Skispringerin Ulrike Gräßler:Ab auf die große Schanze

Nordische Ski-WM - Training Skispringer - Gräßler

Skispringerin Ulrike Gräßler: Bei allen Wettbewerben bisher gesetzt.  

(Foto: dpa)

Vom Showprogramm zur Olympischen Disziplin: Skispringerin Ulrike Gräßler hat in wenigen Jahren miterlebt, wie sich ihr Sport professionalisierte. In dieser Saison dürfen die Frauen erstmals auf eine Großschanze. Doch die beste Deutsche im vergangenen Weltcup muss auch erkennen: Die Konkurrenz im Frauen-Skispringen wird größer.

Von Saskia Aleythe

Als Ulrike Gräßler mit dem Skispringen begann, gab es ihre Sportart eigentlich noch gar nicht. Jedenfalls nicht für Frauen. Gut, da waren welche, die Schanzen hinuntersprangen und sich gegenseitig Bestweiten abluchsten. Doch Wettbewerbe, Weltcups, Weltmeisterschaften? Gar Olympische Spiele? Bis ins 21. Jahrhundert wurden Frauen im Skispringen nur zu Demonstrationszwecken vom Schanzentisch gelassen.

"Ich hatte als Kind immer den Wunsch, zu einer WM und zu den Olympischen Spielen zu fahren", sagt Gräßler, "mir war damals aber noch gar nicht bewusst, dass man dafür nicht nur richtig gute Sprünge zeigen muss, sondern dass die Rahmenbedingungen überhaupt erst mal gegeben sein müssen."

"Damals" ist für sie eine Zeit, in der Jens Weißflog und Dieter Thoma bei den Olympischen Spielen in Lillehammer zu Medaillen sprangen und Nachwuchstalente wie Sven Hannawald und Martin Schmitt noch am Absprung feilten. Es war 1994, Gräßler war sieben Jahre alt und es genügte ihr nicht mehr, lediglich ihrem älteren Bruder beim Skispringen im heimischen Eilenburg bei Leipzig zuzuschauen. Sie wollte selber springen.

"Früher war es für mich selbstverständlich, bei den Jungs mitzuspringen und es war eher eine Seltenheit, dass noch ein Mädchen mit an der Schanze war", erzählt sie. Nun ist Gräßler 25 Jahre alt, wenn sie sich heute den schneebedeckten Abhang herunterwirft, muss sie sich mit mehr als 50 Athletinnen aus aller Welt messen. Sie hat in ihrer Karriere miterlebt, wie rasant sich eine im Frauenbereich lange vernachlässigte Sportart professionalisieren kann.

Gräßler war dabei, als 2001 die ersten deutschen Meisterschaften ausgetragen wurden, sie hat die Einführung des Continentalcups im Jahr 2004 miterlebt und gewann Silber bei den ersten Weltmeisterschaften im Jahr 2009. Als die Frauen 2011 in ihre erste Weltcup-Saison starteten, landete Gräßler als beste Deutsche am Ende auf Rang vier.

Dass sie einmal zu den ersten weiblichen Profis ihrer Sportart gehören würde, stand für Gräßler nicht immer fest. Zum einen waren da die gesundheitlichen Bedenken: Zwei Mal musste sie an der Lunge operiert werden, die Ärzte empfahlen ihr, es mit dem Leistungssport sein zu lassen. Und dann war da noch die Sache mit der Ausbildung: Gerade noch rechtzeitig, als Gräßler ihr Abitur am Sportgymnasium in Klingenthal absolviert hatte, wurde Skispringen ins Sportförderprogramm der Bundespolizei aufgenommen. "Andernfalls hätte ich vielleicht aufgehört", sagt sie.

Die Entwicklungen im Skispringen der Frauen sind noch lange nicht abgeschlossen, auch in den vergangenen Monaten gab es weitreichende Entscheidungen: Im August wurde zum ersten Mal ein Mixed-Teamwettbewerb ausgetragen, bei dem je zwei Frauen und Männer der jeweiligen Nationalmannschaften antreten. Gräßler war dabei: Sie sprang mit Katharina Althaus, Pascal Bodmer und Andreas Wank beim Sommer-Grand-Prix auf Rang zwei hinter Japan.

Verpatzter Saison-Auftakt

Mittlerweile sind die Frauen in ihre zweite Weltcup-Saison gestartet, von Samstag an treten sie in Sotschi an. Beim Auftakt in Lillehammer Ende November gab es im Mixed-Wettbewerb einen vierten Platz für das deutsche Quartett - und Gräßler und ihre Kollegin Carina Vogt waren live im Fernsehen zu sehen. Mit der Austragung der Mixed-Wettbewerbe steigt auch die mediale Präsenz der weiblichen Athletinnen. "Damit rücken wir noch mehr in den Fokus der Öffentlichkeit", sagt Gräßler. In dieser Weltcup-Saison allerdings nur noch ein weiteres Mal: Bei der WM in Val di Fiemme.

Bei fast allen der 16 Weltcup-Stationen springen die Damen von der kleineren Normalschanze, beim Saisonfinale in Oslo im März 2013 soll es dann eine weitere Premiere geben: Der Internationale Ski-Verband FIS beschloss, die Frauen dort von der Großschanze starten zu lassen. "Ich finde die Entscheidung des FIS gut und ich denke, das ist ein schönes Finale für den Winter", sagt Gräßler.

Der Saisonstart im Einzelspringen verlief für Gräßler enttäuschend - im letzten Jahr noch beste deutsche Athletin, verpasste sie in Lillehammer als 36. den Sprung ins Finale. "Indiskutabel" nennt Gräßler auf ihrer Homepage ihr Abschneiden, das sie mit einem verpassten Absprung erklärt. "Das Niveau im Weltcup ist mittlerweile so hoch", so Gräßler, "dass man sich keine noch so kleine Schwäche leisten kann".

Kollegin Vogt feierte mit Platz vier ihr bestes Weltcupergebnis. Ganz oben stand die Japanerin Sara Takanashi vor Sarah Hendrickson. In der vergangenen Saison konnte die Amerikanerin noch neun von 13 Springen für sich entscheiden und das meist souverän.

Was den Skispringerinnen noch fehlt, ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Sie kämpften für einen Start 2010 in Vancouver, doch das Internationale Olympische Komitee (IOC) entschied sich aufgrund der Leistungsunterschiede dagegen. Anfang 2011 rang sich das IOC dann doch durch: Es genehmigte den Start der Skispringerinnen bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi.

"Für mich war das gar nicht mehr ein so besonderer Moment", sagt Gräßler abgeklärt, "irgendwann musste es ja mal so kommen." Mit Emotionen verbunden sind die Olympischen Spiele für Gräßler dennoch. "Die Teilnahme ist ein ganz großes Ziel", sagt sie, "aber jetzt kommen erst einmal der Weltcup und die WM." Vokabular, das es in ihrer Sportart noch gar nicht gab, als Gräßler mit dem Skispringen begann. Jedenfalls nicht bei den Frauen.

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