Ski-WM: Maria Riesch:Die Retterin von Garmisch

Der Start der Ski-WM hatte prekäre Seiten: Rebensburg krank, Stechert operiert, viele leere Sitze im Zielraum. Nur Maria Riesch gibt alles für die WM in ihrer Heimat.

Thomas Hummel, Garmisch-Partenkirchen

Wenn man so will, endete der Tag, wie er begann: mit vielen leeren Stühlen. Als Maria Riesch im kitschig bauernhäusigen Treff des Deutschen Skiverbands (DSV) im Garmischer Kurpark ihren letzten öffentlichen Auftritt hatte, trudelten viele der geladenen Gäste erst herein. Und so lagen die meisten der aufgeschnittenen Leberpasteten und gerollten Butterwellen noch unangetastet da, als sie zum vermutlich 98. Mal von diesem, ihrem ersten Heim-WM-Tag erzählte.

Riesch of Germany celebrates third place after her Super-G race at the Alpine Ski World Championship in Garmisch-Partenkirchen

Jubel von Maria Riesch: Im Super-G wurde die Deutsche Dritte.

(Foto: REUTERS)

Wie sie am Morgen in ihrem eigenen Bett im Garmischer Elternhaus aufgewacht war und diese "große Anspannung" spürte. So lange schon warteten alle auf das erste Rennen der Ski-Weltmeisterschaft, für Maria Riesch ist dies ja eine WM auf den Bergen ihrer Kindheit. Sie fuhr dann den Super-G auf der Kandahar-Strecke hinunter, die so eisig und hart und ruppig war wie noch nie.

Später sollte sie von Kleinigkeiten im oberen Teil berichten, "die nicht gepasst haben", einen verpassten Schwungansatz in der "Hölle", dem berüchtigten Streckenabschnitt, der diesmal wie ein Eis-Spiegel glitzerte. "Aber insgesamt ist mir eine gute, konstante Fahrt geglückt", befand sie. Schlimmer als die Strecke war ohnehin die Zeit danach.

Denn wer will schon Vierte werden bei diesem ersten Rennen? Und danach sah es aus für Maria Riesch, zumindest für ein paar Minuten. Denn Riesch lag im Ziel bereits hinter der Österreicherin Elisabeth Görgl zurück (0,21 Sekunden), dann war auch Julia Mancuso (USA) um 16 Hundertstel Sekunden schneller und oben stand ja noch Lindsey Vonn. Ihre Freundin Lindsey, die fünf der vergangenen sechs Super-G-Rennen gewonnen hatte. "Wenn man auf der Abschlussposition drei steht, zittert man natürlich", sagte Riesch.

Doch Vonn fuhr nicht wie die überstarke Vonn, sondern wie eine, die sich nicht recht traut, nicht alles geben kann. Lindsey Vonn kam auf Platz sieben ins Ziel und endete dort "frustriert und traurig". Ein Trainingssturz am vergangenen Mittwoch zeigte offenbar Wirkung, Vonn sprach von anhaltenden Kopfschmerzen. "Vielleicht war es die falsche Entscheidung zu fahren", sagte sie, "die Konzentration war nicht da, mich hat alles überrascht."

Riesch blieb Dritte, hinter Mancuso und der Weltmeisterin Görgl. Dennoch reagierte das Publikum im Zielraum lange Zeit seltsam unentschlossen. Hatten die meisten bereits mit Gold gerechnet? Nur als Riesch auf der Strecke war, kam so etwas wie gute Stimmung auf. Als die nachfolgenden Starterinnen fuhren, bangten die Menschen nur noch still und seufzend um den Medaillenplatz ihrer Maria. Später bekam die zweite deutsche Starterin, Gina Stechert, ihren Applaus, doch die 23-Jährige stürzte in der Fis-Schneise und wurde noch am Abend wegen einer Daumen-Mittelhandfraktur in Murnau operiert. Ihr droht wohl das WM-Aus.

Warum kamen so wenig Zuschauer?

Dieser WM-Start hatte wahrlich seine prekären Seiten für den DSV. Viktoria Rebensburg hatte das Rennen wegen einer fiebrigen Grippe ganz abgesagt und verbrachte den Tag im heimischen Bett in Kreuth. Stechert landete im Krankenhaus - und dann sah die Welt durch den Fernseher diese vielen leeren, blauen Stühle. Ein großer Teil der Haupttribüne blieb unbesetzt. Und da half es auch wenig, dass die Nebentribüne voll war und auch die Stehplätze rundherum gut gefüllt.

Es begann die Fahndung nach den Gründen. Riesch meinte ein wenig ratlos: "Vielleicht trauen sich die Leute zu Beginn noch nicht raus." Näher an der Wahrheit erscheint der Verdacht, dass der Termin am Dienstag um 11 Uhr für viele nicht sonderlich attraktiv war. Und dass ein Platz auf der Haupttribüne 90 Euro kostet.

Der Veranstalter indessen suchte andere Gründe und wollte sich die gute WM-Laune zumindest öffentlich nicht verderben lassen. Das Organisationskomitee (OK) meldete, dass etwa 8000 der insgesamt 10.000 Karten verkauft waren. OK-Chef Peter Fischer verwies darauf, dass einige Karten als VIP-Tickets über Dritte an Kunden weitergegeben werden, und wenn von 1000 Zuschauern mit VIP-Tickets 500 lieber bei der Suppe im Zelt blieben, könne der Veranstalter wenig dagegen tun. Die leeren Plätze mit Fans aufzufüllen, die nur Stehplatzkarten besitzen, sei schwierig: Das sehe zwar im Fernsehen besser aus, doch die VIP-Besucher bezahlen ihre Tickets teuer und hätten das Recht, ihren Platz leer zu lassen.

Maria Riesch immerhin hofft, ja bittet fast, dass ihre Bonzemedaille die Leute mobilisiert. "Das kommt schon noch jetzt, mit diesem Ereignis." Die Veranstalter hingegen rechnen vor allem bei den Rennen unter der Woche mit noch deutlich mehr blauen Sitzschalen. Gerade beim Super-G (Mittwoch, 11 Uhr) oder der Super-Kombination bei den Männern. "Wenn ich keinen deutschen Hero habe, ist es schwer, die Menschen aus der Region herauszubringen", sagt OK-Chef Fischer. Auch der neue Mannschafts-Wettbewerb sei schwer vermittelbar.

Da erschienen die Auftritte der lokalen Heldin wie eine ungewollte Rettungsaktion der ganzen Veranstaltung. Riesch gibt alles für ihre WM. Am Montag noch hatte sie den Pausentag mit allerlei Terminen und dem Auftritt bei der Eröffnungsfeier bestritten. Nach dem Super-G eilte sie von Mikrophon zu TV-Kamera, von Interview zu Sponsorenauftritt. "Mir macht das nicht viel aus, da bin ich resistent", sagte sie.

An der sogenannten Medal Plaza im Kurpark immerhin versammelten sich am Abend ausreichend Menschen, um Maria Riesch bei der Medaillenvergabe zu bejubeln. Der Platz war voll, die Laune gut. Und Stühle gab es ohnehin nicht.

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