Skispringen:Favorit bei der Vierschanzentournee

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Gefeiert wie ein Popstar: Richard Freitag rockt die Szene der Skispringer derzeit wie kein anderer.

(Foto: Thomas Bachun/imago)
  • Richard Freitag gewinnt in Engelberg die Generalprobe der Vierschanzentournee.
  • Der Weltcupführende liefert seit Wochen konstant gute Leistungen ab - auch Andreas Wellinger ist in starker Form.
  • Die deutsche Mannschaft geht mit so guten Vorraussetzungen wie lange nicht in die Vierschanzentournee.

Von Volker Kreisl, Engelberg

Generalproben sind interessante Veranstaltungen, sie gelten als besonders wichtiger Wegweiser für das Hauptereignis, und das, obwohl sie oft kaum Aussagekraft haben. Der vorweihnachtliche Weltcup in Engelberg ist traditionell das letzte Treffen der Skispringer vor der Vierschanzentournee, der Schweizer Ort nennt seinen Weltcup also Generalprobe, obwohl in den vergangenen sechs Wintern die dortigen Sieger dreimal gar nichts mit dem Tourneeausgang zu tun hatten, einmal zumindest das Podium erreichten - und nur zweimal tatsächlich gewannen.

Das ergibt die sichere Erkenntnis: Wer in Engelberg gut drauf ist, könnte vielleicht die Tournee gewinnen, vielleicht aber auch nicht. Insofern muss sich der 26 Jahre alte Richard Freitag aus Sachsen jetzt noch nicht viel darauf einbilden, dass er am Sonntag am Berg Titlis souverän gesiegt hat, nachdem er am Samstag Zweiter hinter Anders Fannemel (Norwegen) wurde. Umgekehrt zählt Andreas Wellinger, 22, aus Weißbach bei Ruhpolding weiter zu den Favoriten, auch wenn er in Engelberg zweimal bloß Sechster wurde.

Für eine Tourneeprognose braucht es weitere Eindrücke und die Entwicklung des bisherigen Winters. Und daraus lässt sich schon etwas ablesen für das, was am 29. Dezember in Oberstdorf beginnen und am 6. Januar in Bischofshofen zu Ende gehen wird: Die Tournee hat viele Podiums-Anwärter. Unter anderem dabei sind der Österreicher Stefan Kraft, im vergangenen Jahr Weltcupgesamtsieger, der Norweger Daniel Andre Tande, 2017 Tournee-Dritter, und der Pole Kamil Stoch, 2017 Tournee-Gewinner. Dazu kommen Halbfavoriten wie der Engelberg-Sieger vom Samstag, Fannemel eben, oder der Japaner Junshiro Kobayashi. Zudem sind da zwei ehrgeizige Altkönner, deren Comeback sich irgendwann abzeichnet, der Schweizer Simon Ammann und der Slowene Peter Prevc. Und dann auch noch die Deutschen.

Auch das Team ist stark - 151 Punkte liegt Freitag vor Wellinger im Gesamtweltcup

Freitag dominiert im Gesamtweltcup, er hat da 151 Punkte Vorsprung auf Wellinger. Die beiden haben in der Generalprobe nun das gezeigt, was sie bereits bisher in der aktuellen Saison auszeichnete: Sie wirkten bei sämtlichen Sprüngen selbstbewusst. Und sie hatten offensichtlich großen Spaß an ihrem Sport, nun auch in den vier Finalsprüngen dieses Wochenendes. Beide überzeugten auf dieselbe Weise, wie im November und Dezember in Kuusamo, Nischni Tagil und Titisee-Neustadt: Freitag mit Konstanz auf höchstem Niveau, Wellinger mit der Fähigkeit zu kontern, wenn der erste Sprung wegen des Windes oder wegen eines Fehlers nicht gelang.

Am Samstag war der Oberbayer wie in Nischni Tagil bei starkem Rückenwind vom Tisch gegangen, hatte aber nicht die nötige Höhe für einen Flug, der ihn weit nach unten tragen würde. Abermals jedoch überraschte er mit dem Finalsprung, bei dem er die zweitgrößte Weite des Wettbewerbs erreichte, sich länger auf dem Präsentationsplatz des Führenden einrichten durfte und 15 besser platzierte Weltcup-Kollegen übersprang. Wellinger kam auf Platz sechs, Freitag wurde Zweiter, und weil sich auch Markus Eisenbichler verbesserte, frohlockte Bundestrainer Werner Schuster: "Wir haben ein breit aufgestelltes Team." Und: "Dieser zweite Durchgang kann noch etwas bewirken."

Die Ahnung bestätigte sich. Eisenbichler und Wellinger reihten sich tags darauf als Fünfter und Sechster in jene Gruppe ein, die kompakt hinter dem Führenden lag. Fünf Punkte trennten den Zweiten und den Sechsten, das entspricht nur drei Metern bei der Landung, alles ist da möglich.

Richard Freitag dagegen scheint immer weiter zu fliegen: Sein Vorsprung betrug am Sonntag rund zwölf Zähler, von nichts zeigt er sich derzeit beeindruckt, von keinem Wetterwechsel, nicht von den Besonderheiten der Schanzen und auch nicht von der wachsenden Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird. Auf die Favoritenfrage antwortet er stets: "Es macht wirklich Spaß zu springen. Ich weiß, was ich trainiere und ich weiß, dass ich das zurzeit ziemlich gut mache." Freitag fliegt scheinbar wie im Schlaf, er trifft den Punkt zum Absprung am besten und liegt schnell und stabil in der Luft.

Und das ist schon eher ein verlässliches Vorzeichen: Jene Engelberg-Sieger, die zuvor derart stark dominierten, die dann in der Schweiz die Tendenz des Dezembers bestätigten, die kamen auch bei der Tournee weit. Manche gewannen sogar.

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