Spanische Nationalelf:Luft raus, Aura weg

Spanische Nationalelf: Nacht des Schreckens: der Spanier Ces Fabregas beim 1:2 in der Slowakei.

Nacht des Schreckens: der Spanier Ces Fabregas beim 1:2 in der Slowakei.

(Foto: Petr David Josek/AP)

Blass und ideenlos: Die spanische Nationalmannschaft verliert gegen die Slowakei und verschärft die Krise. Dem Land dämmert, dass Trainer Vicente del Bosque die Entschlossenheit fehlt, die es für eine Revolution bei der Roja bräuchte.

Von Oliver Meiler, Barcelona

Die Aura ist weg, verflogen und verdampft. Spaniens Nationalelf tritt mittlerweile so blass und ideenlos auf, dass die Sportzeitung Marca das Team auf der "Intensivstation" wähnt. In Zeiten von Ebola ist diese Metapher gerade in Spanien, wo sich diese Woche eine Pflegerin mit dem Virus infiziert hat, nicht die glücklichste Wahl. Aber man sucht eben nach einer Diagnose für die plötzliche fußballerische Malaise. Es begann im Sommer in Brasilien und zieht sich hin.

La Furia Roja hat nun also auch in der Slowakei verloren, 1:2 in der Qualifikation für die kommende Europameisterschaft, was bei allem Respekt für die wacker verteidigenden und flink konternden Slowaken doch vor allem eine Blamage bedeutet für den Habitus des dreimaligen Europameisters. Seit Oktober 2006 hatte Spanien kein EM-Qualifikationsspiel mehr verloren. 36 Mal hintereinander war man unbezwungen geblieben, acht Jahre lang. So wächst eine Aura. Und nun diese Blässe!

Einmal mehr gab der einst glorifizierte Torhüter Iker Casillas, auch als "San Iker" bekannt, nunmehr 158 Länderspiele, die tragische Figur. Es lief die 16. Minute, als der slowakische Mittelfeldspieler Juraj Kucka zum Freistoß antrat: 25 Meter, indirekt, flaches Zuspiel. Der Schuss fiel halbhoch aus - wuchtig, aber zentral. Das reichte schon, um Casillas zu düpieren. Flatterte der Ball? War ihm die Sicht verdeckt? Jedenfalls griff der "Heilige Iker" daneben. Er sah nicht gut aus dabei. Und so leid es den Spaniern auch tut um den Madrilenen, der ihnen mit seinen Reflexen so manchen Titel sicherte: Auch Casillas' Aura ist weg.

Nicht einmal Vicente del Bosque, ein Ausbund an Loyalität, wird sich der Debatte um die Torwartposition noch lange verschließen können. Nach dem Spiel warf sich der Trainer noch einmal in die empathische Retterpose: "Ich glaube", sagte er, "beim ersten Tor flog der Ball irgendwie merkwürdig und täuschte Iker." So ist Del Bosque nun mal: stur nett, schier unfähig zur Kritik an seinen Spielern, zumal öffentlich. Solange Spanien hübsch kombinierte und erfolgreich war, trug seine Eleganz zur schönen Aura bei. Nun dämmert den Spaniern, dass diesem Gentleman wohl doch die Entschlossenheit fehlt, die es für eine Revolution bei der Roja bräuchte.

Mehr "Mourinho" wagen

Eine Revolution aber braucht es offenbar, zumal stilistisch, seit dem Team die beiden "X" im Mittelfeld abhanden gekommen sind: Xavi Hernández und Xabi Alonso, zu ihren besten Zeiten Gestalter und Metronom, beide mittlerweile aus der Nationalmannschaft zurückgetreten. Ihren Erben mangelt es bislang sowohl an Solidität als auch an Kreativkraft.

Del Bosque beharrt auch auf Diego Costa, dem eingebürgerten Brasilianer, seiner ganz persönlichen Wette. Costa, daran zweifelt niemand, ist ein grandioser Mittelstürmer, ein Kämpfer und Wühler. In England, wo er seit seinem Wechsel von Atlético Madrid zum FC Chelsea spielt, steht er bereits an der Spitze der Torschützenliste. Der Mann hat einen eingebauten Sog zum Tor. Nur passt sein direkter Stil nicht zur spanischen Nationalmannschaft und ihrem indirekten, horizontalen Spiel. Costa steht ständig mit dem Rücken zum gegnerischen Tor, was ihm nicht so behagt.

Der Trainer hat das Problem erkannt, versucht den Seinen etwas mehr Mourinho beizubringen und gleichzeitig eine Dosis Guardiola abzugewöhnen. Gegen die Slowaken stellte er deshalb den Klubkollegen Cesc Fàbregas in Costas Nähe. Bei Chelsea funktioniert das wunderbar, da vertikalisiert Fàbregas, schickt Costa ständig steil. Den Spaniern fehlt dieser Zug im Spiel, zumal den Katalanen unter ihnen, die zuletzt immer mehr zu Querspielern geworden sind. Und so hat Costa, mit dem Del Bosque einen Wandel herbeiführen und auch etwas herbeibrechen wollte, auch im sechsten Spiel für Spanien nicht getroffen. 446 Minuten - kein Tor. Del Bosque aber sagt über ihn: "Wir sind froh um die Leidenschaft, die er uns bringt."

Es hört sich so an, als wäre bei vielen altgedienten spanischen Leistungsträgern nach all den Triumphen auch die Lust am Siegen etwas verpufft und verdampft. Die Luft ist ein bisschen raus. Das ist menschlich. Nur, so sagen würde das der nette Trainer natürlich nie.

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