Sportler an Weihnachten:Alle besinnlich - völlig verrückt!

Früher war Weihnachten für Profi-Sportler das Partyfest schlechthin: Burger-Essen und Feiern mit den Hiphop-Buam inklusive. Jetzt sitzen plötzlich alle Daheim und besinnen sich. Es muss sich um einen neuen amerikanischen Trend handeln: Extreme-Christmassing.

Thomas Hahn

In verschiedenen Umfragen zum Thema "Stade Zeit und Sportprominenz" hat sich herausgestellt, dass der deutsche Spitzensportler an den Weihnachtsfeiertagen nach Besinnlichkeit strebt und das Christfest deswegen eher ruhig angeht: im Familienkreise, mit geschmücktem Baum sowie "am reich gedeckten Gaben- und Esstisch" (Sportinformationsdienst).

Aber das kann doch eigentlich gar nicht wahr sein. Das ist eine solche Überraschung, dass plötzlich ernsthaft infrage steht, ob es sich bei den nationalen Medaillen- und Titelsammlern wirklich um jene jugendlich-lässigen Siegertypen handelt, als die sie in ihrem Alltag und in der Werbung regelmäßig auftreten. Oder ob sie sich zu Marionetten der Lametta- und Holzkrippenfiguren-Industrie haben machen lassen.

Besinnlichkeit an Weihnachten? Das war doch noch nie da. Vermutlich handelt es sich dabei wieder um so einen verdorbenen Trend aus Amerika, Extreme-Christmassing oder so, der sich wie eine Epidemie unter den Reichen und Schönen des deutschen Sports ausgebreitet hat, ausgehend von der Alpin-Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch natürlich, die bis vor Kurzem eine aktive und gerade an Weihnachten ausgelebte Freundschaft zu ihrer US-Kollegin Lindsey Vonn unterhielt.

Weihnachten. War das für die Sportler nicht immer das Fest des Rumschnippens und Abtanzens? Möglichst früh raus mit den anderen, ein paar Burger gezogen im Schnellrestaurant und ab auf die Piste? Und zwar nicht auf die Skipiste, damit hier kein Missverständnis entsteht.

Gerade bei der Biathlon-Olympiasiegerin Magdalena Neuner, die trotz ihres weiterlaufenden Trainingsbetriebs natürlich voll in die neue Besinnlichkeitsmode eingestiegen ist ("Ich mag die weihnachtliche Atmosphäre und ein paar besinnliche Tage"), ging doch immer gepflegt der Punk ab: ab sechs mit wummerndem Ghettoblaster auf der Schulter durch den Ort Richtung Werdenfelser Party-Meile, in dezibelstarker Begleitung der Wallgauer Hiphop-Buam und des Headbanging-Vereins Krün/Mittenwald.

Alles vergessen. Stattdessen stellt sich ein FC-Bayern-Präsident Hoeneß hin und redet daher, als sei die gute alte Heilig-Abend-Disco gar nichts mehr wert, das weihnachtliche Abspielen entrückender Festlieder wie Highway to Hell oder Born in the USA, das rastlose Rumhüpfen im Schein flackernden Buntlichts, das ohrenbetäubende Hartrock-Geschrammel, das jeden Familienfrieden aufs Lauteste zerschießt.

"Wir werden zusammensitzen und gut essen", sagt Hoeneß und fügt frech hinzu: "Gar keine Frage." Er ist nicht der einzige. Alle machen mit. Alle sind besinnlich. Total verrückt.

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