Sportbund will Ausweis für Mitglieder:Wettkampfpass als Kundenkarte

In aller Stille fädelt der Deutsche Olympische Sportbund einen Sportausweis für alle 27 Millionen Vereinsmitglieder ein, der dem Verband viel Geld bringen soll.

Thomas Hahn und Thomas Kistner

Wenn am Samstag in der Handelskammer Hamburg die Vollversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) über die Bühne geht, soll Punkt 9 der Tagesordnung alle fesseln: Münchens Winterspiel-Bewerbung 2018. Doch ist der Beschluss reine Formsache und kein endgültiges Okay: Er kann bis Herbst 2009 revidiert werden, etwa, falls die Finanzierung wackelt. Indes plagt auch den DOSB große Geldnot, und weil die Funktionäre zur Behebung derselben im Stillen allerlei ausgeheckt haben, verspricht der nachfolgende Tagesordnungspunkt 10 mehr Brisanz. Der lautet harm- und schmucklos: Deutscher Sportausweis. Als wüsste da jeder, was gemeint ist: Eine ganz normale Mitgliedskarte?

Thomas Bach DOSB

Schlüsselfigur in der Massen-Bewegung: DOSB-Präsident Thomas Bach.

(Foto: Foto: Reuters)

Millionen Sporttreibende sind betroffen von einer Neuerung

"Das ist der vorrangige Grund", sagt DOSB-Medienchef Gerd Graus, räumt aber ein, man könne "so eine Karte sicher später mal um Vermarktungs- möglichkeiten erweitern". Die indes hat der DOSB schon ganz konkret im Blick, und es ist noch nicht abzuschätzen, ob diese neue Sache Segen oder Unheil bedeutet. Sicher ist: Hinter dem Deutschen Sportausweis verbirgt sich ein Thema, das die 90.000 Vereine im Land mit 27 Millionen Mitgliedschaften brennend interessieren muss. Millionen Sporttreibende sind betroffen von einer Neuerung, die sie nicht kennen, die aber am Samstag schon zur Beschlussfassung stehen soll.

Im Bericht des DOSB-Präsidiums läuft das Projekt Sportausweis unter "Konsolidierung der Finanzlage", was die Motivation der Sportregierung illustriert: Sie hat das Vereinsmitglied als Vermarktungsobjekt entdeckt und buhlt mit dem Millionenheer aus potentiellen Kunden um Wirtschaftspartner. In ihrem "Drittvermarktungsmodell" verheißt die geräuschlos im Frühjahr gegründete Deutsche Sportausweis GmbH (DSA) der Industrie ganz offen den "Zugriff auf größte Community". Die neue Karte will sie erst als nationalen Mitgliedsausweis etablieren, um sie dann mit zusätzlichen Funktionen zu einer Kundenkarte auszubauen, welche die Vereinsmitglieder an ihre Sponsoren bindet. Der Kooperationsvertrag zwischen DSA und den Sportverbänden definiert als Karteninhalt: "Mitgliedausweis in Sportvereinen, Wettkampfpass, Beschreibung von Schnittstellen zur Integration von Mitgliederdaten in die gängige Vereinssoftware, Anschluss an Kundenbindungs- und/oder Vorteilsprogramme von Wirtschaftspartnern, optionale PrePaid-Funktion, optionale Kreditkarte als Zweitkarte" - letztere Dinge, klar, mit Einwilligung der Ausweisinhaber. Aber der soll schon ein wenig bearbeitet werden. Vertraglich fordern sich die Sportverbände auf, ihren Vereinen den Einsatz des Sportausweises "dringend zu empfehlen" - und "weitere Einsatzmöglichkeiten" zu prüfen.

Seit langem wird um das Millionenarchiv der größten Personenvereinigung im Land gerungen. "Auch wir hatten ein Vorteilsprogramm für Mitglieder eruiert", sagt DFB-Chef Theo Zwanziger, es habe aber nicht funktioniert. Klar sei: "Es geht nur um die Adressen." Wie begehrt sie für die Werbewirtschaft sind, weiß auch die DSA. Sie definiert fleißig Werbeformen wie "Magazin, Newsletter, Direct-Mailings und Mobiles Marketing über DSA-Datenbanksystem" - während ihre Muttergesellschaft Athletic Sport Sponsoring (ASS) bereits via Website ein "einzigartiges Zielgruppenmarketing" ankündigt: Sie könne "mit unseren Wirtschaftspartnern die rund 27 Millionen organisierten Vereinsmitglieder deutscher Sportvereine in viele kleine, mittlere oder große exklusive Zielgruppen einteilen" - nach Funktion oder Region, Sportart oder Geschlecht.

Der Sportausweis "soll zum 1. Januar 2008 endlich Wirklichkeit werden"

Nun schätzt nicht jeder Klubsportler Mail- und Reklamefluten. Daher verwundert, was der DOSB via Präsidiumsbericht verkündet: Der Sportausweis "soll zum 1. Januar 2008 endlich Wirklichkeit werden". Endlich? Dafür wirkt das Meinungsbild innerhalb der DSA-Gesellschaftergruppen (DOSB, Landessportbünde, Fachverbände) arg uneinheitlich. Und von den wichtigsten Mitspielern bei dem Millionen-Deal, den Vereinen, wissen bisher nur wenige von ihrem Glück. Kürzlich erst tagten die Landesbünde und ließen sich über das Vorhaben aufklären. Ergebnis: Grundsätzlich zustimmende Kenntnisnahme, aber nicht ohne Bedenken. Fragen des Datenschutzes stehen im Raum, Fragen nach dem administrativen Aufwand durch die neue Qualität der Datenpflege, sowie steuer- und organisationsrechtliche Fragen.

