Skispringen:Familienfeier im Labor

In Engelberg siegt Peter Prevc vor seinem erst 16 Jahre altem Bruder Domen Prevc. Noriaki Kasai, der Dritte, ist so alt, dass er dessen Vater sein könnte.

Von Volker Kreisl, Engelberg 

Wenn es mal nicht windet, wenn die Sicht gut ist und auch keine Schneeflocken gegen die Skibrille fliegen, dann reden Skispringer gerne von Laborbedingungen. "Wir sind alle froh, dass wir noch mal ein paar Sprünge unter Laborbedingungen machen konnten", sagte Andreas Wank am Samstag und blickte sich um. Das Labor von Engelberg war geradezu steril, es hatte kaum Wind, einen sauberen Anlauf, einen großen stabilen, geschwungenen Tisch zum Abspringen und eine riesige, einwandfreie Unterlage für die Landung.

Alles sauber also, anders als bei den anderen Weltcupspringen im Dezember gab es keine weiteren äußeren Einflüsse. Die Skispringer wussten nach dem ersten von zwei Springen in Engelberg, wie ihre Leistungen einzuordnen sind - neun Tage vor dem Start der Vierschanzentournee. Gewonnen hatte Peter Prevc aus Slowenien, der Gesamtweltcupführende. Zweiter wurde Domen Prevc, Peters jüngerer Bruder, der andeutete, dass er irgendwann so gut springen wird wie der ältere Prevc, vielleicht sogar besser. Mit dem Drittplatzierten, Noriaki Kasai aus Japan, ist Domen Prevc nicht verwandt, doch dafür heißt es im Skisprungzirkus sehr häufig, Domen könnte Kasais Sohn sein, denn Domen Prevc ist erst 16, Kasai dagegen schon 43.

FIS Ski Jumping World Cup in Engelberg

Schön anzusehen, aber führt leider nur auf Platz vier: Richard Freitag beim Auftaktspringen in Engelberg.

(Foto: Alexandra Wey/dpa)

Eher verhaltene Freude bei den Deutschen

Es war also ein nicht alltägliches Trio auf einem Podium, und alle tatsächlichen und theoretischen Verwandten grinsten breit bei der Pressekonferenz. Ein bisschen verhaltener dagegen freuten sich die Skispringer des Deutschen Skiverbandes, als sie aus der Labor-Arena abtraten. Sie hatten am Samstag Licht und Schatten gezeigt, aber weil sich zwischen den dargebotenen Sprüngen doch teils deutliche Unterschiede auftaten, ließ sich daraus keine wirkliche Tendenz für die Form der Deutschen bei der Vierschanzentournee ablesen.

Am besten war Richard Freitag (Aue) als Vierter platziert, doch er beurteilte das Resultat als "nicht ganz zufriedenstellend". Klar, er hatte lange in Führung gelegen und war als Zweiter hinter Peter Prevc in den Finaldurchgang gegangen. Sein erster Sprung war exzellent gelungen, beim zweiten hatte ihn dann ein bisschen zu viel "Übermut" am Schanzentisch gepackt, wie er es ausdrückte. Das Timing verrutschte ein wenig, die Flugkurve geriet zu kurz, Freitag fiel zu früh herunter in den Schnee, und damit auch vom Podium.

FIS Ski Jumping World Cup in Engelberg

Domen (links) und Peter Prevc machen den ersten Familien-Doppelsieg in der Geschichte des Weltcups perfekt. Noriaki Kasai wird Dritter.

(Foto: Urs Flueeler/dpa)

Insgesamt befand er aber nach mancher Enttäuschung in den vergangenen Wochen: "Der Weg stimmt auf jeden Fall, es geht wieder bergan." Ähnlich geht es Andreas Wellinger, dem Ruhpoldinger Talent, der zunächst einen äußerst stabilen Sprung auf 135 Meter im Probedurchgang vorlegte, es allerdings auch in Engelberg nicht schaffte, die Leistung zu wiederholen. Mit nur 120 Metern im ersten Durchgang kam er nicht mehr unter die besten 30 des Finales.

Severin Freund der stabilste DSV-Springer

So bleibt Severin Freund (Rastbüchl) weiterhin der Stabilste im DSV-Team. Er hatte sich schon kürzlich unter den widrigen Bedingungen in Nischni Tagil/Russland und in Lillehammer/Norwegen ordentlich präsentiert, nun gelangen ihm auf einer Schanze, die er nicht sonderlich mag, zwei Sätze auf 133 und126 Meter und im Gesamtklassement Platz acht. "Ich bin hier schon deutlich schlechter gesprungen", sagte er. Wichtig in Engelberg sei es, das Gefühl für die Tournee aufzubauen, und "dass man im Rhythmus bleibt". Man müsse alles geben, um am Sprung weiter zu arbeiten. Engelberg mit seinem zuweilen schwer zu findenden Absprungpunkt auf dem länglichen Schanzentisch sei für ihn da durchaus aussagekräftig.

Nicht nur für die Deutschen, auch für alle anderen, Slowenen, Norweger und Österreicher, ergab dieser erste Wettkampf unter Normalbedingungen nach langer Zeit die Möglichkeit, sich wieder an die Abläufe eines Sprunges zu gewöhnen. Engelberg gilt sonst als Generalprobe für die Tournee, diesmal war es ein Labor für die Weiterentwicklung. Ein Wettkampf folgt noch am Sonntag, dann ist Weihnachten, und wenn die Feiertage vorbei sind, wartet die Vierschanzentournee, bei der allen der Wind der Erwartungen wieder ins Gesicht bläst.

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