Spektakuläres Qualifying:Ärger um die Baguettes

Formula One Grand Prix of Austria

Gewinner des Qualifyings in Spielberg: Lewis Hamilton (l.) und Nico Hülkenberg.

(Foto: Christian Bruna/dpa)

Nico Hülkenberg rauscht auf Platz zwei hinter Lewis Hamilton. Nico Rosberg und Sebastian Vettel werden fünf Plätze zurückversetzt.

Von Elmar Brümmer, Spielberg

Dass die erste Startreihe eines Formel-1-Rennens komplett von Mercedes besetzt wird, daran hat man sich in den letzten zweieinhalb Jahren gewöhnt. Auch beim Großen Preis von Österreich ist das nicht anders, Lewis Hamilton und Nico Rosberg haben die Qualifikation von Spielberg trotz aller Kapriolen am Ende gewohnt souverän für sich entscheiden können. Dennoch wird beim neunten WM-Lauf am Sonntag etwas anders sein: Neben Hamilton, der zum 54. Mal eine Pole-Position herausgefahren hat, steht der Emmericher Nico Hülkenberg aus dem Mercedes-Kundenteam Force India: "Ich hatte mir ehrlich gesagt sogar etwas mehr ausgerechnet..." Denn Rosberg wird wegen eines Getriebewechsels um fünf Plätze zurückgestuft. Das gleiche Schicksal ereilt Sebastian Vettel an seinem 29. Geburtstag, der Heppenheimer war im Zeitfahren auf den vierten Platz gekommen. Kurioserweise startet Jenson Button im eigentlich chancenlosen McLaren-Honda als Dritter, neben ihm in einer Reihe der Alt-Champions der Finne Kimi Räikkönen.

Schon diese Rangfolge zeigt, dass am Samstag einiges anders lief als geplant - bei fast allen Teams. "Es war das aufregendste Training überhaupt", befand Mercedes-Aufsichtsrat Niki Lauda, "man musste die Aufgabe perfekt lösen. Und ein bisschen Glück hat es gebraucht." Die Wetterlage in der Steiermark kann sich minütlich ändern, gegen Ende des zweiten Qualifikationsabschnittes zog ein Schauer über die Arena.

Plötzlicher Regen zwingt zur Improvisation

Damit begann das Glücksspiel der richtigen Reifenwahl. Anfänglich war der neue Asphalt so nass, dass man sich nur mit den Allwetterpneus (Intermediates) hinauswagen konnte - bei zehn Sekunden langsameren Rundenzeiten. Die Strecke begann dann freilich schnell abzutrocknen, für die Fahrer und die Strategen galt es, den optimalen Zeitpunkt für den Wechsel zurück auf die profillosen Slicks zu wählen. Bis ein paar Minuten vor Schluss hatten Rosberg und Vettel die entsprechende Anfrage vom Kommandostand noch mit "Negativ!" beantwortet, aber dann begannen die Zeiten und die Rangfolge zu purzeln. Immer konstant dabei war der in dieser Saison bislang so glücklose Nico Hülkenberg. Am Ende hatte dann Lewis Hamilton die perfekte Runde erwischt, eine halbe Sekunde schneller als Rosberg.

Der WM-Spitzenreiter aus Wiesbaden hatte seine Schrecksekunde schon im dritten freien Training am Vormittag, als ihm bei der Fahrt über die unebenen Randsteine in einer Kurve die linke Hinterradaufhängung brach und sein Silberpfeil in die Barrikaden krachte. Von Anfang an war die Streckenbegrenzung in Spielberg ein Streitthema zwischen Fahrern und Rennleitung, dabei ging es aber mehr um die bewusst hochgesetzten Wülste in der zweiten Reihe ("Baguettes") nach den eigentlichen Kurvenmarkierungen. Mit diesen soll verhindert werden, dass die Piloten ihre Linie zu weit außerhalb der Fahrbahn legen.

Selbst Youngster Verstappen mosert

"Dann kann man ja gleich richtige Mauern hinbauen", meckerte der Niederländer Max Verstappen. Die Bordsteine haben es in sich. Die Mercedes-Mechaniker schafften es, innerhalb von zwei Stunden den lädierten Silberpfeil zu reparieren, wobei auch Hamiltons Crew am Wiederaufbau des Rosberg-Autos mithalf. Aus Sorge um die hohen Vibrationen verstärkten sie die Streben, in den sozialen Medien wurden Bilder von Rollen mit starkem Klebeband umgehend zu einem beliebten Thema. Doch die Situation ist Ernst. Es lässt sich nur mutmaßen, ob die Rennwagen die harten Schläge gegen das Fahrwerk auch über 71 Rennrunden aushalten.

Die Gefahr zeigte sich der erste Qualifikationsabschnitt deutlich. Am Toro Rosso des Russen Daniil Kwjat verabschiedete sich die rechte Hinterradaufhängung. "Was muss denn noch passieren? Wenn das so weitergeht, wird sich noch irgendeiner verletzen", echauffierte sich sogar Lewis Hamilton. "Es ist wirklich gefährlich, deshalb muss etwas geschehen", fügte er, der häufig eine andere Auffassung von Sicherheitsmaßnahmen hat als seine Kollegen, hinzu. Vier Aufhängungsschäden an zwei Tagen, das ist nicht nur für Kwjat ein "großes Fragezeichen". Mercedes will aus Sicherheitsgründen die Aufhängungen verstärken, auch wenn der Rosberg-Crash für die Techniker eher eine Verkettung unglücklicher Umstände war.

Während des Rennens soll es deutlich kühler werden

Entscheidend zum Rennausgang beitragen wird auch das Verhalten der Reifen. Für Sonntag sind niedrigere Temperaturen prognostiziert, wie lange die ultrasoften Pneus dann leistungsfähig bleiben, muss sich weisen. Lauda sieht Ferrari auch dank der etwas härteren Reifen durchaus mit Chancen. Sebastian Vettel hofft darauf: "Ich hätte natürlich mehr Risiko gehen können. Es war ein bisschen Lotterie, aber es ist sehr viel drin. Wir haben den Speed, um ganz vorne mitzumischen."

Ähnlich erfolgreich unter den schwierigen Bedingungen schlug sich Neuling Pascal Wehrlein, der den Manor-Mercedes auf den zwölften Platz brachte - das bisher beste Qualifikationsergebnis in der Formel 1 für den DTM-Champion. "Ich bin happy, die Strecke scheint mir gut zu liegen. Es war eine Superrunde."

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