Skispringen:Bis in die Druckzone

Skispringen: Andreas Wellinger.

Andreas Wellinger.

(Foto: imago)

Andreas Wellinger stellt in der Qualifikation von Bischofshofen einen neuen Schanzenrekord auf. Das beflügelt ihn auch für die Weltmeisterschaft in sechs Wochen.

Von Volker Kreisl, Bischofshofen

Es hat lange gedauert, bis der Name Andreas Wellinger wieder in einer Schlagzeile stand. Der Skispringer gilt unter vielen Trainern und Kollegen als am höchsten veranlagt im deutschen Team, doch mehr als zwei Jahre, fast zweieinhalb Winter lang, war er im Mittelfeld des Weltcups verschwunden. Am Donnerstag, kurz vor Ende der Vierschanzentournee, tauchte er wieder auf.

Ein Zeit- und Aufwind-Fenster hatte sich geöffnet, und Andreas Wellinger, der 21-Jährige aus Ruhpolding, nutzte es für einen imposanten Sprung. In der Qualifikation zum Finale in Bischofshofen sprang er am weitesten von allen. Weil er nicht zu früh vom Luftpolster unter seinen Skiern hüpfte und auch offenbar nicht irritiert war davon, dass er immer weiter flog, setzte er viereinhalb Meter über dem Hill Size auf, mit neuem Schanzenrekord - 144,5 Meter. Der weite Satz hatte Wellinger vielleicht übermütig gemacht, tags darauf verlor er jedenfalls das K.o.-Duell gegen seinen Teamkollegen Markus Eisenbichler (Siegsdorf) und schied mit 112,1 Punkten aus. "Der Sprung war extrem aggressiv. Bei dem starken Rückenwind funktioniert das nicht", erkannte Wellinger. Exakt zwölf Jahre hatte der alte Schanzenrekord von Daiki Ito aus Japan gehalten; dass die Verbesserung eine größere Schlagzeile wurde, lag weniger an der Leistung, als am Ausführenden und seiner Geschichte. Wellinger hatte zwar Glück, weil nach ihm der Anlauf verkürzt wurde und eine derartige Leistung nicht mehr möglich war. Aber er hatte auch einen respektablen Telemark bei der Landung in dieser Hochdruck-Zone für Oberschenkel versucht, ehe er ausschwang und die 25 Minuten als Führender in der Warte-Box genoss. "Jetzt hab' ich auch meinen Schanzenrekord", sagte er.

Wellinger kennt solche Strahle-Phasen. Er gewann als 18-Jähriger seinen ersten Weltcup, wurde 2014 Team-Olympiasieger, bekam einen lukrativen Werbepartner und eine markante Helmfarbe, mit der er als Nachfolger des Erfolgsspringers Martin Schmitt assoziiert wurde. "Ich bin gespannt, wie er mit dieser neuen Rolle umgeht", sagte Bundestrainer Werner Schuster im November 2014, er war durchaus auch skeptisch.

Im ersten Springen jenes Winters präsentierte sich Wellinger sehr ordentlich, im zweiten stürzte er dann ab. In Kuusamo in Finnland hatte er zu viel riskiert und war bei deutlicher Vorlage von einer Wind-Bö erwischt worden. Wellinger fiel fast vom höchsten Punkt der Sprungkurve in den Hang, verletzte sich aber zum Glück nur an der Schulter schwerer. Die Saison, in der er eigentlich durchstarten wollte, war für ihn dennoch gelaufen.

Seitdem warten seine Fans, seine Trainer und auch er selbst auf die Rückkehr der Form und der alten Selbstverständlichkeit, mit der er als Teenager ohne großen Tempoverlust in die Höhe sprang. Aber Wellinger tat sich schwer. Erst in diesem Winter wirkten seine Beschreibungen der eigenen Sprünge selbstgewisser; es fehle nicht viel, sagte Wellinger schon im November in Klingenthal. Sein Rekord von Bischofshofen wird fortan auf irgendwelchen Listen stehen, zum Beispiel den Start- und Ergebnislisten der Vierschanzentournee. Für den Ruhpoldinger, der schon in den Trainingssprüngen zuvor mit Platz eins und drei sehr gut ausgesehen hatte, könnte er aber weit mehr bedeuten. In sechs Wochen beginnt die WM in Lahti, vielleicht hat Wellinger bis dahin die Form und die Sicherheit zurück, die er vor zwei Jahren verlor.

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