Slomka beim Hamburger SV:Ungebetene Ratschläge aus der Führungsetage

Training Hamburger SV

Lichtblick beim HSV: Der von Tottenham ausgeliehene Lewis Holtby (links) gibt nicht nur Trainer Mirko Slomka etwas mehr Zuversicht.

(Foto: dpa)

Falsches Training, falsche Aufstellung: HSV-Sportdirektor Beiersdorfer drängt Mirko Slomka, die Zugänge schnell in die Startelf zu integrieren. Lewis Holtby und Nicolai Müller müssen dem Trainer nun den Job retten. Gerüchte über einen prominenten Nachfolger kursieren bereits.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Wie sehr jemand Profi ist, kann man auch an seinen Autogrammen erkennen. Lewis Holtby schreibt seinen Namen nach den Übungsstunden am Volkspark geduldig auf Trikots, Fotos oder irgendwelche Papierschnipsel, die ihm Fans des Hamburger SV entgegen recken. Ein schwungvoller Bogen umschließt seine Unterschrift, den Namen kann man nicht wirklich lesen. Ein bisschen forsch, aber auch künstlerisch sieht das aus. So spielt er gewöhnlich auch Fußball.

Tatsächlich ist der Sohn eines Engländers und einer Deutschen, der soeben von Tottenham Hotspur ausgeliehen wurde, nicht nur der neue Hoffnungsträger der HSV-Anhänger. Holtby, dreimaliger deutscher Nationalspieler und demnächst 24 Jahre alt, ist auch für den Trainer ein Lichtblick. Er gibt Mirko Slomka vor dem Auswärtsspiel bei dessen langjährigem Verein Hannover 96 ein wenig Zuversicht.

Mirko Slomka hat im Mai 2013 zuletzt eine Bundesligapartie in der Fremde gewonnen, es war ein 3:1 mit Hannover 96 bei Bayer Leverkusen. Mit dem HSV, bei dem er seit Februar tätig ist, hat er außerhalb von Hamburg erst einen Punkt ergattert, zum Saisonstart mit einem 0:0 beim Aufsteiger 1. FC Köln. Dann kam daheim das "unterirdische" (Slomka) 0:3 gegen den anderen Aufsteiger SC Paderborn. Das ließ schlimme Erinnerungen an die vergangene Spielzeit aufkommen, als der dienstälteste Bundesligist knapp am ersten Abstieg seiner Geschichte vorbeigeschrammt war. Und deshalb ist Slomkas Arbeitsplatz, den er Ende 2013 schon in Hannover verlor, nach saisonübergreifend zehn sieglosen HSV-Spielen erneut in Gefahr.

Selbst wenn er am Sonntag erstmals den Umbruch auch in der Aufstellung dokumentiert und mit fünf oder sechs Zugängen in der Startelf beginnt, werden das keine Pluspunkte für ihn sein, wenn er nicht gewinnt. Die Umstellungen waren auch ein Anliegen seines Chefs Dietmar Beiersdorfer. Der Sportdirektor hatte sich beklagt, dass der Coach bis auf den Schweizer WM-Teilnehmer Valon Behrami nur jene Spieler von Beginn aufs Feld schickte, die im Vorjahr nach allgemeiner Auffassung versagt hatten. Statt unterstützender Worte schickte Beiersdorfer noch hinterher: "Jetzt ist der Trainer gefordert."

Bleiwesten und Rumpsteaks

Befeuert wurde der Anspruch wieder vom beredten Geldgeber Klaus-Michael Kühne, der mit seinen Darlehen nicht nur die Transfers von Holtby und Julian Green (FC Bayern) erleichterte. Kühne sagte: "Mit den Neuverpflichtungen sind wir auf dem richtigen Weg, nun ist es die Aufgabe eines qualifizierten Trainers, aus diesem Potenzial das Maximale herauszuholen." Auch der Aufsichtsratsvorsitzende Karl Gernandt, im Hauptberuf die rechte Hand des Logistik-Unternehmers Kühne, hat Forderungen an Slomka: "Es soll ein Maximum an mutigen Entscheidungen getroffen werden." Tatsächlich werden in Hannover wohl neben Behrami und Holtby als "Sechser" auch die Neuen Matthias Ostzrolek als linker Außenverteidiger, der Brasilianer Cléber in der Innenverteidigung für Heiko Westermann und in der Offensive Nicolai Müller, Zoltan Stieber, eventuell sogar Green erstmals beginnen.

Die Debatte um den Trainer wird dennoch weiter angeheizt. Das neue Aufsichtsratsmitglied Peter Nogly, in den Siebzigern HSV-Kapitän, befand nach dem 0:3 gegen Paderborn, bei dem die Elf sehr müde wirkte, obwohl sie angeblich fitter ist als in der vergangenen Saison: "Ich kann nicht verstehen, dass man vor einem so entscheidenden Spiel so hart trainiert." Slomka hatte die Profis mit Bleiwesten Treppenläufe machen lassen. Der frühere Keeper Uli Stein monierte, dass der Trainer sogar Torwart René Adler öffentlich in Frage stellte. Da laufe er Gefahr, "einen Spieler auf einer wichtigen Position zu verunsichern". Vermutlich spielt Jaroslav Drobny in Hannover im Tor. Der Coach baute schon mal vor. Er erhoffe sich von Spielern, die mal nicht in der ersten Elf spielten, dass sie sich bemühen, "noch besser zu werden".

Holtby könnte der HSV in einem Jahr kaufen: für sieben Millionen

Dass der oft gut informierte ehemalige Profi Hans Sarpei unlängst per Facebook mitteilte, "man tuchelt ja, dass der HSV demnächst einen neuen Trainer bekommt", stärkt den derzeitigen Coach ebenfalls nicht. Der bisherige Mainzer Thomas Tuchel gilt als Hamburg-Fan und ist ein Kandidat für einen Neuaufbau.

Slomka setzt die aus seiner Sicht "gute interne Arbeits-Atmosphäre" dagegen. Am Freitag feierte er seinen 47. Geburtstag und ließ dem Team uruguayische Rumpsteaks grillen. Schließlich hätten auch die Spieler von Uruguay ein "Kämpferherz", was er gerne übertragen würde, witzelte er. Wie lange Slomka noch beim HSV bleibt, ist ungewiss. Mit Holtby dagegen will Beiersdorfer, wie auch mit dem ehemaligen Mainzer Nicolai Müller, "langfristig" planen. Nächstes Jahr gilt eine Kaufoption über sieben Millionen Euro. Holtby selbst will eine Führungsrolle übernehmen: "Ich bin zwar noch jung, habe aber schon eine Menge Erfahrung." Stimmt: Der HSV ist nach Alemannia Aachen, Schalke 04, VfL Bochum, Mainz, Tottenham und dem FC Fulham schon der siebte Profi-Klub des 23-Jährigen.

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