Sport im Fernsehen:Dringend überdacht

Rechnungshöfe kritisieren die ARD/ZDF-Sportrechteagentur SportA: Es geht um undurchsichtige Vertragsverhältnisse, viel Geld und Handlungsmuster aus dem Profisport.

Christopher Keil

1995 machten ARD und ZDF bei einer Agentur gemeinsame Sache, die sehr schnell eine herausragende Rolle für das Programm spielen sollte. Jeweils zu 50 Prozent beteiligt schickten die öffentlich-rechtlichen Anstalten die SportA in den Wettbewerb um den Ankauf und das Marketing von Sportrechten. Sport ist im Ersten und Zweiten das einzige Programmfeld, in dem auch in der unterhaltungsrelevanten Zuschauergruppe der 14- bis 49-Jährigen konstant hohe Quoten erzielt werden. "Die SportA", schrieb jetzt der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH), "wurde von ARD und ZDF unter dem Eindruck der Konzentrationsentwicklungen durch die Sportrechteagenturen der Medienkonzerne Kirch und Bertelsmann gegründet".

Sport im Fernsehen: ARD-Moderatorenteam Delling (li.) und Netzer: Erstmals konnten jetzt Rechnungsprüfer die ARD/ZDF-Sportrechteagentur SportA durchleuchten.

ARD-Moderatorenteam Delling (li.) und Netzer: Erstmals konnten jetzt Rechnungsprüfer die ARD/ZDF-Sportrechteagentur SportA durchleuchten.

(Foto: Foto: dpa)

Erstmals konnte der ORH, der die finanzielle Situation des Bayerischen Rundfunks (BR) untersucht, die 100-prozentige ARD/ZDF-Tochter kontrollieren. Jahrelang hatte er auf politischer Ebene darum gekämpft, sich auch die Beteiligungen der Öffentlich-Rechtlichen genau anschauen zu dürfen. Der neuste Prüfbericht - in Zusammenarbeit und Beratung mit dem Rechnungshof Rheinland-Pfalz entstanden, der für das ZDF zuständig ist - beschäftigt sich unter Punkt 11 auf neun Seiten mit der "SportA GmbH, München". In den Jahren 1999 bis 2006 schrieb das Unternehmen demnach Umsätze in Höhe von 118 bis 206 Millionen Euro und Bilanzverluste in Höhe von 2,8 Millionen (1999) sowie -gewinne in Höhe von zwei Millionen Euro (2002).

Was die Staatsrechner zusammentrugen, ist in weiten Teilen eine nüchterne Beschreibung der operativen Aufgaben einer Sportrechteagentur. So bündelt die SportA den Lizenzerwerb und die damit häufig verbundenen Sublizenzierungen für die neun Landesrundfunkhäuser der ARD und für das ZDF. Auch beim komplizierten Bieterverfahren um Live-Rechte, die Highlightverwertung und Drittrechte der Fußball-Bundesliga behaupteten sich ARD und ZDF mit Hilfe der SportA beziehungsweise ihrer Finanzkraft, so wie bei internationalen Großereignissen, Olympischen Spielen etwa, Weltmeisterschaften auch der Reiter und in Sommer- und Winterdisziplinen.

15 Millionen für Experten

Die frühere Geschäftsführerin der SportA, Dagmar Brandenstein, brachte die mit öffentlichen Mitteln ausgestattete Agentur mit zwei Abschlüssen in die Spitze der nationalen Sportrechte-Firmen: für 115 Millionen Euro sicherte sie ARD und ZDF 2007 die Fußball-EM 2008. Bereits 2005 vergab der Fußball-Weltverband Fifa die Free-, Pay-TV- und Internetrechte ans Erste und Zweite, Kosten: circa zwischen 150 und 180 Millionen Euro. Ein Schnäppchen. 2006 verbrauchten 16 SportA-Mitarbeiter Gehälter in einer Gesamthöhe von 1,4 Millionen Euro, was einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 87500 Euro entspricht und nach Auffassung des ORH "maximal in Höhe der Gehälter für vergleichbare Funktionen beim BR" liege.

Noch besser verdienten prominente aktuelle und frühere Sportler als Co-Moderatoren. 2003 gaben ARD und ZDF für "Mitwirkende" 2,6 Millionen Euro aus. Für den Zeitraum 1999 bis 2006 "ergeben sich Honorarverpflichtungen von insgesamt rd. 15 Millionen Euro" - nur für die ARD. "Zu den Mitwirkendenvereinbarungen", so der Prüfbericht, "vertreten die Rechnungshöfe die Auffassung, dass die bisherige Honorierungspraxis dringend überdacht werden sollte". Die Höhe der Gagen scheine "mit der Verpflichtung der Anstalten zum sparsamen Umgang mit Gebührengeldern nur schwer vereinbar" zu sein.

Ausdrücklich kritisiert haben die Finanzkontrolleure "die mangelnde Dokumentation der Abstimmungshandlungen mit den Anstalten". Aussagekräftige Unterlagen zu den Überlegungen, "die im Rahmen der Entscheidungsfindung angestellt" werden, seien unverzichtbar, fehlten aber in der Vergangenheit. Deshalb ist offenbar kaum nachzuvollziehen, warum welcher Experte wieviel verdient, abgesehen davon, dass die ARD ihre Expertenriege zuletzt stark verkleinert hat.

Wie im Profisport

Derzeit wird die SportA von Jörg Augustin und Maike Bremer geleitet, der Intendant des BR, Thomas Gruber, ist Vorsitzender des Aufsichtsrats. "Unverständlich" finden die Rechnungshöfe, "dass trotz bestehender, noch zwei Saisons umfassender vertraglicher Verpflichtungen Verträge vorzeitig und mit einer deutlichen Erhöhung der ursprünglich vereinbarten Honorare verlängert wurde. Hier wurden offensichtlich Handlungsmuster aus dem Bereich des Profisports auf den Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks übertragen".

Gegen diese Empörung ließe sich einwenden, dass ARD und ZDF zur Gesellschaft zählen, und wenn kommerzieller Sport übertragen wird, dann unterliegt man als TV-Veranstalter auch in der Präsentation den Regeln des Kommerzes. Dann allerdings müssten sich beide Sender auch ganz grundsätzlich wie Unternehmen der Gesellschaft behandeln lassen. Und gegen das, was man da in den Apparaten, der Verwaltung, auch in den Redaktionen- nicht am Programm - sparen könnte, machen sich die Honorare der Experten wie Peanuts aus. In einer Stellungnahme an den ORH sicherte die SportA zu, "dass der als zu gering beanstandeten Dokumentationsdichte bei künftigen Projekten abgeholfen werden soll".

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