Skispringen:Viel Luft zur Spitze

Ski Jumping World Cup in Engelberg

Anflug auf den Schanzenrekord: Domen Prevc, 17, ist spätestens seit seinem Sieg am Sonntag in Engelberg Topfavorit für die Vierschanzen-Tournee.

(Foto: Urs Flueeler/dpa)

Der junge Domen Prevc etabliert sich als Favorit für die Tournee, die Deutschen müssen sich noch steigern.

Von Volker Kreisl, Engelberg

Vom Titlis, dem 3238 Meter hohen Gipfel über Engelberg, fallen fast immer Winde herab. Erst ist es nur sonnengewärmte Luft, aber am Nachmittag kühlt sie ab und macht sich auf den Weg hinunter ins Tal, wo ihr plötzlich eine Schanze im Weg steht, mit Skispringern darauf. Diese Titlis-Schanze ist zwar frisch renoviert, mit neuer Lichttechnik und einer runderen Kurve versehen - nur, dieser Rückenwind lässt sich halt nicht wegrenovieren. Genau dort, wo die Schanze am stärksten aus dem Hang heraus ragt, am Sprungtisch, da bläst der Wind manchmal mit drei Metern pro Sekunde. Vielen Springern ist das egal, Severin Freund nicht.

Die Skisprung-Mannschaft des deutschen Verbandes hat manche Teilerfolge zuletzt erzielt, aber Teilerfolge gehen in einem Sportresultat unter. In Engelberg sortierten sich andere auf dem Treppchen. Gewonnen hatte am Samstag im ersten Springen der Österreicher Michael Hayböck und am Sonntag der überragende junge Slowene Domen Prevc, 17. Die Deutschen hatten mit den Podestplätzen nichts zu tun, weil auch ihren Besseren von zwei Sprüngen jeweils nur einer wirklich gelang. "Wir haben noch ordentlich Luft zur Spitze", sagt Bundestrainer Werner Schuster.

Am Samstag war Richard Freitag (Aue) mit 140 Metern im ersten Sprung am weitesten geflogen, im zweiten dann aber bei 126,5 Metern gelandet. Beim Siegsdorfer Markus Eisenbichler war es umgekehrt, er befreite sich im zweiten Sprung und wurde am Ende Siebter. Am Sonntag tat sich dann erstmals auch Andreas Wellinger (Ruhpolding) hervor, seinen guten ersten Versuch von 137,5 Meter konnte er aber nicht bestätigen. Bester aus Schusters Team war daher Eisenbichler als Fünfter. Und Severin Freund? Er kämpfte teils mit der Landung und teils mit dem Wind.

Seit drei Jahren ist er der Einzige im Team, der verlässlich aufs Podium springt, in diesem Jahr jedoch tut er sich schwer. Im Januar war er in Innsbruck gestürzt, im März hatte er eine Hüftoperation, im September sprang er wieder. Im Oktober war seine Hüfte aber noch nicht voll gelenkig, im November gewann er dann überraschend den ersten Weltcup, und im Dezember bestätigte sich, dass dies noch eine Ausnahme war. "Es fehlt die Konstanz", sagte er auch in Engelberg.

Die Schanze hat er noch nie gemocht, denn dort muss er, wie Schuster sagt, "gegen den eigenen Instinkt springen". Freund ist der Typ, der statt eines Sprunges nach oben lieber einen aggressiven Satz nach vorne macht, und in Engelberg drückte ihn der Rückenwind da früh nach unten. Und wenn der Wind doch etwas nachließ, dann misslang ihm die Landung, wie im ersten Durchgang am Sonntag. Bis auf 138,5 Meter war er da endlich hinab gekommen, geriet aber arg ins Trudeln, was ihn drei Wertungspunkte kostete. Die Form der vergangenen Winter, als er Einzel-Weltmeister und Tournee-Zweiter wurde, hat er also noch lange nicht; beim Wiederaufbau will er sich nicht unter Druck setzen: "Es wird nicht besser, wenn ich jetzt rumhektisiere", sagt er. Andererseits will er sich auch keine "Wand im Kopf" aufbauen: "Im Skispringen geht's manchmal wieder ganz schnell."

Insgesamt reisen Schusters Springer, anders als in den vergangenen Jahren, also ohne Podestkandidaten zur Vierschanzentournee, die am 28. Dezember startet. Und Schuster muss feststellen, dass er nun zwar als einziger Coach vier bis fünf Springer unter die besten 15 bringt, dass aber das Publikum bei der Tournee lieber einen richtigen Siegspringer sehen will.

Als Favorit gilt nun Domen Prevc, der seinen im Formtief springenden älteren Bruder Peter als Tourneesieger ablösen dürfte, falls er seine Form hält. Domen Prevc sprang auch in Engelberg mit riskanter Vorlage, mit breit und plan gestellten Skiern, sehr geringem Körper-Ski-Abstand - und mit frühem Selbstvertrauen. Vor der Vierschanzentournee Favorit zu sein, empfindet er nicht als Druck, er sagt: "Druck ist die Familie Prevc gewohnt."

Seine Sprunghaltung macht ihm jedenfalls keiner nach, dennoch gibt es weitere Kandidaten. Zu den Welttcup-Vorderen Stefan Kraft (Österreich), Daniel Andre Tande (Österreich) und Kamil Stoch (Polen) kam Hayböck hinzu. Die Deutschen setzen erst mal auf Zeit, sie werden in Oberstdorf noch ein paar Tage trainieren, auf der ersten Tourneeschanze, ohne Engelberger Rückenwind.

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