Skifahrerin Lindsey Vonn:Abschied auf unbestimmte Zeit

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Nach dem Bekanntwerden ihrer psychischen Probleme und dem sportlich unglücklichen Wochenende in Val d'Isère will Skirennfahrerin Lindsey Vonn pausieren. Wie lange, weiß sie selbst nicht - es bleiben ungeklärte Fragen.

Von Michael Neudecker

Lindsey Vonn hat schon bessere Tage erlebt in ihrer Skirennfahrer-Karriere als die vergangenen in Val d'Isère: Freitag in der Abfahrt gestürzt, Samstag vergeblich auf einen Start im Super-G gewartet, wegen schlechten Wetters wurde das Rennen abgesagt, Sonntag im Riesenslalom über einen Stein gefahren und ausgeschieden. Um 11.52 Uhr am Sonntag veröffentlichte Lindsey Vonn ein Foto auf ihrer Facebook-Seite, ihr eingeschneites Auto ist darauf zu sehen, der Kofferraum offen, Vonn steht mit dem Rücken zur Kamera und packt ihre Tasche in das Auto. Darunter der Kommentar: "Kämpfe noch, um die Energie zu finden, die ich normalerweise habe", sie versuche "positiv zu denken", und: "Fahre jetzt zum Flughafen."

Offenbar flog sie dann aber nicht zurück nach Österreich, wo sie während des Skiwinters wohnt, sondern nach Vail, Colorado: "Sie geht jetzt erst mal nach Hause", sagte Vonns Trainer Alex Hödlmoser am Montag der Nachrichtenagentur AP. Sie überlege, eine Pause einzulegen, teilte Vonn selbst mit, wie lange, sei offen. "Das hängt davon ab, wie sie sich fühlt und in welcher Verfassung sie ist", sagte Hödlmoser. Auf den Riesenslalom und den Slalom in Are, Schweden, am Mittwoch und Donnerstag wird sie auf jeden Fall verzichten, außerdem sei denkbar, sagte Hödlmoser, "dass sie Semmering auslässt", dort finden am 28. und 29. Dezember ein Riesenslalom und ein Slalom statt.

In der Szene heißt es, Vonn verzichte womöglich auch auf das Rennen in München am 1. Januar und den Slalom in Zagreb drei Tage später und kehre erst zu Abfahrt und Super-G in St. Anton Mitte Januar zurück. Offiziell wollte das niemand bestätigen, der US-Skiverband ließ eine Anfrage unbeantwortet. Hödlmoser sagte der AP, Vonn werde erst zurückkehren, "wenn sie wieder bei vollen Kräften ist".

Wie es um die Kräfte von Lindsey Vonn steht, das ist ein großes Thema im Ski-Weltcup seit dem Wochenende. Noch Ende vergangener Woche zweifelte kaum jemand an der Stärke der Amerikanerin, die Ende November beide Abfahrten und den Super-G in Lake Louise und eine Woche später auch den Super-G in St. Moritz gewann - trotz einer Darmerkrankung, die Vonn im November zu einem Krankenhausaufenthalt gezwungen hatte. Die Krankheit sei ausgestanden, sagte Hödlmoser in St. Moritz zur SZ. Nun scheint es, als seien die Folgen der Darmerkrankung, deren Ursachen wohl immer noch ungeklärt sind, doch schwerwiegender als bislang angenommen. Dass die Darmerkrankung im Zusammenhang mit der am Samstag bekanntgewordenen psychischen Erkrankung Vonn steht, schloss Vonns Manager Lewis Kay jedoch aus: "Das hat überhaupt nichts miteinander zu tun", sagte Kay der Zeitung USA today.

Der am Freitag im Hochglanzmagazin People veröffentlichte Artikel überraschte viele, selbst jene, die Vonn schon seit Jahren begleiten. Maria Höfl-Riesch, deren Beziehung zu Vonn sich normalisiert hat, etwa erzählte in Val d'Isère, sie habe erst von Vonns Problemen erfahren, als Vonn ihr auch wegen des Interviews davon erzählt habe. Auch andere in Vonns Umfeld wollen davon nichts gemerkt haben. Die Spekulation, Vonn leide an Depressionen, war zwar zuletzt immer wieder zu hören, doch es blieb nichts als vages Geraune, auch deshalb, weil Vonn selbst sich dazu nicht äußern wollte - wohl auch im Hinblick auf die schon länger geplante Geschichte in People, wie es nun scheint.

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Der Artikel, der fünf Seiten füllt, basiert auf einem Gespräch, das Reporter des Blattes offenbar vor der Skisaison mit Vonn in Los Angeles führten, Vonn wird unter anderem zitiert, sie habe sich "gefühlt wie ein Zombie", sie habe "nicht einmal weinen" können. Sie habe lange mit einer Depression gekämpft, die Symptome seien erstmals 2002 nach den Olympischen Spielen aufgetreten, wegen der Eheprobleme ihrer Eltern und den Spannungen mit ihrem Vater Alan Kildow. Erst 2008 sei die Krankheit nach einer Diagnose mit Medikamenten behandelt worden, wodurch sich ihr Zustand gebessert habe.

Sie habe lange nicht darüber reden wollen, weil sie um ihr gutes Image fürchtete, sie habe gedacht: "Ich bin eine erfolgreiche Skirennfahrerin, niemand will meine Probleme hören." Die Welt, so wird zudem eine langjährige Freundin zitiert, habe immer nur gesehen, "wie stark sie ist". Skifahren sei ihr Refugium gewesen, beim Skifahren habe sie all ihre Emotionen bündeln können, sagt Vonn in dem Artikel, "meine Unsicherheit, meine Wut, meine Enttäuschung".

2008 habe sie neben der Einnahme von Medikamenten auch mit einer Gesprächstherapie begonnen, heute halte sie über das Internet-Telefonie-Programm Skype Kontakt zu ihrem Therapeuten. Das Medikament habe sie zudem gegenüber dem US-Ski-Verband offengelegt, um keinen Dopingverdacht aufkommen zu lassen.

Der Artikel sorgte einiges Aufsehen, der Gegensatz zwischen Vonns stets demonstrativer Fröhlichkeit und ihren nun öffentlich in einer Promi-Zeitschrift geäußerten Gefühlen ist schließlich extrem. Sie habe "alles gesagt, was ich sagen wollte", erzählte Vonn am Wochenende in Val d'Isère dem ORF, "das tut gut, das habe ich gebraucht". Jetzt komme "der nächste Schritt in meinem neuen Leben".

Trotz des Artikels und ihres Auftritts in Val d'Isère aber bleiben offene Fragen, zu denen Vonn sich bislang nicht äußerte; etwa die, ob sie noch immer Medikamente einnimmt. Sie wird die Fragen wohl erst beantworten, wenn sie nach Europa zurückkehrt, in den Ski-Weltcup, wann auch immer das sein mag.

© SZ vom 18.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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