Spielerberater:Raiola scheffelt Millionen mit Pogba & Co

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Spielerberater Mino Raiola verdient gerne Geld. Viel Geld. Zum Beispiel mit Ibrahimovic oder Pavel Nedved. (Foto: imago sportfotodienst)
  • Erst trompeten, dann kassieren: Der gefürchtete Spielerberater Mino Raiola nimmt Rekordsummen ein, weil er Deals wie kein Zweiter einfädelt.
  • Im Fußball hat er Millionen verdient - Klienten wie Ibrahimovic, Pogba oder Mkhitaryan vertrauen ihm blind.

Von Birgit Schönau, Rom

Kein Fußballer war teurer als Paul Pogba: 105 Millionen Euro zahlte Manchester United im vergangenen Sommer für den 23 Jahre alten Franzosen von Juventus Turin, eine neue Rekordsumme. Dafür, dass sie vielleicht schon bald wieder übertrumpft wird, könnte jener Mann sorgen, der am Pogba-Transfer 27 Millionen Euro verdient hat: Pogbas Agent Carmine, genannt Mino Raiola, 48 Jahre alt - Sohn eines in die Niederlande emigrierten Kfz-Mechanikers, der in Haarlem zum Restaurantbesitzer avancierte.

Rein äußerlich erinnert Mino Raiola frappierend an den italo-amerikanischen Schauspieler James Joseph Gandolfini jr., den Tony Soprano aus der gleichnamigen Mafia-Serie. Geboren wurde der Agent in Nocera Inferiore, einem Nest zu Füßen des Vesuv, das in dieser Woche mit folgender Schlagzeile landesweit Beachtung fand: "Schon wieder Wilder Westen in Nocera - zwei Schießereien und ein Verletzter."

Fußball
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Juventus bestätigt monströse Gebühr bei Pogba-Transfer nach Manchester. NBA-Topfavorit Golden State unterliegt zum Saisonauftakt. Lukas Podolski trifft im Pokal dreimal für Galatasaray Istanbul.

Das "schon wieder" im Titel der Zeitung Il Mattino sollte zart den Wiederholungsfall andeuten, wobei in dieser Gegend unweit von Neapel natürlich weder Cowboys noch Indianer am Werk sind, und auch keine Sopranos - sondern Angehörige der ungleich weniger folkloristischen Verbrecherorganisation Camorra. Die hervorstechendste Eigenschaft von Nocera Inferiore sind jedoch nicht die juckenden Revolverfinger seiner Einwohner, sondern die Tatsache, dass jedes Navi-Gerät in diesem Ort kapitulieren muss: zu verwinkelt, zu unübersichtlich, ein Labyrinth aus grauen Mauern und darauf gekleisterten Todesanzeigen. Wer sich dort zurechtfindet, wird es überall schaffen, in den aufgeräumten Niederlanden sowieso.

Die Karriere als verkrachter Jura-Student

Noch bevor Italiens Fußball-Serienmeister Juventus Turin am Dienstag offiziell die an Raiola gezahlte Summe bestätigte, trieb der Berater eifrig seine nächsten Pferde auf die Bahn: Gianluigi Donnarumma, 17-jähriger Torwart des AC Mailand, der soeben sein Debüt in Italiens Nationalelf gegeben hat, sei 170 Millionen Euro wert, verkündete Raiola. Ein Juwel sei der Junge, "und Juwele müssen im Schaufenster stehen". Bei Milan verstanden sie die Botschaft sofort. Das Schaufenster der glorreichen Associazione Calcio leuchtet nämlich gerade nur in Italien - international sind die Lichter seit Jahren ausgegangen. Und zwar ziemlich genau zu dem Zeitpunkt, da in Zlatan Ibrahimovic ein anderer Raiola-Schützling den AC verließ.

"Raiola ist ein teurer und gewandter Wirt", seufzte Milan-Manager Adriano Galliani in eine Fernsehkamera, "absolut unverzichtbar für die Vertragserneuerung von Donnarumma." Das "leider" vor dem unverzichtbar verkniff sich Galliani gerade noch. Den "Wirt" hatte er hingegen sehr bedacht platziert. Raiolas Spitzname in der Branche ist "pizzaiolo", Pizzabäcker. Er selbst präzisiert gelassen, er sei nie Koch gewesen, höchstens Kellner.

Wenn das Torwart-Talent "Gigio" Donnarumma Ende Februar volljährig wird und über seine Zukunft verhandeln kann, dürfte Galliani nach drei Jahrzehnten bei Milan ohnehin schon das Feld geräumt haben. Bis Jahresende will sein Boss Silvio Berlusconi den Klub an eine mysteriöse Gruppe chinesischer Investoren verkaufen. "Mal sehen, was die Chinesen von Fußball verstehen", sagt Raiola. Berlusconi, der einst allmächtige Fußball- und Fernseh-Herrscher muss aufs Altenteil.

Für Raiola hingegen dürften die goldenen Zeiten erst noch kommen. "Mein Tipp für den Transfermarkt 2017 wäre Moise Kean", sagt er - ein noch vollkommen unbekannter italienischer Angreifer mit familiären Wurzeln in der Elfenbeinküste. Derzeit ist Kean, gerade 16 Jahre alt, bei Juventus unter Vertrag. Angeblich ist Arsenal bereits interessiert, angeblich zieht Juve schon die Zugbrücke hoch. Man möchte wetten, dass im Sommer alles spruchreif ist.