Wettkampfpass als Kundenkarte

"Da ist die Republik sehr gespalten", sagt Thomas Kern, Pressesprecher des Bayerischen Landessportverbands. Die Haltung des BLSV sei "zurückhaltend": "Wir geben unsere Daten ungern an Dritte." Auch der Landessportbund Baden-Württemberg steckt laut Hauptgeschäftsführer Rainer Hipp "in der Überlegungsphase". Dabei kam die Karten-Idee aus seinem Haus, 2004 startete auf Vermittlung der ASS ein Pilotprojekt mit einem Warenhaus. Es verhieß Rabatte für Mitglieder, eine Einnahmequelle für den Verband, gerade große Vereine erhofften sich Erleichterung bei der Mitgliederverwaltung. Aber "es hat sich etwas gedämpft", sagt Hipp. Weil jedes Vereinsmitglied aus Datenschutzgründen selbst über die Funktion seiner Karte entscheiden muss, wurde es kompliziert. Aus kartellrechtlichen Gründen konnte das Warenhaus auch keine außergewöhnlichen Rabatte gewähren, es stellte sich die Frage der Verhältnismäßigkeit. Das Projekt endete 2006. Hipp sagt: "Das Konzept, in dem jeder eine Win-Win-Situation hat, konnte nicht so rübergebracht werden."

"Ein so großes Projekt sollte datenschutzrechtlich sehr sorgfältig geprüft werden"

Die Befürworter sind weniger zurückhaltend, etwa der Landessportbund Niedersachsen, der ins Pilotprojekt eingebunden war. "Wir haben den Sportausweis schon", sagt Direktor Reinhard Rawe stolz, wobei sein Ausweis gleich wie die erste große Werbekampagne für das Projekt wirkt: Rawes Sportbund hat ihn als "Dankeschön-Karte" an 90.000 Funktionäre und Übungsleiter in den Klubs verteilt, die Warenhaus-Rabatte genießen.

Rawe zählt seinen Landessportbund zu den "glühenden Anhängern" - die sehen alle Datenschutzprobleme schon gelöst: Zwar sollen die Vereine die Karten ausgeben und auch darüber entscheiden, mit welchen kommerziellen Angeboten sie geladen werden - aber ob sie genutzt würde, liege allein beim Mitglied. Außerdem seien die Karten anonymisiert. Aber ist es so einfach? Laut Bundesamt für Datenschutz wollen Konzerne hinter derlei Kundenkarten generell gern "für die Rabattgewährung" etwas über den Kunden erfahren. Konsumgewohnheiten oder soziale Verhältnisse würden abgefragt "oder subtil über das tatsächliche Kaufverhalten in Erfahrung gebracht". Die Daten ermöglichen dann Konsumentenprofile, was sich bis hin zu manipulativen Werbeformen auswirken könne. Konkret befasst aber waren die Datenschützer noch nicht mit diesem Projekt. Jedenfalls weder das für den DOSB und die geplante Sportausweisverwaltungs GmbH zuständige Regierungspräsidium Darmstadt, noch die Kollegen im für die DSA zuständigen Nordrhein-Westfalen, teilte die Darmstädter Regierungsdirektorin Renate Hillenbrand-Beck mit: "Ein so großes Projekt sollte datenschutzrechtlich sehr sorgfältig geprüft werden." Die Einwilligung von Vereinsmitgliedern müsse auf freier Entscheidung basieren und "gut informiert" sein, auch sei die Zwangskoppelung mit Kundenkarte zu vermeiden und dass "keine Konsumprofile an Vereine und Sportbünde zurückfließen". Laut DSA-Geschäftsführer Stephan Penz ist das berücksichtigt, was indes den artikulierten Projekten der DSA-Muttergesellschaft widerspricht.

Kosten für Dienstreisen in Höhe von 800.000 Euro

Das ganze Projekt steht und fällt mit den Vereinen, aber Rawe meint, in seinem Landesbund den Nutzen des Ausweises deutlich machen zu können. Dazu müssten sie es jedoch erst einmal wissen. Bei Eintracht Hildesheim etwa, mit über 7500 Mitgliedern größter Verein Niedersachsens, wundert sich Vorstandschef Rolf Altmann sehr. Sein Verein hat auch bald eine Karte, aber in Kooperation mit dem Turnerbund. Vom Sportausweis hat er nie gehört: "Das wurde unzureichend kommuniziert." Er fragt sich, wie gut die Wirtschaftspartner auf regionaler Ebene mit den nationalen auskommen würden. Stephan Penz sagt zur heiklen Koordinierungsaufgabe: "Dafür sind wir da."

Auf Null kürzen will das DOSB-Präsidium übrigens den "Innovationsfonds Breitensport". Zugleich rügen die Landessportbünde, dass der DOSB 2008 für Dienstreisen 800.000 Euro ausgeben wolle. Auch sieht der Posten "Papier, Druck, Dienstwagen" 1,8 Millionen Euro vor. Für die Verkündung der DSA-Gründung im Frühjahr hat es trotzdem nicht gereicht.

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