Sloane Stephens bei den US Open:Allergie gegen defensive Schläge

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Locker in die dritte Runde eingezogen: Sloane Stephens

(Foto: AFP)

Sloane Stephens ist ein Versprechen. Die junge US-Tennisspielerin verfügt sowohl über die athletischen als auch über die technischen Fähigkeiten, um Nachfolgerin von Serena Williams zu werden. Wenn sie sich nicht ablenken lässt.

Von Jürgen Schmieder

John McEnroe ist kein Freund blumiger Metaphern oder witziger Vergleiche, schon als aktiver Tennisspieler äußerte er seine Meinung explizit und meist ungefragt. Mittlerweile wird er als Experte des amerikanischen Fernsehens befragt, das Explizite ist geblieben. Zu Beginn der US Open sagte er über die Aussichten der amerikanischen Spielerinnen: "Es gibt Serena Williams und danach erst einmal niemanden mehr. Die anderen müssen endlich Ergebnisse liefern, denn Serena wird nicht jünger - ansonsten ist das amerikanische Frauentennis in Gefahr."

Es war eine deutliche Ansage an Madison Keys, Jamie Hampton und Bethanie Mattek-Sands - vor allem aber war es eine Nachricht an Sloane Stephens. Die 20-Jährige erzielte in diesem Jahr einerseits bei den Grand-Slam-Turnieren gute Ergebnisse (Halbfinale in Melbourne mit einem Sieg gegen Serena Williams, Achtelfinale in Paris, Viertelfinale in Wimbledon), sie konnte andererseits kein einziges WTA-Turnier gewinnen.

"Ihr Abschneiden bei den US Open wird zeigen, ob der Hype um sie gerechtfertigt ist", prognostizierte McEnroe. Bei ihren ersten beiden Auftritten in Flushing Meadows präsentierte Stephens alles, wofür sie gelobt wird - und alles, was Kritik hervorruft. In der Nacht zum Donnerstag gewann sie während der Night Session im Arthur Ashe Stadium gegen Urzula Radwanska aus Polen mit 6:1 und 6:1. Sie spielte ihre Gegnerin nicht aus, sie überwältigte Radwanska einfach mit ihrer Dynamik.

Stephens ist mit einer Athletik ausgestattet, die im Frauentennis wohl nur von Serena Williams übertroffen wird. Sie bewegt sich flink und kann auch am Ende langer Ballwechsel noch dynamisch auftreten. Sie zermürbt ihre Gegnerinnen von der Grundlinie aus mit ihrer druckvollen beidhändig geschlagenen Rückhand und einer noch wuchtigeren Vorhand - es hat fast den Anschein, als hätte sie eine Allergie gegen defensive Slice-Schläge.

Das Zweitrunden-Match wirkte deshalb wie eine Konditions-Lehrstunde: Die Trainerin (Stephens) hetzte die Schülerin (Radwanska) von einer Ecke in die andere und wieder zurück. Die Partie dauerte nicht einmal eine Stunde.

Bloß nicht ablenken lassen

"Das war mein erster Sieg in diesem großen Stadion", sagte Stephens nach der beeindruckenden Vorstellung, "ich wollte mich den Zuschauern von meiner besten Seite präsentieren, wenn sie schon bis nach Mitternacht geblieben sind." Dann unterschrieb sie ein paar Tennisbälle und schlug sie auf die Tribüne. "Jetzt muss ich aber ins Bett", sagte sie dann.

Es ist wichtig zu erwähnen, dass Sloane Stephens beinahe keine Zweitrunden-Partie hätte spielen dürfen. Gegen die Luxemburgerin Mandy Minella wirkte sie am Montag lange Zeit unkonzentriert und lustlos, nach verlorenem ersten Satz fand sie erst nach einer Regenunterbrechung während des zweiten Durchgangs in die Partie. Im dritten Satz lag sie 2:4 zurück - und gewann am Ende doch.

Auf der großen Bühne, in den beeindruckenden Stadien, bei den bedeutenden Turnieren, da zeigt diese Sloane Stephens ihr bestes Tennis - ihre Bilanz bei den Grand-Slam-Turnieren 2013 liegt mittlerweile bei 14:3. Bei allen anderen Wettkämpfen: 17:15. Sie wirkt oft abgelenkt, was auch damit zu tun haben könnte, dass sie mittlerweile als Nachfolgerin von Serena Williams vermarktet wird. Sie ist mit zahlreichen Werbeverträgen ausgestattet, sie war auf den Titelseiten bedeutender Magazine zu sehen.

Das, so Kritiker, führe dazu, dass sie gegen nominell schwächere Spielerinnen unkonzentriert und leichtfertig agiere. Es dürfte die Zuschauer nicht wundern, wenn sie es Jim Courier nachmachen würde, der dereinst während der Seitenwechsel bei einer Partie ein Buch zückte und darin las. Stephens Variante wäre eine Twitter-Mitteilung an ihre mehr als 70.000 Fans.

Trainer David Nainkin sorgt deshalb dafür, dass Stephens bei Turnieren möglichst nicht abgelenkt wird. Als sie am Mittwoch um 16 Uhr auf die Anlage in Flushing Meadows kam und dann beinahe acht Stunden warten musste bis zum Beginn ihrer Partie, da verlangte Nainkin von Stephens, dass sie nicht herumlief, sich andere Spiele ansah oder mit dem Handy spielte: "Sie sollte schlafen, Lockerungsübungen machen und nur an ihre Aufgabe am Abend denken", sagte der Trainer während des Matches. Das funktionierte.

Sie ist ein Versprechen, diese Sloane Stephens. Sie verfügt sowohl über die athletischen als auch die technischen Fähigkeiten, um sehr viele Partien zu gewinnen bei diesen US Open. Die nächste Gelegenheit gibt es in der dritten Runde, Stephens muss gegen Jamie Hampton antreten - die 23-Jährige gilt ebenfalls als eine der Hoffnungen des amerikanischen Frauentennis'.

Es wäre sehr verwunderlich, wenn diese Partie nicht zur besten Sendezeit im Arthur-Ashe-Stadion ausgetragen würde. Perfekte Bedingungen also für Sloane Stephens.

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