetter. Nur weinen wollte außer dem Himmel niemand.

jbe

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Zurück im Wohnzimmer

Novak Djokovic Ser And Boris Becker TENNIS Wimbledon 2014 xTennisMagazinex PUBLICATIONxNOTxINxF

Quelle: imago/PanoramiC

Boris Becker hat 1999 seine Karriere als professioneller Tennisspieler beendet. 49 Turniere konnte er im Einzel gewinnen, darunter dreimal das berühmteste Turnier der Welt in Wimbledon. Er hatte danach nichts mehr gefunden, was er so gut konnte, wie den Filzball mit Wucht und Raffinesse übers Netz zu spielen. Er hat vieles probiert, vieles ist misslungen, bisweilen hat sich "Bobbele" in Deutschland ein wenig lächerlich gemacht mit all seinen beruflichen und privaten Geschichten. Bis es endlich geklappt hat mit der neuen Berufung. 15 Jahre nach seinem Karriereende.

Jetzt durfte er die emotionalste Zeit seit dem Karriereende erleben, wie er selbst erklärte. Er gewann als Trainer des Serben Novak Djokovic in diesem Sommer zum vierten Mal in Wimbledon. 25 Jahre hatte er den Siegerpokal nicht mehr anfassen dürfen. Dann stand er vor ihm, wie vor seiner ersten Liebe. Er hat den Pokal gestreichelt, in die Höhe gereckt. Boris Becker sagt: "Das war bewegend." Schön, dass es Wimbledon gibt und der 47-Jährige nur einen Steinwurf vom heiligen Tennisrasen entfernt wohnt. Von seinem früheren "Wohnzimmer", das er sich dank Djokovic wieder häuslich eingerichtet hat. Boris Becker wird wieder ernstgenommen in Deutschland.

schma

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Evi Sachenbacher-Stehle

Evi Sachenbacher-Stehle

Quelle: Kay Nietfeld/dpa

Die Ungewissheit war groß an diesem Morgen im deutschen Olympia-Lager, die Bestürzung überall greifbar. Bei den Athleten, beim DOSB-Präsidenten, sogar bei den Journalisten im Pressezentrum. Nicht Ukrainer oder Weißrussen hatten für den ersten Dopingfall der Winterspiele in Sotschi gesorgt, sondern das deutsche Team. Stundenlang war nicht klar, um wen es sich handelte. Die Gerüchte wurden wild, tröpfchenweise sickerten die Informationen durch. Um einen Biathleten oder eine Biathletin sollte es sich handeln. Am Mittag dann der Name: Evi Sachenbacher-Stehle.

Am Abend zuvor hatte sie noch gut gelaunt im Deutschen Haus zu Abend gegessen. Nun war es um ihren Ruf geschehen. Eine verbotene Substanz in einem Nahrungsergänzungsmittel. Kein besonders schwerer Fall von Doping, aber dennoch. Ihre Strafe wurde zwar verkürzt, aber die Athletin zog die Konsequenzen: Sie beendete ihre Karriere.

ebc

© SZ.de/jbe
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