Zidane bei Real Madrid:"Wir sind alle schuld, allen voran ich"

Zidane bei Real Madrid: Führung verspielt, Stimmung vermiest: Reals Trainer Zinedine Zidane nach dem 2:2 gegen Celta de Vigo.

Führung verspielt, Stimmung vermiest: Reals Trainer Zinedine Zidane nach dem 2:2 gegen Celta de Vigo.

(Foto: Miguel Riopa/AFP)
  • 16 Punkte Rückstand auf den FC Barcelona, da verliert Zinedine Zidane auf einer Pressekonferenz die Fassung.
  • "Ich werde jetzt nicht anfangen, die Scheiße auf ein oder zwei Leute abzuladen, wir sind alle schuld, allen voran ich", poltert der Trainer von Real Madrid.
  • Die Medien fordern Verstärkungen, doch Zidane sperrt sich bislang.

Von Javier Cáceres

Wer noch einen Beweis dafür suchte, dass sich bei Real Madrid das Gefühl der Krise breitgemacht hat, musste am Dienstag nur auf die Uhr schauen. Für 11 Uhr war die Belegschaft von Real Madrid in die Sportstadt in Valdebebas bestellt worden. Doch ehe sich die Fußballer gegen die auch in Madrid regierende winterliche Kälte vermummen konnten, um die Arbeit auf dem Trainingsplatz aufzunehmen, stand eine gruppentherapeutische Sitzung auf dem Plan, die gleich 45 Minuten lang andauerte. Die

Verzögerung, mit der Trainer Zinédine Zidane dann später die Pressekonferenz vor dem Achtelfinal-Rückspiel des spanischen Pokals gegen CD Numancia begann, belief sich schon auf 90 Minuten, ursprünglich war sein Auftritt für 13 Uhr avisiert worden. Was die Journalisten erlebten, war ein Zidane, der so kämpferisch und gereizt war wie selten zuvor. "Ich werde jetzt nicht anfangen, die Scheiße auf ein oder zwei Leute abzuladen, wir sind alle schuld, allen voran ich", entfuhr es dem sonst um Contenance bemühten Zidane.

Die Lage ist also wirklich ernst.

16 Punkte hinter Spitzenreiter Barcelona

Nicht, dass das Spiel am Mittwoch gegen Zweitligist Numancia (21.30 Uhr, live bei DAZN) Sorgen bereiten würde, das Hinspiel wurde mit 3:0 gewonnen. Aber: Seit Real am Sonntag eine 2:1-Führung bei Celta de Vigo verspielte (Endstand 2:2), liegt der Meister des Vorjahrs nicht nur acht Punkte hinter dem Wert des Vorjahreszeitraums, sondern 16 Punkte hinter Spitzenreiter FC Barcelona zurück. Der Tabellenfünfte FC Sevilla liegt drei Punkte zurück, der Champions-League-Platz ist also in Gefahr.

Und nein: Es ist kein Trost, dass man bei 18 Spieltagen noch eine Partie Rückstand hat. Um die Saison zu retten, muss schon der Champions-League-Titel her, und im Achtelfinale wartet die Millionärs-Truppe von Paris Saint-Germain mit Neymar und Mbappé.

Der Malaise stehen die Madrilenen einigermaßen ratlos gegenüber. Vor allem, weil das Kalenderjahr 2017 reichlich Titel bereithielt. Im Sommer errang Real Madrid die spanische Meisterschaft und den Champions-League-Pokal. Im August wurden sowohl der europäische wie auch Spaniens Supercup abgeschleppt, im Dezember folgte der Klub-Weltpokal und damit der achte von zehn möglichen Titeln zweier "spektakulärer Jahre", wie Zidane sagte. Doch auch er weiß: Die frisch errungenen Trophäen haben längst Staub gefangen. "Sie sind Vergangenheit und nützen uns nichts mehr. Aber das heißt nicht, dass ich bereit wäre, alles wegzuwerfen, was vor 15 Tagen oder drei Wochen noch gut war", sagte der frühere französische Weltmeister.

Real Madrid will sich verstärken - doch Zidane sperrt sich

Das Problem: Die Statistiken sind erschlagend. Real Madrid hat zwar genauso viele Gegentore (16) hinnehmen müssen wie nach den ersten 17 Spielen der Vorsaison. Doch der offensive Punch ist abhandengekommen. Vier Spieler - Cristiano Ronaldo, Gareth Bale, Isco und Marco Asensio - teilen sich den Spitzenplatz der teaminternen Torjägerliste, mit geradezu lächerlich anmutenden vier Toren. Dass der treffsicherste Spieler eines Real-Kaders nur vier Tore nach siebzehn Spielen aufweisen konnte, hatte es in der Geschichte des Klubs noch nie gegeben.

Der französische Mittelstürmer Karim Benzema kommt auf gerade mal zwei Tore, so viele wie DFB-Mittelfeldspieler Toni Kroos. Zum Vergleich: Eigengewächs Álvaro Morata hat nach seiner Flucht zum FC Chelsea in 17 Premier-League-Partien zehn Tore erzielt - also mehr als Benzema, Ronaldo und Bale zusammen.

In den Medien werden deshalb Neuverpflichtungen gefordert. Doch Zidane betonte am Dienstag zum dritten Mal in vier Tagen, dass er keine Zugänge wolle, was als Vertrauensbeweis in seinen Kader, aber auch als Rebellion gegen Vereinsboss Florentino Pérez gewertet worden ist. Der Klub stand kurz vor der Verpflichtung von Torwart Kepa (Bilbao); Zidane torpedierte sie, und nun wird geraunt, er habe seinen Sohn Luca schützen wollen, den nominell dritten Real-Torwart. "Wer glaubt, dass ich mich mit dem Präsidenten anlege, kennt mich schlecht. Der Klub, die Fans, der Präsident stehen über mir", sagt Zidane.

Gleichwohl: Er weiß, dass der Gegenwind aufbraust. In einem Interview mit der Zeitschrift France Football vom Dienstag erklärte er, ihm sei bewusst, dass er keine zehn Jahre Real-Trainer bleiben werde; wenn es nur noch zehn Tage sein sollten, werde er diese mit aller Intensität leben - und "beweisen, dass ich auch in schweren Momenten ein guter Trainer sein kann". Die Grundvoraussetzungen dafür könnten nicht besser sein.

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