Sommermärchen:Kein Schmiergeld, sondern Schenkung

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Wie der Fiskus bei den Ermittlungen in der WM-Affäre gegen den Deutschen Fußball-Bund vorgeht.

Von Georg Mascolo, Klaus Ott, Frankfurt

Im Visier der Steuerfahnder: Wolfgang Niederbach (li.), der ehemalige DFB-Präsident. Theo Zwanziger, ebenfalls ehemaliger DFB-Präsident, will Schmerzensgeld vom Land Hessen. Foto: Reuters/dpa (Foto: dfb_praesis)

Die Affäre um die Weltmeisterschaft 2006 war gerade mal einen Monat alt, als die Behörden den Deutschen Fußball-Bund (DFB) heftig in die Mangel nahmen. Am 18. November 2015 saßen in Frankfurt acht Vertreter von Fiskus und Staatsanwaltschaft einem Anwalt des DFB gegenüber. Acht gegen eins. Etwas mehr als eine Stunde lang, von 14.56 bis 15.58 Uhr, ging es heftig zur Sache. Die Steuerfahnder ließen keinen Zweifel daran, was es aus ihrer Sicht mit den vom DFB vor der WM 2006 verschobenen 6,7 Millionen Euro auf sich habe. Da sei gegen Recht und Gesetz verstoßen worden.

Das dubiose Millionen-Geschäft, in das führende Verbandsfunktionäre bis hin zu Franz Beckenbauer verwickelt gewesen waren, hatte Mitte Oktober 2015 der Spiegel enthüllt. Bereits einen Monat später, nach einer Razzia beim DFB, befand der Fiskus: Hier liege eine Steuerhinterziehung vor, dies sei "nicht diskutierbar". Der Sachverhalt sei eindeutig, und auf Debatten lasse man sich nicht ein. Die bislang ermittelten Steuernachzahlungen, die der DFB leisten müsse, beliefen sich auf insgesamt 15,3 Millionen Euro. So steht es im Protokoll des Treffens vom 18. November 2015.

Fiskus und Staatsanwaltschaft spielten gewissermaßen Pressing. Doch ein Steuerverfahren ist kein Fußballspiel. Im Zweifelsfall entscheidet am Ende die Justiz per Urteil darüber, wer Recht hat und wer nicht. Und dass die Sache vor Gericht kommt, zeichnet sich immer deutlicher ab. Vor allem, nachdem nun die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes Frankfurt I in einem Zwischenbericht vom 24. Januar 2017 zu der "abschließenden rechtlichen Würdigung" gekommen ist, der DFB habe die 6,7 Millionen Euro fälschlich als Betriebsausgaben beim Fiskus geltend gemacht und so Steuern hinterzogen.

Es gibt für den Fiskus da allerdings ein großes Problem - und das beginnt beim dubiosen Ausgangspunkt des Millionen-Kreislaufs rund um Franz Beckenbauer: Die Behörden wissen bis heute nicht, wofür die zehn Millionen Schweizer Franken verwendet worden sind, die Beckenbauer im Jahr 2002 als Darlehen von dem früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus bekommen hatte - und die dann nach Katar weitergeflossen sein sollen, auf ein Konto im Einflussbereich des Fifa-Vizepräsidenten Mohamed bin Hammam. Im Jahr 2005 wurde das Darlehen vom WM-Organisationskomitee heimlich an Louis-Dreyfus zurückgezahlt; per Überweisung von 6,7 Millionen Euro an den Weltverband Fifa und getarnt als Zuschuss für eine WM-Gala, die später abgesagt wurde.

Am einfachsten für Fiskus und Staatsanwaltschaft wäre es, die 6,7 Millionen Euro als Schmiergeld zu bezeichnen, mit dem Beckenbauer und seine Mitstreiter beim lange Zeit durch und durch korrupten Weltverband Fifa die Vergabe der WM 2006 nach Deutschland erkauft hätten. Schmiergeldzahlungen im Ausland dürfen in der Bundesrepublik seit 1999 nicht mehr von der Steuer abgesetzt werden. Doch diese Lösung funktioniert nicht. Für eine Bestechung von Fifa-Funktionären liegen zwar Indizien, aber keine Beweise vor.

