Skispringer Andreas Wellinger:Neues deutsches Knabenwunder

Skispringer Andreas Wellinger: Andreas Wellinger: Instinkt-Skispringer.

Andreas Wellinger: Instinkt-Skispringer.

(Foto: AP)

Andreas Wellinger ist erst 17 Jahre alt - und doch bereits einer der besten Skispringer der Welt. Auf den Typ vom Schlage eines Martin Schmitt oder Sven Hannawald warten die Vermarkter des Showsports Skispringen seit Jahren.

Von Thomas Hahn

So also fühlt sich eine Karriere an. Andreas Wellinger staunt. Gar nicht so anders, als er sich das vorgestellt hat. Schön eben, erhebend. Kameras hat er gesehen, Mikrofone, fragende Erwachsenen-Augen, viel Bewunderung, vor der man sich in Acht nehmen muss. So ähnlich hat der Skispringer Wellinger, 17, sich das ausgemalt, als er noch ein unbekannter Bub mit Platz im Ski-Internat Berchtesgaden war. Es gefällt ihm.

Erst weit springen, dann sich von den Erwachsenen befragen lassen und nichts zu ernst nehmen. Drei Pressekonferenzen hat er mittlerweile mitgemacht: eine beim Weltcup in Sotschi vor einer Woche als Drittplatzierter, eine am Samstag in Engelberg, die der Deutsche Skiverband (DSV) mit Blick auf die Vierschanzentournee veranstaltete. Und eine weitere Siegerpressekonferenz tags darauf nach dem Sonntagsweltcup auf der Titlis-Schanze, weil er dort Zweiter geworden war. Andreas Wellinger fand alle drei nicht schlecht. Er lächelt. "Man könnte sich dran gewöhnen", sagt er.

Man muss ein bisschen aufpassen, dass es in diesen Tagen nicht zu Verwechslungen kommt in der Mannschaft der DSV-Skispringer von Bundestrainer Werner Schuster. Nicht der Teenager Wellinger ist gerade ihr Bester, sondern weiterhin Severin Freund von der DJK Rastbüchl, der nach diesem verwaschenen Wochenende in Engelberg mit den Rängen vier (Samstag) und sechs (Sonntag) Zweiter im Gesamtweltcup ist hinter dem österreichischen Sonntagssieger Gregor Schlierenzauer. Trotzdem ist Andreas Wellinger gerade der Mann im Blickpunkt. Weil er neu ist. Weil er jung ist. Weil er als Weltcup-Vierter eine zuverlässige deutsche Nummer zwei ist.

Und vielleicht auch, weil er das gewisse Etwas hat, das ihn eines Tages zu einer besonderen Figur des Wintersporttheaters machen könnte. Andreas Wellinger könnte das Knabenwunder sein, auf welches die Vermarkter des Showsports Skispringen seit Langem warten: ein deutscher Charismatiker vom Schlage eines Martin Schmitt oder Sven Hannawald, der nicht nur Experten begeistert, sondern auch die Sehnsüchte des Boulevards bedient und im großen Sportfernseh-Deutschland zu einer neuen Auflage des sogenannten Skisprungbooms führt.

"Er hat auch von seinem Charakter her das, was ihr sicherlich von der journalistischen Seite her gerne seht", sagt der österreichische Nationaltrainer Alexander Pointner, "nämlich ein junges, frisches Gesicht, wo man weiß, wenn die sportliche Leistung passt, dann kann man den auf mehreren Ebenen herzeigen."

Konkrete Vorstellungen

Andreas Wellinger weiß das natürlich nicht, wo genau man sein Gesicht überall herzeigen kann, es ist ihm im Moment auch egal. Er ist da in etwas hineingeraten, das er selbst "überraschend" findet, und hat jetzt damit umzugehen. Im Januar ist er noch bei Jugend-Olympia in Innsbruck gestartet, ist dort Vierter im Einzel sowie Goldgewinner im Team geworden.

Und als er in die Vorbereitung auf die neue Saison einstieg, deutete für ihn zunächst nichts auf einen schnellen Aufstieg in den A-Kader hin. "Zu Beginn des Sommers habe ich gedacht, ich springe wie der erste Mensch." Aber dann wurde seine Technik stabiler, es ging weit für ihn, er überzeugte beim Mattenspringen, gewann einen Continental Cup in Lillehammer. Im Herbsttraining war er so gut, dass Werner Schuster ihn für den Weltcup nominierte.

Und nun ist Andreas Wellinger einer der Protagonisten im neuen Hoch der deutschen Mannschaft. Das Skispringen ist tückisch, viele Talente sind schon von den Schanzen in andauernde Krisen gestürzt. Aber Wellingers Talent wirkt belastbar. Er ist ein Sohn der reformierten deutschen Skisprungschule, die der Österreicher Schuster eingeführt hat. Er ist Ski-Internatsschüler, seit er zwölf ist. Und er ist einer mit einem gewachsenem Skigefühl.

Er war längst ein kleiner, kühner Alpinski-Bayer, als er sich 2001/02 mit sechs vom Vierschanzentournee-Triumph des Sven Hannawald inspirieren ließ. Beim SC Ruhpolding hat er dann eine umfassende Ski-Nordisch-Ausbildung genossen, erst mit 15 wechselte er von der Kombination zum Spezialsprung, weil er "zu faul zum Langlaufen" war, wie er sagt. Die Trainer schwärmen von Wellingers Körperbeherrschung. Und Werner Schuster erinnert Wellingers aggressiver Stil an die Art, wie einst Österreichs Olympiasieger Thomas Morgenstern sprang. "Er ist ein Instinktspringer", sagt Schuster, "das kann man einem Springer gar nicht so beibringen."

Es folgt die erste große Prüfung für den jungen Wellinger, für das gesamte neue deutsche Skisprunghoch: die Vierschanzentournee ab 29. Dezember, mit dem ganzen künstlichen Theater und Getöse drumherum. Aber Andreas Wellinger wirkt nicht besonders beeindruckt. Er lächelt, er schaut furchtlos in den Augenblick hinein. Er hat Vertrauen in sein Talent, und unter Druck lässt er sich erst recht nicht setzen.

Andreas Wellinger hat schon seit geraumer Zeit eine konkrete Vorstellung davon, was er erreichen will. Die Träume vom Wintersport-Ruhm gehören auf dem Ski-Internat doch irgendwie dazu zum Lehrplan. Er hat gelernt, sie sich zu erfüllen, und auch wenn alles ein bisschen schnell gegangen ist bei ihm, wirkt er jetzt ganz gut vorbereitet auf seine Rolle als Spitzenspringer. "Ich nehme mir vor, bei der Tournee zu zeigen, was ich draufhabe", sagt Andreas Wellinger. Mehr nicht. Mehr braucht es auch nicht.

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