Snowboardcross:Eine Chance als Geschenk

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"Ich habe gelernt, dass es nichts bringt, mit zusammengebissenen Zähnen zu starten": Konstantin Schad will nach einem Bandscheibenvorfall die Enttäuschung von Sotschi vergessen.

Von Anna Dreher, Pyeongchang/München

Einer der besten deutschen Snowboardcrosser: Konstantin Schad (re.). (Foto: Eibner/imago)

Konstantin Schad hofft, dass er ignoriert wird. Dass es ihm nicht geht, wie so vielen anderen. Dass er am Ende zu denjenigen gehört, die vom Wind verschont bleiben. Er hat die eiskalten Böen schon zu spüren bekommen, aus wechselnder Richtung und mit viel Kraft. Angenehm war das nicht, aber es hat ihm nicht den ganzen Tag verdorben: Am Dienstag war noch Training. Viel wichtiger für Schad ist, dass der Wind am Donnerstag eine Pause macht. Der Wetterbericht sagt bessere Bedingungen voraus, es könnte also klappen mit dem Ignoriertwerden. Es ist schließlich nicht irgendein Wettkampf, den Schad am Donnerstag fährt.

Wenn der Wind es zulässt, startet der 30-Jährige aus Fischbachau ab zwei Uhr deutscher Zeit im Snowboardcross bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang. Und er will endlich zu den Athleten gehören, die auf dieser ganz großen Bühne zu Sporthelden werden. Er will endlich eine olympische Medaille gewinnen.

Schad war schon bei den Winterspielen 2010 und 2014 dabei. In Vancouver vor acht Jahren war er überwältigt von der Größe der Veranstaltung und landete am Ende auf Rang 33. In Sotschi vor vier Jahren wurde er Dreizehnter. Zufrieden war er damit nicht, weil er wusste, dass mehr für ihn drin gewesen wäre. "Ich war Medaillenkandidat und hatte auch den ultimativen Willen, aufs Podium zu kommen", sagt Schad. "Ich wollte alles - und bin an einem kleinen Fehler gescheitert. Diese Erfahrung hat sehr an mir gezehrt und mich zu einem anderen Menschen gemacht." Zumindest noch ein Mal wollte er danach bei Olympia zeigen, was er wirklich kann.

Mit der Verbissenheit, die manche Sportler an die Spitze treibt, ist er trotzdem nicht angereist. "Ich habe gelernt, dass es nichts bringt, mit zusammengebissenen Zähnen zu starten", sagt Schad. "Ich bin sehr entspannt. Für mich ist es ein Geschenk, auf diesem hohen Niveau starten zu können, noch dazu bei Olympia." Denn dass er überhaupt in den Flieger nach Südkorea steigen konnte, war lange Zeit nicht klar.

Schad hat viel trainiert seit seiner persönlichen Enttäuschung von Sotschi, sein Körper sollte in den nächsten vier Jahren zur bestmöglichen Version für die Olympischen Spiele 2018 werden. Aber im Februar 2017 machte er nicht mehr mit. Schon länger hatte Schad Rückenschmerzen, irgendwann kam ein Taubheitsgefühl im linken Bein hinzu und beendete schließlich seine Saison: Der Snowboarder hatte einen zweifachen Bandscheibenvorfall und musste operiert werden. "Ich hatte Glück, dass das so schnell ging", sagt Schad. "Aber danach lautete die Diagnose der Ärzte eigentlich, dass es nicht für Olympia reicht."

Auf eine dreimonatige Sportpause folgte eine Rehaphase. Schad hat sich langsam wieder an sein altes Niveau herangetastet und seiner Rückkehr alles andere untergeordnet. Sein ganzer Zeitplan und die vorgesehenen Trainingsumfänge mussten umgestellt werden. Im Juli stand er das erste Mal wieder auf einem Snowboard, um Material zu testen. Im September durfte er erstmals wieder Kniebeugen machen. Es war alles ein bisschen viel in der kurzen Zeit - aber am 13. Dezember qualifizierte sich Schad beim Weltcup-Rennen in Val-Thorens als Vierter für die Olympischen Spiele. "Dass ich das noch vor Weihnachten schaffe, war nicht zu erwarten, auch wenn ich darauf hingearbeitet habe", sagt er. "Danach war ich ziemlich fertig."

Bei der Universiade 2011 holte Konstantin Schad, 30, der für den SC Miesbach startet, seine erste Goldmedaille. In den Jahren 2012, 2014 und 2015 wurde er Deutscher Meister. (Foto: Guenter Schiffmann/imago)

2002 ist Schad sein erstes internationales Juniorenrennen gefahren, 2007 folgte die Premiere im Weltcup. Bei der Universiade 2011 holte er seine erste Goldmedaille, 2012, 2014 und 2015 wurde er Deutscher Meister. Der für den SC Miesbach startende Profi gehört seit Jahren zu den besten deutschen Snowboardcrossern. Er weiß, dass es in den Rennen, bei denen mindestens vier Starter gleichzeitig gegeneinander eine Abfahrtsstrecke fahren, auf einen Augenblick ankommen kann.

Auf einen einzigen Moment, in dem er besser reagiert als seine Konkurrenten - oder einen Fehler und damit alles kaputt macht. "Ich hoffe", sagt Schad, "dass mir all meine Erfahrung hilft, wenn die Jüngeren ins Flattern kommen." Er hat zudem den Vorteil, dass er sich keinen Druck macht. Ja, er will eine Medaille gewinnen, aber er sieht sich durch die Operation und einen Infekt Anfang des Jahres nicht zwingend als Kandidaten dafür.

Auf diese Chance, die er noch mal bekommen hat, hat er sich natürlich trotzdem gefreut - auch wenn das in diesem Jahr schwieriger war. Schad ist Vorsitzender der Athletenkommission des internationalen Ski-Verbands Fis. Er hatte im Vorfeld der Spiele viele Treffen mit Vertretern des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), auch dessen in der Kritik stehende Präsident Thomas Bach war dabei. Die diskutierten Themen waren vielfältig, der Umgang mit der Dopingproblematik und dem Ausschluss russischer Starter beispielsweise hat viele beschäftigt. "Ich hatte viele Anfragen von Athleten dazu, auch zur Sicherheitslage in Korea", sagt Schad: "Man merkt, dass es schwieriger geworden ist, überzeugter Olympionike zu sein."

Ob sich das wieder ändert? Schwierig, sagt Schad. Vielleicht müsste einfach alles wieder ein bisschen kleiner werden, zurück zu den olympischen Wurzeln, weniger Kommerz, mehr Glaubwürdigkeit. Vielleicht ist er bei den Anfängen eines möglichen Wandels noch als Teilnehmer dabei. Diese müssen schließlich nicht seine letzten Olympischen Spiele gewesen sein: 2022 in Peking wäre er 34 Jahre alt. Aber daran denkt Konstantin Schad nicht. Er ist erst einmal froh, zehn Tage lang wieder einfach nur Sportler zu sein.

© SZ vom 14.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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