Der Frankfurter Steuerfahndung ist aber eine ganz andere Idee gekommen, wie sich die 6,7 Millionen Euro kriminalisieren ließen. Mit diesem Geld habe der DFB ein privates Darlehen von Beckenbauer getilgt, samt Zinsen. Die Rückzahlung des Millionenbetrages an Dreyfus sei aber nicht Aufgabe des Verbandes gewesen. Und mit der Organisation der WM 2006 habe das auch nichts zu tun gehabt. Der Fiskus wirft den früheren DFB-Chefs Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger sowie dem ehemaligen Generalsekretär Horst R. Schmidt vor, die angebliche Steuerhinterziehung geplant und vorbereitet zu haben. Alle drei weisen das zurück.

Der Verband soll sogar Jahre später, also lange nach der WM, weiterhin alles verschleiert haben. Im April und Oktober 2010 hatte der Fiskus im Rahmen einer größeren Prüfung der DFB-Finanzen gezielt nach den 6,7 Millionen Euro gefragt. Der Verband habe diese Anfragen zunächst unvollständig und dann ausweichend beantwortet und den tatsächlichen Sachverhalt auch weiterhin nicht offengelegt, rügt das Finanzamt Frankfurt I. Das Finanzamt gelangt zu dem Ergebnis, dass der DFB Körperschafts- und Gewerbesteuern in Höhe von 2,7 Millionen Euro hinterzogen habe. Doch das ist längst nicht alles, was der Fiskus gerne hätte. Die Gemeinnützigkeit des Verbandes soll nachträglich aberkannt werden. Aber nur für 2006. Die Steuervorteile des DFB in diesem Jahr fielen dann rückwirkend weg.

Zwanziger wirft den Ermittlern vor, "Unsinn" zu verbreiten mit der Version vom Privat-Darlehen

Außerdem habe der Verband, indem er Beckenbauers Privatdarlehen beglichen habe, seinem einstigen Nationalspieler, Teamchef und WM-Organisator entweder Geld geschenkt - oder ihn honoriert. Also müsse der DFB noch Schenkungs- oder Einkommenssteuer für die 6,7 Millionen Euro zahlen. Das hat der Fiskus dem DFB-Anwalt Jan Olaf Leisner bereits an jenem 18. November 2015 vorgerechnet und kam so auf die insgesamt 15,3 Millionen Euro Steuernachzahlung. Einer der Ermittler erkundigte sich damals bei Leisner nach der "roten Linie" des Verbandes; er wollte also wissen, wozu der DFB bereit sei. Leisner entgegnete laut Protokoll, ein Vergehen sei für ihn nicht klar ersichtlich. Je nach Sachverhalt sei eine Klage gegen einen Steuerbescheid möglich. Der Fiskus wiederum bleibt hart und könnte nunmehr sogar 20 bis 25 Millionen Euro fordern.

Für den früheren DFB-Chef Zwanziger ist die rote Linie längst überschritten. Zwanziger wirft den Ermittlern vor, mit ihrer Version vom Privat-Darlehen "Unsinn" zu verbreiten. Die Version der Steuerfahnder werde daher in sich zusammenfallen. Es werde auch nicht zu einer Anklage kommen. Zwanziger sagt, er habe Zeugen dafür, dass die 6,7 Millionen tatsächlich für eine (später abgesagte) WM-Gala der Fifa gezahlt worden seien. Genau so, wie offiziell angegeben. Also keine Steuerhinterziehung. Zwanziger fordert vom Land Hessen mindestens 25 000 Euro Schmerzensgeld wegen "Persönlichkeitsverletzung" durch das ungerechtfertigte Vorgehen gegen ihn. Für Ende März ist eine Gerichtsverhandlung angesetzt. Der erste Prozess läuft also schon.

© SZ vom 10.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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