Skispringen:Und sie schauen in den Himmel

Die deutschen Skispringer sammlen am ersten Wochenende der nordischen Ski-WM einen kompletten Medaillensatz ein. Carina Vogt gewinnt Gold von der Kleinschanze.

Von Volker Kreisl, Lahti

Der Tag endete mit einem Feuerwerk. Hinter der Tribüne, über den Wipfeln der Nadelbäume zischten Raketen in die Luft, zerplatzten in roten, blauen, gelben Punkten und verursachten unten im Rund ein gewaltiges Handy-Blitzlichtgewitter. Im Stadion staunten 35 000 Skisprungfans, auch wenn man den besten Blick auf die Show oben vom Balken gehabt hätte. Aber da saß keiner mehr, auch nicht die Deutschen. Sie standen in der Mixed-Zone und schauten in den Himmel.

Feuerwerke werden sonst eher zum Finale großer Veranstaltungen gegeben. Für den schon 48 Stunden lang über sich selber staunenden Deutschen Skiverband (DSV) passte es aber auch schon zu diesem frühen Zeitpunkt, drei Tage nach dem Beginn der Nordischen Ski-WM in Lahti. Die Kombinierer hatten mit einem Komplett-Podest vorgelegt, was trotz ihrer großen Überlegenheit so nicht erwartet worden war. In den beiden Wettkämpfen danach waren auf der Kleinschanze dann die Skispringer dran, und auch sie übertrafen alle Hoffnungen. Carina Vogt machte aus ihren bisher zwei Siegen bei Groß-Events gegen die japanische Weltcup-Rekordlerin und Skisprung-Prinzessin Sara Takanashi eine kleine Serie mit ihrer nun dritten Goldmedaille. Die oberbayrischen Skisprung-Burschen Andreas Wellinger und Markus Eisenbichler wiederum schlossen sich dem am nächsten Tag an und holten hinter dem Österreicher Stefan Kraft Silber und Bronze. Und im Mixed-Wettkampf am Sonntagabend gewannen dann alle zusammen mit Svenja Würth (Baiersbronn)

Carina Vogt of Germany celebrates after winning the ladies normal hill (HS100) ski jumping final in the FIS Nordic Ski World Championships in Lahti

Gold: Carina Vogt trug mit ihrem Sieg wesentlich dazu bei, dass sich der Deutsche Skiverband bereits einen kompletten Medaillensatz im Skispringen sichern konnte.

(Foto: Lehtikuva/Reuters)

nochmals Gold, knapp 35 Punkte Vorsprung hatten sie vor Österreich. Mehr lässt sich kaum aus so einem Wochenende herausholen, der Höhepunkt war aber der Samstagabend, und aus deutscher Sicht Eisenbichlers Tagesbestweite im Finaldurchgang. Sechster war er da noch, aber plötzlich hatte er Medaillenchancen. Die fünf, die noch oben saßen, waren verunsichert, sogar Wellinger dachte: "Oh, jetzt muss ich mich aber lang machen." 100,5 Meter - Eisenbichler hatte für sich eine Tür geöffnet. Der 25-Jährige erlebt ja seinen bislang besten Sprungwinter, doch trotz hohen Niveaus hat er immer wieder auch Hänger. Er startete perfekt in die Saison, ließ dann nach, war bei der Vierschanzentournee der beste Deutsche, ließ wieder nach, sprang wieder in die Top Ten und zeigte Licht und Schatten im Training von Lahti. Und nun löste er mit diesen 100,5 Metern womöglich den Knoten. Seine Spezialität ist das Fliegen, und am Donnerstag geht es auf die Großschanze.

Zwei dritte Plätze hat der Siegsdorfer Eisenbichler bisher erreicht, einen im Weltcup und nun die Bronzemedaille bei der Weltmeisterschaft. Er war in der vergangenen Saison wegen krassen Formabfalls in den zweitklassigen Conti-Cup versetzt worden und hatte sich mit Hilfe seiner Heimtrainer langsam wieder nach vorne gearbeitet, stetig und pingelig, wie es auch Andreas Wellinger aus dem Nachbarort Ruhpolding tat. Was genau ihr Schlüssel für den Durchbruch ist, das wollen die beiden wie viele Skispringer nicht exakt darlegen, sie wiederholen die Bewegung eben so lange, bis Geist, Körper und Seele alles kapiert haben. Eisenbichler sagt nur: "Ich muss meine Sachen richtig machen." Wellinger sagt: "Das Geheimnis ist harte Arbeit, du musst jeden Tag dein Bestes geben."

Men's Ski Jumping HS100 - FIS Nordic World Ski Championships

Sprung zu Silber und Bronze: Andreas Wellinger (li.) und Markus Eisenbichler (re.) belegten den zweiten und dritten Platz von der Normalschanze.

(Foto: Matthias Hangst/Getty)

Gerade im entscheidenden Moment. Die Polen Kamil Stoch und Dawid Kubacki sowie der Österreicher Michael Hayböck waren nacheinander an Eisenbichlers Weite gescheitert, Wellinger aber hatte genügend Vorsprung, um mit 100 Metern wieder vorbeizuziehen. Dann kam Stefan Kraft, der beste Springer bisher im Februar. Er landete knapp hinter der grünen, in den Schnee projizierten Siegerlinie, so dass es noch einmal spannend wurde: Am Ende war er den anderen nur um 2,1 Punkte voraus, umgerechnet gut ein Meter.

Kraft war gelassen geblieben, wie ein Springer eben, der von seiner Heimat im Pongau südlich von Salzburg gewissermaßen immer getragen wird. Von Sara Takanashi konnte man das im Frauen-Springen am Abend zuvor nicht sagen. Sie wird in ihrer Heimat angehimmelt, überhöht und gefordert. Noriaki Kasai, 44, andere Springer, Kombinierer - die 20 Jahre alte Takanashi stellt sie in Japan alle in den Schatten. Doch wieder war der Druck zu groß. Wieder hatte die Japanerin die Saison nach Belieben beherrscht, und die Schwäbin war hinterhergesprungen. Wie bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi und bei der WM 2015 in Falun war Takanashi die Favoritin, weil Carina Vogt fast eine Saison lang auf den hinteren Plätzen landete. Und wie damals reparierte sie die Schäden ihrer Form rechtzeitig und gewann zudem auch noch den Mixed-Titel. In Lahti ging es um minimales Detail. Sie brauchte nur zwei, drei Millimeter weniger im Hock-Winkel, also lediglich einen flacheren Keil im Schuh. Ihr 98,5-Meter-Sprung im zweiten Durchgang war dann zu viel für Takanashis Nerven. Die Skispringer des DSV können nach diesen ersten drei Tagen also zweimal Gold, und je einmal Silber und Bronze vorweisen, auch ihre Bilanz dahinter ist auffällig. Die Abteilung Fliegen hat zwei männliche Hoffnungsträger, die nach langer harter Arbeit gerade durchstarten, und dazu eine Springerin mit nun fünf Goldmedaillen, aber nur zwei Weltcupsiegen.

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