Snowboard:Frisches Blut

Snowboard: "Sollte easy sein", sagt Johannes Höpfl über seine Chancen auf die zweite Olympia-Teilnahme in seiner Karriere.

"Sollte easy sein", sagt Johannes Höpfl über seine Chancen auf die zweite Olympia-Teilnahme in seiner Karriere.

(Foto: Joe Klamar/AFP)

Johannes Höpfl hat sich im jungen Feld der Freestyle-Snowboarder zu einer Konstante entwickelt - auch, weil er aus schweren Dingen Gutes zieht.

Von Johannes Knuth

Das Knie ist in diesen Tagen der verlässlichste Richter, es lässt den Snowboarder Johannes Höpfl sofort wissen, ob sein Sprung gut war oder nicht so gut. Wenn sein Sprung nicht so gut war, landet Höpfl oft weiter unten in der Halfpipe, das Gelände dort ist ebener. "Das tut brutal weh", sagt Höpfl, weil die Kräfte an seiner noch immer gereizten Patellasehne zerren. Aber wenn er den Sprung gut erwischt, landet er weit oben, Höpfl schmiegt sein Board dann an die steile Wand der Pipe, das mag das Knie. Und mehr Punkte von der Jury gibt es auch. Er versuche also, nach seiner Verletzung "noch sauberer zu fahren", sagt Höpfl, es hilft ja nichts. Wenn ihn die Schmerzen noch immer begleiten, dann will er aus dem Schlechten zumindest etwas Gutes ziehen.

Seine zweite Olympia-Teilnahme ist Höpfl beinahe sicher

Der Olympiawinter hätte durchaus schlechter beginnen können für den kleinen Verband Snowboard Germany. Die Alpin-Sparte sammelte zwei zweite Plätze von Ramona Hofmeister (Bischofswiesen) und Selina Jörg (Sonthofen), Paul Berg gewann einen Weltcup im Snowboardcross. Und das Freestyle-Ressort, das lange im Schatten der Raceboarder stand, stellt für die olympische Reisegruppe bereits drei Athleten, die die nationalen Kriterien für die Spiele im Februar erfüllt haben: Die Münchnerin Silvia Mittermüller, 34, Nadja Flemming aus Röhrmoos, 22, und Johannes Höpfl aus Hauzenberg, Spitzname Hansi, Spezialität Halfpipe.

Höpfl hatte sich im vergangenen Winter an der Patellasehne operieren lassen, die Saison verpasst. Er ging "mit ziemlicher Gelassenheit" in den neuen Winter, und wenn man hört, wie er das in seinem niederbayerischen Singsang brummt, als könne ihn auch ein Meteoritenschauer im Wettkampf nicht erschüttern - dann wirkt das durchaus glaubhaft. Höpfl wurde bei seinem Comeback im Weltcup Anfang September jedenfalls Zehnter, so gut war er zuvor nur einmal gewesen. Vor Kurzem belegte er dann Rang 15 in China. Höpfl muss sich nun während der letzten Weltcups vor den Winterspielen unter den besten 30 der Weltrangliste halten, dann hat er seine zweite Olympia-Teilnahme festgezurrt, mit 22. "Sollte easy sein", sagt er. Er ist ja ohnehin niemand, der sich aus seiner Ruhe werfen lässt. Kleine Schritte führen auch zum Ziel, das passt ganz gut zu seinem Winter und überhaupt.

Höpfl ist schon jetzt eine der wenigen deutschen Konstanten auf dem Feld des freien Snowboardens, das gar nicht so einfach zu bestellen ist. Die Freestyler, hervorgegangen aus den ersten Generationen der Freigeister, die den genormten Wettstreit noch ablehnten, bilden längst eine starke olympische Fraktion. Die Sieger von heute werden das ganze Jahr über geformt, auch in der Turnhalle, wo sie stundenlang ihre Drehungen auf Trampolinen einstudieren. Die Deutschen haben mittlerweile eine Trampolinhalle am Stützpunkt in Berchtesgaden, aber keine Halfpipe wie die Schweizer in Laax; die Kosten, mindestens 300 000 Euro, will sich kein Skigebiet leisten. Für den deutschen Nachwuchs, der nicht in Berchtesgaden trainiert, bedeutet das: aufstehen oft um fünf Uhr, per Zug in die Alpen, spät zurückkehren. Oder, für Profis wie Höpfl: Exkursionen nach Neuseeland, Frankreich, in die USA, ein Ticket für die dortige Halfpipe lösen, 900 Dollar die Woche. Der Verband zahle mittlerweile viel, sagt Höpfl, aber in einem olympischen Winter muss er rund 10 000 Euro beisteuern, mithilfe von Preisgeldern und Sponsoren.

Auch die olympische Snowboard-Familie, das muss man wissen, steckt im Umbruch. Für Medaillen waren im deutschen Verband lange die Alpinen zuständig, viele Förderströme flossen in ihre Richtung. Vor zwei Jahren strich das Internationale Olympische Komitee den alpinen Parallelslalom, es gönnte den Freestylern eine weitere Disziplin, Big Air, einen Sprung über einen haushohen Kicker. Die Freigeister sind in Südkorea erstmals die stärkste Strömung innerhalb der Snowboarder; aber von den neuen, besseren Trainingsbedingungen in Deutschland wird wohl erst die nächste Generation richtig profitieren. "Ich weiß nicht, ob ich eine deutsche Pipe in meiner Karriere überhaupt noch erleben werde", sagt Höpfl. Die Förderung habe sich immerhin deutlich verbessert. Als Höpfl in den Sport wuchs, mit 14, dann in den C-Kader des Verbandes, "habe ich alles selbst zahlen müssen".

Höpfl hat seinen besten Lauf bislang noch gar nicht gezeigt

Aber von schweren Dingen hat er sich ja noch nie stören lassen. Wenn er was anpackt, dann richtig, er ordnet vieles seinem Sport unter. Wobei er mittlerweile gelernt habe, dass man dafür auch mal Abstand von diesem Sport braucht. "Wenn ich daheim bin, versuche ich schon, irgendwas anderes zu tun", sagt er, Basketball zum Beispiel. Das freie Fahren, die Filmprojekte, die zweite Strömung in der Freestyler-Szene, hat er erst mal zurückgefahren. Das Wettkampffahren füllt ihn auch so aus, "weil es den Sport brutal vorwärts bringt", sagt Höpfl. Die neuen Tricks, den Triple-Corck etwa, einen Dreifachsalto mit dreifacher Schraube, "die sind alle bei den Contests gemacht worden, und durch die Contests sind viele drauf aufmerksam geworden", sagt Höpfl. Olympia habe seine Klassiker, Langlaufen, Skispringen, "aber wenn mal ein bisschen junges Blut reingemischt wird, tut das ganz gut".

Einen olympischen Zyklus traut er sich noch zu, bis Peking 2022. Er ist mittlerweile über die Sportfördergruppe der Bundeswehr abgesichert; in Südkorea will er sich unter den besten 15 einfinden, nach Platz 22 vor vier Jahren in Sotschi. Die Konkurrenz ist stark, angeführt von Olympiasieger Iouri Podladtchikov aus der Schweiz. Aber Höpfl hat seine beste Choreografie noch nicht gezeigt, er wollte sich erst mal sicher für Olympia qualifizieren. Und über die Feiertage wird er ohnehin kaum fahren, höchstens im weichen Tiefschnee, um auf andere Gedanken zu kommen. Das Knie wird es freuen.

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