Genau wie bei Henrikh Mkhitaryan, den Borussia Dortmund mit Raiolas Hilfe für 42 Millionen Euro an Manchester United verkaufte. Rekord für die BVB-Vereinshistorie, Rekord für einen Spieler mit einem Jahr Rest-Vertragslaufzeit. Das Übliche für Raiola. "Meine Karriere als Vermittler begann im Restaurant meiner Eltern", hat er einmal in einem Zeitungsinterview gesagt, "zu uns kamen niederländische Händler, die Waren geordert hatten, die nie ankamen. Sie sagten mir: Mino, übernimm du das. Ein Anruf für mich und das Problem war gelöst. Da habe ich eine Firma gegründet." Mit dem schönen Namen "Intermezzo".

Weil auch der Präsident des Fußballklubs von Haarlem irgendwann zu Mino "übernimm du das" sagte, stieg der junge Raiola, der als Spieler keine große Nummer war, bei HFC Haarlem ein. Zuerst kümmerte er sich um die Jugendmannschaft, dann wurde er Sportdirektor, irgendwann versuchte er, den Klub an den SSC Neapel zu verkaufen. Daraus wurde nichts, aber der verkrachte Jura-Student Raiola avancierte kurz darauf zum Repräsentanten vieler niederländischer Profis.

Bald eroberte er auch andere Mandanten. Den Tschechen Pavel Nedved machte er zunächst zum bestbezahlten Spieler bei Lazio Rom, dann zum Bestverdiener bei Juventus. Inzwischen sitzt Nedved, 44, im Juve-Vorstand. Und Raiola ist laut Forbes die Nummer fünf unter den erfolgreichsten Agenten der Welt. Mehr Geld als er scheffeln angeblich nur José Otin (Berater von Fernando Torres und Javier Martínez), der Kölner Volker Struth (Marco Reus, Mario Götze, Toni Kroos, Benedikt Höwedes), Jonathan Barnett (Gareth Bale, Ashley Cole) - und die Nummer eins: Jorge Mendes, Zwischenhändler von Cristiano Ronaldo, James Rodríguez und ManUnited-Trainer José Mourinho.

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Raiola ist auf dem besten Weg, auch diese Konkurrenten noch zu übertrumpfen. Der Mann ist schlicht schillernder als die anderen. Statt im stillen Kämmerlein zu arbeiten und auf seriös zu machen, nutzt er sein Showtalent. Ob er wirklich sieben Sprachen spricht, sei dahingestellt, wichtiger ist: Er redet eigentlich immer, und nie interessiert ihn sein Geschwätz von gestern. Das ist Teil seiner Strategie.

Wenn seine Schützlinge auf dem Platz positiv aufgefallen sind, trompetet Raiola prompt für sie Fantasietransfersummen in die Welt, und die Medien finden dazu eilfertig angebliche Interessenten. Der betroffene Spieler wird in den folgenden Monaten von seinem bisherigen Arbeitgeber quasi weggeschrieben, und wundersamer Weise ist er am Ende tatsächlich genau oder doch zumindest annähernd jene unfassbare Summe wert, die Raiola für ihn festgesetzt hatte.

So wie Pogba, obwohl er weder bei Juventus Turin noch im französischen Nationalteam bei der EM die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt hatte. Doch der Fußballmarkt funktioniert wie die Aktienmärkte. Hypes werden geschaffen, Blasen konstruiert. Am Ende verdienen die geschicktesten "Vermittler". Leute wie Raiola, die selbst ein alter Hai wie Galliani für unverzichtbar hält.

Man mag das unmoralisch finden. Aber was ist eigentlich irrer: 105 Millionen Ablöse für einen 23-Jährigen oder 27 Millionen für einen Geschäftsmann, der mit Fußballern handelt wie andere mit Luxusimmobilien oder Bildern? Spieleragenten werden von den Klubs geschmäht, aber offenbar auch gebraucht. Sie sind ihr Geld wert, weil sie den Transfermarkt befeuern und Karrieren schaffen.

Im Übrigen sind sie keine Ausgeburt unserer Zeit, ihr Job ist vielmehr so alt wie das Spektakel selbst - und wie die Spekulation mit dem menschlichen Bedürfnis danach. Im alten Rom hießen die Agenten der Gladiatoren "Lanistae". Oft handelte es sich um ehemals Aktive, die die Jungtalente betreuten, die Preise für sie in die Höhe trieben und aufpassten, dass ihre teuersten Mandanten nicht endgültig in den Staub der Arena sanken. So gesehen geht der "Pizzaiolo" Mino Raiola einem Traditionsberuf nach. Brot für den Agenten, Spiele für das Volk.

Und auf seine Weise ist er den Klienten treu. Der Italiener Mario Balotelli etwa war bei Klubs in halb Europa in Ungnade gefallen, doch Raiola ruhte nicht eher, bis er ihn in Nizza untergebracht hatte. Dort arbeitet Balotelli nun an der Rehabilitierung seines Rufs. Ermöglicht hat ihm diese allerletzte Chance der Agent.

Er selbst, hat Raiola einmal gestanden, träume davon, selbst einen Fußballklub zu besitzen. Aber das wird er sich sicher noch einmal überlegen.

© SZ vom 29.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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