Skispringen:Der Wind als Rausschmeißer

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Wegen des Wetters endet eine lange Saison abrupt. Der Österreicher Stefan Kraft ist Gesamtsieger, auch die deutschen Aussichten auf den Olympiawinter sind gut - vor allem wegen Andreas Wellingers Durchbruch.

Von Volker Kreisl, Planica/München

Der letzte Akt wurde dann doch abgesagt. Der Vormittagswind, der durch das Tal von Planica im Norden Sloweniens pfiff, war einfach zu stark. Die Saison der Skispringer wurde im Rennbüro beendet, ohne Finaldurchgang, nur mit den Weiten des ersten Springens. Somit war es verfrüht offiziell: Der Gesamtsieger des Winters 2016/2017 ist der Österreicher Stefan Kraft, 23. Zweitbester knapp dahinter der Vierschanzen-Gewinner Kamil Stoch aus Polen. Und ein gefühlter Sieger, jedenfalls in eigener Sache, ist der Oberbayer Andreas Wellinger, der Mann mit dem größten Leistungssprung in dieser Saison.

Sie alle hätten wohl gerne noch diesen letzten Durchgang mitgemacht, ein Ein-Akter in einem von äußeren Einflüssen so abhängigen Sport ist immer unbefriedigend. Andererseits - irgendwann muss es ja auch mal gut sein.

Der slowenische Wind war an diesem Vormittag wie ein schlechtes Lied, ein Rausschmeißer, der die ewig feiernden Gäste irgendwann von der Tanzfläche vertreibt. Kein Winter-Weltcup hat sich derart in die Länge gezogen wie derjenige der Skispringer. Zwei Großveranstaltungen und eine Serien-Premiere hatte der Weltverband Fis in die vorolympische Saison gepresst: die Vierschanzen-Tournee, die Weltmeisterschaften in Finnland und dann noch die Raw-Air-Reihe, eine neue Norwegen-Serie mit fünf Stationen und insgesamt 100 000 Euro Preisgeld. Im Weltcup waren es insgesamt 27 Einzelwettbewerbe, und in Planica, zum Abschluss, standen die Zuschauer und Athleten dann kurzärmelig im Zielraum, weil es halt doch schon arg warm geworden und der Wintersport im Frühling gelandet war.

Im Frühling gelandet nach 27 Einzelwettbewerben: Gesamtsieger Stefan Kraft auf der Flugschanze von Planica. (Foto: Jure Makovec/AFP)

Es wurde dennoch ein Fest. Zum Skifliegen auf der Traditionsschanze in Planica kamen wieder tausende Zuschauer, sie erlebten zwar keine Weltrekorde, aber spektakuläre Weiten. Stoch hatte mit 251,5 Metern einen neuen Schanzenrekord aufgestellt. Kraft und Wellinger, die in höheren Luftschichten zu schweben scheinen und trotzdem fast immer sauber landen, setzten ihr Dauer-Duell fort.

Aber auch die Nebendarsteller beteiligten sich an der Show: Der Siegsdorfer Markus Eisenbichler überbot die von Wellinger und Severin Freund gehaltene deutsche Bestweite im Probedurchgang um drei Meter auf nun 248. Und der Japaner Noriaki Kasai verblüffte nochmals diejenigen, die sich an ihn gewöhnt haben. Er ist zwar der älteste Skispringer der Geschichte, aber das ist eine banale Aussage, denn ältere Springer gibt es viele - Kasai dagegen ist immer noch ein Podestspringer. Am Sonntag wurde der 44-Jährige nach einem Flug über 239 Meter Dritter.

Somit war dieser Saison-Abschluss nochmals eine Kurzfassung des vom Wind und den Temperaturen vertriebenen gesamten Sprungwinters. Die Wettbewerbe waren in diesem Jahr sehr abwechslungsreich, weil zu den starken Nationen Österreich, Norwegen, Slowenien und Deutschland eine weitere hinzukam: Mit Polen sind es nun fünf Länder, die mehr als einen potenziellen Podestspringer aufbieten. Im Laufe des Spätwinters entwickelten ja die Norweger Anders Fannemel, Andreas Stjernen und Johann Andre Forfang wieder ihre Form. Und sollten sich auch die Prevc-Brüder Peter, Domen und Cene von ihrem Einbruch im Dezember erholen, dann könnte die Olympia-Saison 2017/2018 besonders spannend werden.

Eine gute Perspektive dank Vielfalt hat auch der deutsche Bundestrainer Werner Schuster. Er arbeitet seit 2008 an diesem Team. Erst verpasste er der gesamten Sprung-Abteilung des Deutschen Skiverbandes ein stringentes Trainingssystem, dann konnte er Siegspringer Severin Freund aufbieten und dazu drei Talente, die man im Leistungssport als Versprechen bezeichnet. Als Freund in diesem Winter als Top-Mann verletzungsbedingt ausfiel, erfüllten sich zwei der drei Versprechen im richtigen Moment: Eisenbichler festigte sein Können, er gewann bei den Weltmeisterschaften Bronze auf der kleinen Schanze und sprang auch am Freitag nochmals auf Platz drei.

Und Wellinger löste Freund pünktlich wie auf Bestellung ab. Als dieser Mitte Januar am Kreuzband operiert wurde, setzte der 21-Jährige zu einer imposanten Serie an: Zwölf von 14 Einzelspringen schloss Wellinger auf dem Podest ab, zwei davon in Pyeongchang in Südkorea, wo in elf Monaten die Olympischen Winterspiele stattfinden. Im Gesamtweltcup wurde er am Ende Vierter, Trainer Schuster sagte: "Wellinger ist noch nie konstant auf einem so hohen Niveau gesprungen, er hat den Durchbruch geschafft." Jetzt hat Schuster also einen Sieg- und einen Podestspringer, ferner mit Richard Freitag aus Aue weiterhin ein Podest-Versprechen, und natürlich auch noch Freund. Der arbeitet weiter an seiner Genesung - für Olympia und für die Zeit, in der wieder Schnee fällt.

© SZ vom 27.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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