Snooker-Profi:Der notorische Verlierer weint vor Freude

Betfair World Snooker Championship

Endlich ein Sieger: Mark King.

(Foto: Getty Images)

Er verzockte seinen Snookertisch, wurde im Internet verlacht: Mark King war 25 Jahre lang ein Verlierer seiner Sportart - dann dreht sich seine Welt.

Von Carsten Scheele

Dass Mark King die pinke Kugel noch sehen konnte, grenzte an ein Wunder. Als Blau fiel und das Publikum im Titanic Exhibition Centre von Belfast laut aufjohlte, stand dem Briten bereits das Wasser in den Augen. Er wischte es weg, bugsierte die vorletzte Kugel, Pink, ebenfalls in die Tasche, danach gratulierte ihm Barry Hawkins, sein Gegner. King, 42, ist nicht gerade als Heulsuse bekannt, er ist ein gestandener Snookerspieler, seit 1991, also seit 25 Jahren, auf der Tour dabei. Doch er hatte soeben sein erstes wichtiges Turnier gewonnen - also weinte er.

King war stets ein Spieler, über den Witze gemacht wurden. Als Held galt er nie. Weil er so zauderlich spielte, manchmal vor lauter Unsicherheit sein eigenes Spiel ramponierte. Bei Youtube gibt es ein Video, dessen Titel übersetzt lautet: "Mark King spielt den vielleicht schlechtesten Stoß der Snooker-Geschichte." Zu sehen ist der glatzköpfige Brite, der einen wirklich miesen Ball spielt, danach die Augen verschließt und sich am liebsten aus der Halle beamen möchte.

Dieser Spieler, der bei großen Turnieren so oft im Achtel- oder Viertelfinale ausgeschieden ist, stand nun völlig entrückt am Tisch in Belfast; seine Familie kam die Tribüne heruntergestürmt, er schloss sie fest in die Arme. "Ich habe davon geträumt, aber nie geglaubt, dass es wahr werden wird", sagte King ergriffen. Wieder Tränen.

Früher war er ein zwanghafter Zocker

Mark King ist nun ein Main-Tour-Sieger, danach sah es lange Zeit nicht aus. Ihm schien im Snookerzirkus eine tragische Rolle zugedacht zu sein, in jüngeren Jahren war er ein zwanghafter Zocker, der seine Persönlichkeit veränderte, sobald er einen Spielsalon betrat. In schlimmsten Zeiten hätten seine Spielschulden 100 000 Pfund betragen, berichtete er. King verkaufte sogar seinen Snookertisch - und verlor das Geld binnen zehn Minuten beim Roulette. Zwei Optionen habe er in dieser Zeit gesehen: Entweder einen Bankraub zu begehen oder sich umzubringen. Ohne seine Frau Sally, mit der er drei Kinder hat, und seinen Vater Bill, der sein letztes Geld für seinen Sohn ausgab, wäre er aus diesem Teufelskreis nicht herausgekommen.

Eine weitere Geschichte untermalt sein Verlierer-Image: 2004 verabredete er sich zu einem Boxkampf mit dem unbeliebten australischen Snookerspieler Quinten Hann, der von kaum jemandem auf der Tour geschätzt wurde. Auch King war der Ansicht, dass der flegelhafte Hann eins auf die Nase verdient hatte - also nahm er sich einen Trainer und erwarb eine Boxlizenz. Die englischen Medien sprangen dankbar auf das Thema an, der Kampf fand tatsächlich statt. Doch es lief, wie so häufig in Kings Leben: Er verlor.

Damit war am Sonntagabend bei der Northern Ireland Open in Belfast Schluss. Im Finale Best-of-17 führte King bereits 7:5, später 8:7, ehe er den vorletzten Frame per re-spotted black verlor. Sein Gegner Hawkins wartete, dass King nun abermals die Nerven verlor - doch King ließ sich diesmal nicht aus der Ruhe bringen. Er spielte die Partie nervenstark zu Ende, bis die Tränen kamen. Wenn am Dienstag die ehrwürdige UK Championship in York beginnt, wird King mit einem neuen Gefühl anreisen: Er, der notorische Verlierer, gilt plötzlich als Mitfavorit.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: