Köln gegen Hannover:Hannovers Maradona

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Er müsse sich "das im Fernsehen angucken", antwortete Hannovers Andreasen nach seinem Siegtor in Köln. Doch es ist klar: ein irregulärer Treffer! (Foto: Christopher Ne/firo)

Ein Hand-Tor von Leon Andreasen beschert 96 einen Auswärtssieg beim 1. FC Köln. Trainer Stöger bietet dem Referee seine Brille an.

Von Philipp Selldorf, Köln

Nach einer knappen Stunde Spielzeit brach Jubel in Köln-Müngersdorf aus, obwohl der Ball weit entfernt davon war, im Tor von Hannover 96 zu landen. Die Leute erfreuten sich daran, dass Schiedsrichter Bastian Dankert gestolpert und hingefallen war, das gönnte man ihm, denn der Spielleiter war aus Sicht des Kölner Publikums der Feind Nummer eins, nachdem er in der 38. Minute ein Tor für die 96er zugelassen hatte, das er nicht hätte zulassen dürfen. Obendrein war Leon Andreasens irregulärer Treffer am Ende auch noch der einzige des Spiels, weshalb es nach der Partie eine Art Kulturdebatte über den Stand des Fairplay im Jahr 2015 gab.

Der Sachverhalt ist unstrittig: Nach einem Eckstoß gelangte der Ball zu Andreasen, der sich im Hintergrund freigestohlen hatte. Er musste die Kugel bloß noch über die Linie befördern, und das tat er dann auch, allerdings nicht mit Kopf, Brust oder Fuß, sondern mit dem rechten Arm, den er zweckmäßig einsetzte. Die Bewegung war quasi für jeden Akteur und Stadionbesucher ersichtlich, nicht aber für den Schiedsrichter, der geradewegs auf den Anstoßpunkt deutete. Auch seine Helfer signalisierten keine Verdachtsmomente.

Während am Spielfeldrand der Kölner Trainer Peter Stöger demonstrativ die Brille absetzte, um sie den Spielleitern zur besseren Durchsicht anzubieten, fiel Andreasens Jubel ausgesprochen verhalten aus. Die Proteste der Kölner waren dagegen umso lauter. Doch der Schiedsrichter ließ sich nicht dazu bewegen, die Anerkennung des Tores zu überdenken oder - wie es die FC-Spieler forderten -, beim Schützen um Auskunft zu bitten.

Andreasen nahm zwar später Nachfragen entgegen, mochte aber den Fall nicht aufklären. Es sei "alles sehr schnell" gegangen, er müsse sich "das im Fernsehen angucken", sagte er, verwies aber vorsorglich auf frühere Justizirrtümer, die zum Nachteil der Hannoveraner geführt hätten. Hätte er nicht spätestens jetzt ein Geständnis ablegen müssen, wurde anschließend Hannovers Trainer Michael Frontzeck gefragt. Der sah jedoch weder einen Grund, den dänischen Mittelfeldspieler zu tadeln ("Leon ist ein hundertprozentiger Sportsmann"), noch einen Anlass zu grundsätzlichen Reformen der Umgangsweisen auf dem Fußballplatz. Dazu erinnerte er an das berühmteste Handspiel in der Geschichte des Fußballs, das bei der WM 1986 vorkam: "Fliegen wir jetzt nach Buenos Aires und reden noch mal mit Diego Maradona?"

Über das Spiel an sich gab es hingegen keine Meinungsverschiedenheiten. Gegen streng defensive Hannoveraner scheiterten die spielerisch überlegenen, auf Dauer aber auch etwas einfallslosen Kölner daran, dass sie ihre Chancen nicht nutzten. Man habe einen "ekligen, aber verdammt wichtigen Sieg" gelandet, meinte Hannovers Torwart Ron-Robert Zieler, der prächtig gehalten hatte. "Es war ohne Wenn und Aber ein glücklicher Sieg", stimmte Frontzeck zu, während Stöger seine Verlierer lobte: "Wir hatten gute Ideen, um den Riegel zu knacken - manchmal haben ein paar Zentimeter gefehlt". Oder die Brille für den Oberaufseher.

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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