Olympia:Bei Stress ist Wellinger stark

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Vom bestformsuchenden Top-Ten-Springer, der hin und wieder aufs Podium kommt und dann doch wieder zurückfällt, ist Andreas Wellinger zum Favoriten bei Olympia geworden. (Foto: AFP)
  • Plötzlich gilt Andreas Wellingers als Favorit für das erste Olympia-Springen von der Kleinschanze.
  • Sein Aufstieg zeigt, wie schnell sich die Rangliste im Skispringen verändern kann.
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Von Volker Kreisl, Pyeongchang

Andreas Wellinger riskiert nichts. Auch wenn die Minusgrade nicht mehr zweistellig waren, so bleibt eine Eröffnungsfeier doch eine lange Steherei in der Kälte. Einmal hat er dieses Fest ja schon erlebt, 2014 in Sotschi, diesmal verzichtet der Skispringer darauf.

Denn das Risiko hat in den vergangenen 24 Stunden doch plötzlich ungeahnte Ausmaße angenommen. Vom bestformsuchenden Top-Ten-Springer, der hin und wieder aufs Podium kommt und dann doch wieder zurückfällt, ist er nun zum Favoriten bei Olympia geworden. Teamgold hatte Wellinger ja schon vor vier Jahren geholt, jetzt könnte er den Einzelwettbewerb von der Kleinschanze gewinnen.

Die Ausgangslage kann sich schnell verändern

Wellinger hatte die Qualifikation am Donnerstag als Erster beendet. Behalten auch die anderen Deutschen ihre Form bei, dann befinden sich alle an diesem Samstag in Schlagdistanz zu den Podestplätzen. Richard Freitag, Markus Eisenbichler und Karl Geiger kamen unter die besten sieben Springer.

Das Beispiel des Oberbayern Wellinger zeigt, wie schnell sich die Ausgangslage an der Weltspitze im Skispringen ändern kann, vielleicht nicht so schnell wie der Wind oben auf der Schanze, aber doch wie die Großwetterlage. Im Dezember war noch Richard Freitag der beherrschende Athlet, im Januar der Pole Kamil Stoch, der die Tournee gewann.

Und im Anschluss daran, bei der Skiflug-Weltmeisterschaft in Oberstdorf, trumpfte der Norweger Daniel Andre Tande auf. Nun deutete Wellinger mit seinen 103 Metern und dem am besten bewerteten Sprung von der Kleinschanze an, dass bei ihm der Anlauf, die Sprungkraft, das Umschalten in die Flugstellung und auch der Flug selber wieder so ineinander fließen, dass es weit nach unten geht.

Die besten Athleten dieser Disziplin haben ja keine Wettkampfpause, sie hetzen in einer Saison von einem Weltcup-Springen zum anderen, insgesamt sind es 27. An Weihnachten ist ein bisschen Pause, ansonsten geht es jedes Wochenende woanders hin. Zuletzt führte der Weltcupkalender die Hauptdarsteller vier Tage vor der Qualifikation noch zu einem Top-Wettkampf, jedoch nicht etwa auf eine der Weltcup-Schanzen in Japan, also schon mal in die Olympia-Zeitzone, sondern nach Willingen im Sauerland. In Pyeongchang landeten sie zwei Tage später, als ginge es zu einem profanen Weltcup-Termin, nach der Ankunft ging es gleich zum Training. Eine besonders raffinierte innere Zeitumstellung hatte sich damit erledigt, dass gar keine Zeit war.

Womöglich aber zählt Andreas Wellinger zu jenen Sportlern, die in solchen Stressperioden Vorteile haben. Seine stärksten Phasen hat er nicht selten in der zweiten Winterhälfte. 2014 zum Beispiel holte er im Januar seinen ersten Weltcupsieg und wurde danach Team-Olympiasieger. Nach einer Phase der Formsuche, die auch bedingt war durch einem kapitalen Sturz im darauf folgenden Herbst, kam Wellinger abermals im Januar in Schwung: 2017 gelang ihm eine Serie von Podestplätzen, auch bei der Weltmeisterschaft in Lahti.

Diese Saisonentwicklung mag auch daran liegen, dass er die Dinge eher locker nimmt und ihn große Party-Weltcups wie Willingen - diesmal kamen 21 000 Zuschauer - zwar berauschen, aber nicht belasten. Bundestrainer Werner Schuster hatte vor den Spielen erklärt, den Stress der Reisen, der Hotelwechsel und das Springen mit manchmal weniger Schlaf halte ein junger Körper eher aus. Wellinger ist erst 22 Jahre alt.

Für das Olympia-Springen auf der Kleinschanze am Samstag hat er jedenfalls alles Erdenkliche erledigt. "Ich bin gut vorbereitet auf jeden Tag, auf jeden Wettkampf", sagt er. - "Er hat ein Zeichen gesetzt", sagt sein Trainer Schuster. Und auf das Einmarschieren und Stehen in der Kälte hat er auch verzichtet.

© SZ vom 10.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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