Ski-WM:Kamera fliegt durch den Zielraum

Members of the Swiss aerobatic team Patrouille Swiss fly in formation over the valley of St. Moritz during an airshow for the FIS Alpine World Skiing Championships in St. Moritz

Generalprobe fehlgeschlagen: Ein Flugzeug touchiert in St. Moritz ein Kamera-Seil.

(Foto: REUTERS)
  • Eine Kamera stürzt bei der Ski-WM in St. Moritz in den Zielraum; eine Maschine der Schweizer Luftwaffe hatte das Seil touchiert, an dem sie hing.
  • Felix Neureuther hängt vor dem zweiten Lauf im Riesenslalom in der Luft.
  • Kein deutscher Fahrer schafft es unter die ersten Zehn.
  • Hier geht's zu den Ergebnissen der Ski-WM.

Von Matthias Schmid, St. Moritz

Felix Neureuther, Marcel Hirscher und die übrigen Ski-Rennläufer sitzen im Sessellift hinauf zum Start des Riesenslaloms, als in ihrem Rücken Teile der Seilkamera oberhalb des Zielgeländes, in den Schnee stürzen. Der Lift stoppt, zunächst ist unklar, was geschehen ist. Nach etwa einer Viertelstunde geht die Fahrt weiter. Der zweite Durchgang des Riesentorlaufs bei der alpinen Ski-Weltmeisterschaft in St. Moritz muss um eine halbe Stunde verschoben werden. Als erste Details der Geschehnisse bekannt werden, ist klar, dass nur glückliche Fügungen ein Unglück verhindert haben.

Das Propellerflugzeug einer Fliegerstaffel der Schweizer Luftwaffe hat bei der Generalprobe für die Flugshow am Samstag das Tragseil so stark touchiert, dass sich die Kamera löste und die Schnur auf den Sessellift fiel, der die Rennläufer nach oben beförderte. "Es wurde aber niemand verletzt", berichtete Roman Rüegg, Sprecher der Kantonspolizei Graubünden. Polizei und Militärbehörden haben Untersuchungen zu dem Vorfall aufgenommen, wie es hieß. Der Flieger, der "das Tragseil touchiert hatte", habe selbständig landen können, sagte Rüegg. Ob es ein Pilotenfehler war? Ließ er offen.

Als sich Neureuther später wie immer zum Rennen äußerte, diesmal zu einem enttäuschenden 16. Platz, da sprach er auch über die fliegende Kamera. "Es sind meine Eltern da, sehr viele Zuschauer - da denkt man sich schon, hoffentlich ist nichts passiert." Die Schweizer seien immer ein sehr korrektes Volk, "die bei jedem Km/h, den man zu schnell fährt, da rumtun. Und dann können sie nicht einen Meter zu hoch fliegen, das geht mir nicht in den Kopf rein." Solche Sachen gehörten nicht in den Skisport. Dieser würde an sich schon so spektakulär rüberkommen, dass solche Kameras gar nicht nötig seien.

Es ist nicht der erste Zwischenfall dieser Art. Im Dezember 2015 war beim Nachtslalom in Madonna di Campiglio eine Kameradrohne hinter Hirscher auf die Piste gestürzt, als er gerade im zweiten Durchgang unterwegs war. An diesem Freitag in St. Moritz ließ sich der Österreicher nicht von der längeren Liftfahrt irritieren und gewann im Riesenslalom erstmals WM-Gold, vor seinem Landsmann Roland Leitinger und Leif Kristian Haugen aus Norwegen. Linus Straßer landete als bester Deutscher auf dem zwölften Rang, Stefan Luitz fuhr auf Platz 14.

Neureuther war als 16. mit zweitbester Laufzeit im zweiten Durchgang allerdings froh, ja sogar hochbeglückt, dass sein verletzter Rücken ambitionierten Rennsport zuließ. Das war mit Blick auf den Slalom am Sonntag vor allem für den Kopf "wahnsinnig wichtig", fand er selbst, "dass ich noch mal einen zweiten Durchgang fahren und Gas geben konnte." Der Partenkirchener war vor dem Rennen verunsichert ins Starthaus gekrochen, nachdem es ihm im Teamwettbewerb ein paar Tage vorher "in den Rücken geschossen war", hatte er danach berichtet. Die Diagnose der Ärzte lautete anschließend "Kompressionssyndrom der Struktur an der Lendenwirbelsäule". Was sich zunächst schlimm anhörte, entpuppte sich dann übersetzt als komplizierte und schmerzhafte Muskelverhärtung.

Neureuther muss für Liftkarte zahlen

Mithilfe der Mediziner und seines eigenen Physiotherapeuten Oliver Saringer stand er schon am Tag danach wieder auf den Skiern, um locker ein paar Schwünge in den Schnee zu malen. "Es ist klar, dass ich nicht durchs Zielgelände wie ein junger Gott hüpfen kann", sagte er, "aber es hat sich positiv entwickelt." Restzweifel blieben aber, oder wie es Neureuther nach dem ersten Durchgang ausdrückte: "Die Verunsicherung fährt mit."

Erschwerend kam das diffuse Licht auf der Strecke Corviglia mit ihren Wellen hinzu, als er mit Startnummer zwei auf die Strecke fuhr. "Wenn du siehst, wie dunkel es beim Fahren ist, dann wirst du eher passiv." Das war an seiner Fahrt abzulesen, er scheute das letzte Risiko und wählte nicht die engste Linie um die Tore herum, wie die Rennläufer, die unbedingt eine Medaille holen wollten.

Am Sonntag im Slalom wird das anders sein, da hofft er auf einen Platz auf dem Treppchen, auch wenn Neureuther in St. Moritz nicht zu den Favoriten gehört. "Ich freue mich schon auf Sonntag, weil ich gesehen habe, dass der Rücken durchhält", sagte er. Es ist wohl seine letzte Chance auf eine dritte WM-Medaille nach Silber in Schladming 2013 und Bronze in Vail vor zwei Jahren, seine Planungen sind bisher nur auf die Winterspiele im nächsten Jahr im koreanischen Pyeongchang ausgerichtet. Was danach kommt, weiß er selbst noch nicht.

Vor 14 Jahren hatte er sich in St. Moritz der Weltelite im Slalom vorgestellt, mit der Bestzeit im zweiten Durchgang des damaligen WM-Laufs. Neureuther war ein wilder 18-jähriger Bursche. Heute kennen sein Gesicht trotzdem noch nicht alle. Als Neureuther vor ein paar Tagen in den Sessellift zum Training hinauffahren wollte, stoppte ihn der Liftaufseher, weil er im Hotel seine Akkreditierung hatte liegen lassen. Er musste sich wie jeder Hobbyfahrer für 79 Franken eine Tageskarte kaufen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: