Ski-WM: Slalom der Männer:"Eine Befreiung, dass es vorbei ist"

Missratener Fünfjahresplan: Felix Neureuther verkorkst den WM-Slalom auf seinem Heimberg - und erklärt sich sein Aus auch mit dem immensen öffentlichen Druck. Den Titel sichert sich ein Franzose.

Johannes Aumüller

Fünf Jahre lang, so hatte Felix Neureuther verkündet, habe er auf diesen Tag hingearbeitet. Seit feststand, dass in Garmisch-Partenkirchen die Ski-WM 2011 stattfinden würde, träumte er wie so viele Beobachter des alpinen Skisports diesen schönen Traum: Felix Neureuther, geboren in Garmisch-Partenkirchen und seit seinem dritten Lebensjahr Mitglied beim SC Partenkirchen, gewinnt auf seiner Heimstrecke WM-Gold im Slalom. Neureuther war der Lokalmatador, wie das im Floskeldeutsch immer so schön heißt, das Gesicht dieser zweiwöchigen Veranstaltung, und am Ende auch noch die letzte Hoffnung des Deutschen Skiverbandes (DSV), die angestrebte dritte Medaille zu erreichen.

SKI-WORLD-MEN-SLALOM

Felix Neureuther kommt mit einem großen Rückstand ins Ziel.

(Foto: AFP)

Am Sonntagmittag stellte sich heraus: Es waren fünf vertane Vorbereitungsjahre. Denn während sich der Franzose Jean-Baptiste Grange vor Jens Byggmark (Schweden) und Manfred Moelgg (Italien) den letzten Titel dieser Weltmeisterschaft sicherte, erlebte Felix Neureuther einen völlig misslungenen Wettkampf - und schied am Ende sogar aus.

Neureuthers Pech-Tag hatte schon vor den ersten Stockschüben begonnen, denn er musste dieses Rennen mit der Startnummer 13 bestreiten, was weniger wegen des Aberglaubens ungünstig war - der Spleen des 26-Jährigen beschränkt sich darauf, immer den linken Ski-Schuh vor dem rechten anzuziehen. Problematischer schien vielmehr, dass die vergangenen technischen Rennen gezeigt hatten: Athleten mit einer solch hohen Nummer konnten sich nicht mehr in den Kampf um die Medaillen-Plätze einschalten, die machten die frühen Starter unter sich aus.

Und dieser Trend setzte sich auch bei den ersten Läufern des Slaloms fort. Neureuther wusste um die Schwierigkeiten, also verlegte er sich auf eine klare Strategie: voller Angriff. Doch es war zu viel Angriff, zu wenig Taktik, schon in den oberen Toren riskierte er gewaltig. Bei der ersten Zwischenzeit nach 20 Sekunden lag er 83 Hundertstel zurück, danach 1,47 Sekunden, im Ziel sogar 2,35 Sekunden. Das war nun ein Rückstand, der nicht nur etwas mit der Startnummer zu tun hatte. Sämtliche, zumindest realistische, Medaillenhoffnungen waren dahin, Neureuther konnte froh sein, sich als 22. Überhaupt für den zweiten Durchgang qualifiziert zu haben.

Doch vielleicht erinnerte sich er an die WM 2003, als er im zweiten Lauf Bestzeit gefahren war oder an die WM 2009, als er sich im zweiten Durchgang noch auf Position vier vorgekämpft hatte. Jedenfalls kündigte er in der Pause zwischen den Läufen an, nun wirklich noch einmal alles zu riskieren, und empfahl seinen Trainern, zur Not den Helikopter kommen zu lassen - und klang dabei aber arg verbissen. So verbissen, dass es kaum wunderte, als er am dritten Tor des zweiten Laufes seinen ersten Fehler einbaute und wenig später ausschied.

"Der erste Lauf war schon sehr verkorkst, im zweiten habe ich alles riskiert, da kann ein Ausscheider passieren", sagte Neureuther - und verriet, wie sehr ihm der Druck zugesetzt hatte. "Das ist schon bitter, aber das war auch alles nicht so einfach. Vielleicht war das ein bisschen viel, was da auch mich eingeprasselt ist. Irgendwo ist das eine kleine Befreiung, dass das nun vorbei ist."

Dabei, und das wurmte ihn vielleicht ganz besonders, war trotz der schlechten Ausgangslage im zweiten Durchgang noch etwas möglich gewesen - wie der Österreicher Mario Matt, zuvor schon zweimal Weltmeister, nach dem ersten Lauf auf Platz 16 und am Ende immerhin noch Vierter, zeigte. Aggressiv, aber nicht so hart wie Neureuther, absolvierte Matt den Parcours auf dem Gudiberg und schob sich mit einem großen Vorsprung an die Spitze. Und Läufer um Läufer missglückte das Unterfangen, diesen Mario Matt von der Spitze zu verdrängen - bis der Schwede Jonas Byggmark kam.

Fritz Dopfer auf Platz 21

Der hatte schon im ersten Durchgang überrascht, als er den bisherigen Garmisch-Erfahrungen getrotzt und sich trotz der relativ hohen Startnummer 18 noch auf den sechsten Rang geschoben hatte - und nun steigerte er sich noch einmal. Der Kroate Ivica Kostelic, der Schwede Matthias Hargin, dessen Landsmann André Myhrer, der Italiener Manfred Moelgg, sie alle mühten sich vergeblich, die Zeit von Byggmark zu unterbieten. Die Experten hatten die Schweden durchaus zum engeren Favoritenkreis gerechnet, allerdings vor allem Hargin und Myhrer, weniger diesen Jonas Byggmark.

Schließlich stand nur noch einer oben, der Franzose Jean-Baptiste Grange. Großzügige 1,09 Sekunden betrug sein Vorsprung, doch Grange hatte zuvor bei Moelgg gesehen, wie schnell auch solch ein Vorsprung verschwinden kann, wenn man es zu abwartend angehend lässt. Also griff er bedingungslos an, rutschte weg, noch 74 Hundertstel, rutschte wieder weg, noch 58 Hundertstel, wackelte noch einmal kurz - und kam schließlich mit 43 Hundertstel Vorsprung ins Ziel. "Er ist trotz widriger Umstände im zweiten Durchgang einen genialen Lauf gefahren", sagte der Olympiasiegerin von Lillehammer, Markus Wasmeier.

Auch wenn Fritz Dopfer ein überraschend guter 21. Platz gelang: Für den DSV endete die Weltmeisterschaft enttäuschend. Nicht nur wegen des Ausscheidens von Felix Neureuther, sondern auch mit Blick auf die Gesamtbilanz. Zwei Bronzemedaillen durch Maria Riesch (Super-G, Abfahrt) bedeuteten erstens eine geringere Ausbeute als erhofft und zweitens das schlechteste Abschneiden eines Gastgeberlandes seit 1999.

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