Skirennfahrer:Rätseln über Bode Miller

Alpine Skiing World Championships 2015

In der kommenden Saison nicht auf der Piste: Skirennfahrer Bode Miller.

(Foto: dpa)
  • Am Samstag bricht in Sölden die Saison der alpinen Skirennfahrer an - diesmal ohne Bode Miller.
  • Die Branche diskutiert: Hat Miller sich still und leise schon aus dem Skisport zurückgezogen?
  • Miller könnte seinen Sport wohl noch immer dominieren, aber er ist nicht süchtig danach, seine Dominanz ständig zu erneuern.

Von Johannes Knuth

Sein neues Trainingsprogramm laufe bestens, hat der Skirennfahrer Bode Miller zuletzt ausgerichtet. Es handele sich dabei um ein "Super-Super-Elite-Programm", quasi um eine Rundum-Versorgung, mit der man sich für den Wettkampf präpariere, mental und physisch.

Deshalb ist Bode Miller gerade auch sehr zuversichtlich, was die kommende Saison angeht: Wenn seine rundum versorgten Pferde demnächst um Siege bei prestigeträchtigen Derbys mitrennen. Miller interessiert sich ja seit einer Weile für den Galoppsport, er ist mittlerweile an 15 Pferden beteiligt. Und an einer Farm in Maryland.

Am Samstag bricht in Sölden die Saison der alpinen Skirennfahrer an. Stand jetzt müssen sie in dieser Saison ganz ohne den Skirennfahrer Bode Miller, 38, auskommen - die Pferde; außerdem ist Miller seit viereinhalb Monaten Vater seines dritten Kindes. Was eine Frage aufwirft, die die Skibranche derzeit rauf und runter diskutiert: Ist Miller gerade ein Skifahrer, der nur für eine Spielzeit die Ämter ruhen lässt, wie er angedeutet hat? Oder hat er sich doch ganz zurückgezogen?

Medaillen? Interessierten Miller nie so recht

Zuletzt häuften sich die Indizien für einen vollwertigen Rücktritt, Rainer Salzgeber, Chef von Millers Skiausrüster, sagte: "Wir haben den Vertrag mit ihm aufgelöst, weil er nicht fahren wird." Wie lange diese Auszeit währen wird, weiß aber offenbar niemand so recht, auch nicht im amerikanischen Skiverband. Von Miller ist ansonsten noch ein Zitat von der Ski-WM im Februar in Vail aktenkundig, nachdem er bei seinem vorerst letzten Auftritt schwer gestürzt war: "Ich gehöre nicht zu den Leuten, die einen großen Abgang oder eine Parade brauchen. Ich werde einfach nicht mehr da sein."

Beweisen muss Miller sich und der Skiwelt jedenfalls nichts mehr. Er hat zwei Mal den Gesamtweltcup gewonnen, vier Mal ein WM-Rennen, 2010 wurde er Olympiasieger in der Kombination. Wobei Miller sich nie recht für Medaillen interessierte, für die Währung des Kommerzsports. Er ist einer der erfolgreichsten Skirennfahrer der Geschichte, aber seine Vorstellungen von Erfolg waren nie wirklich deckungsgleich mit denen des Mainstreams.

Miller ist in Turtle Ridge aufgewachsen, so nannten seine Eltern die verwinkelte Wohnung mit schiefen Dächern, versteckt in einem Wald, irgendwo in New Hampshire. Sie hatten kaum Strom, kein Wasser, keinen Konsum, dafür ein Plumpsklo. Und viel Natur. Die Kinder sollten einen freien Geist entwickeln, und im Fall von Miller bedeutete das später, dass er für die Regeln des Berufssports nur wenig übrig hatte.

Nur eine Sache reizt ihn noch: die Streif

Millers Elternhaus war nur über einen steilen Pfad zugänglich, der sich im Winter in eine eisige Piste verwandelte. Vermutlich erwarb er sich dort jenes Gespür fürs Gelände, jene einzigartige Balance, die er später bei diversen Rettungsmanövern vorführte. Zum Beispiel in Kitzbühel, als er nach dem Steilhang auf einer Begrenzungsplane entlangsteuerte.

Zudem entwickelte Miller schon zu Jugendzeiten ein granithartes Selbstvertrauen, vor allem in seinen Fahrstil. Miller lehnte sich mit seinem Oberkörper oft zurück, es sah aus, als steuere er ein Auto vom Rücksitz aus, aber Miller schaffte es eben auch, seine Skier kraftvoller in den Schnee zu drücken. Die Trainer lachten, aber als sie seine Zeiten sahen, lachten sie nicht mehr lange.

Rennlinien, die niemand für machbar hielt

Bode Miller, hat der amerikanische Journalist Nathaniel Vinton einmal geschrieben, sei der vielleicht beste Botschafter für das Motto seines Heimatstaats New Hampshire: "Live Free or Die". Früher zählten dazu Feiern und Skifahrten unter Alkoholeinfluss. Im Gedächtnis blieben dann aber doch die waghalsigen Fahrten haften, wenn Miller mal wieder eine Rennlinie erschuf, die niemand für machbar gehalten hätte. Klar hätte er mehr Rennen gewinnen können, sagte Miller 2009 dem Fernsehsender HBO. "Aber dann hätte ich das geistige Niveau meines Skifahrens senken müssen", und das, findet Miller, sei "keine pure Zurschaustellung meines Könnens".

Miller könnte seinen Sport wohl noch immer dominieren, aber er ist nicht süchtig danach, seine Dominanz ständig zu erneuern. Nur eine Sache reizt ihn noch: die Streif. Dieses Monster von Abfahrt einmal als Schnellster zu zähmen, das hat Miller nicht geschafft, er, der auf verwegenen Pisten seine Kunst immer am besten zur Geltung brachte.

Sie warteten in Kitzbühel oft im Zielraum, niemand ging, ehe Miller ins Ziel gerauscht war. "Jeder will noch wissen: Was macht Bode diesmal", hat Franz Klammer einmal gesagt, Österreichs Abfahrtsheld. Es sind diese Momente, die dem Sport wohl am meisten fehlen werden. Wenn Miller eines Tages einfach nicht mehr da sein wird.

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